Unsere digitale Welt hat einen großen CO2-Fußabdruck. Jede Suchanfrage, jedes gestreamte Video und jede Art von Cloud-Computing, rund um den Globus milliardenfach ausgeführt, addieren sich zu einem stetig wachsenden Strombedarf. Schon heute gehen geschätzte vier Prozent der globalen CO2-Emissionen auf die Digitalisierung zurück – Tendenz steigend.
Gleichzeitig bedarf der Datenverkehr einer Infrastruktur aus Servern, Übertragungstechnologien und jede Menge Smartphones, Laptops und anderen Geräten. Damit hat die Digitalisierung nicht nur einen hohen Strombedarf, sondern sorgt auch für einen stetig wachsenden Ressourcenverbrauch für die Produktion der smarten Tools und Gadgets – die am Ende ihres Lebens wiederum große Mengen Elektroschrott hinterlassen.
Auch wenn uns der Energiebedarf unseres Datenverkehrs größtenteils verborgen bleibt – da er in Rechenzentren stattfindet und auf keiner Stromrechnung steht – so wird er doch an einer Stelle sichtbar, nämlich in der Häufigkeit, mit der unser Smartphone an der Steckdose hängt.
Warum wir jede Nacht das Smartphone laden müssen
Die meisten von uns haben mit Sicherheit schon bemerkt, dass sich unser Nutzerverhalten unmittelbar darauf auswirkt, wie lange der Akku unseres Smartphones durchhält. Wer viel spielt, streamt oder „videophoniert“, kann dem Akku förmlich beim Entladen zuschauen, denn vor allem bewegte Bilder sind energieintensive Datenmonster.
Soweit, so offensichtlich. Schon etwas verborgener ist der Energieverbrauch von mobilen Daten, GPS Ortung, Near Field Communication (Nahfeldkommunikation), WLAN und anderen Diensten, die bei den meisten von uns permanent eingeschaltet sind – egal, ob wir die Dienste gerade brauchen oder nicht.
Die Lösungen hierfür liegen auf der Hand: Wer weniger Bewegtbild über das Smartphone laufen lässt, verbraucht auch unmittelbar weniger Energie. Zudem lassen sich die meisten drahtlosen Schnittstellen leicht deaktivieren, wenn sie nicht gebraucht werden.
Wofür allerdings die meiste Energie aufgewendet wird, ist vielen nicht bekannt: „Der Löwenanteil des Energieverbrauchs geht auf den permanente Datenaustausch unserer Gadgets mit dem Netz zurück, um auf verschiedene Dienste zuzugreifen“, sagt Martin Kögler, der am Technischem Forschungszentrum in Finland arbeitet und zusammen mit Mario Birkholz, mit dem er ein Labor für Bioelektronik an der TU Berlin betreibt, und Katharina Paulick (Minautics GmbH) zu nachhaltiger Handynutzung forscht. „Zusätzlich befinden sich eine große Anzahl von Apps auf dem Handy, die auf diese Dienste zugreifen und persönlichen Daten bzw. Telemetriedaten übermitteln.“ Die Apps tun das in regelmäßigen Abständen im Hintergrund, ohne dass wir das mitbekommen -und bewusst zugestimmt haben wir diesem versteckten Datentransfer meistens auch nicht.
Viele dieser Apps sind sogenannte Betriebssystem-Apps, die bereits auf den Geräten vorinstalliert sind und denen wir schon beim ersten Einrichten die Genehmigung gegeben haben. Um unsere Telefone nutzen zu können, müssen wir Google, Apple und Co. unsere Zustimmung geben, damit diese auf unter anderem GPS, Kontakte und mobile Daten zuzugreifen können. Gleichzeitig werden die einzelne Nutzer*innen identifizierbar, sobald E-Mail, Telefonnummer sowie IMEI (International Mobile Equipment Identity, das ist die Identifikationsnummer des einzelnen Handys) eingegeben werden. „Mittlerweile gibt es einige wissenschaftliche Veröffentlichungen, die nachweisen, in welchem Zeitintervall Telemetriedaten an Google bzw. Apple gesendet werden. Erschreckenderweise sind es im Durchschnitt alle viereinhalb Minuten“, so Kögler.
Doch das sind noch nicht alle Gründe, warum der Akku am Ende des Tages meist leer ist. Hinzu kommt, dass eine ganze Industrie von Datensammlern in viele gängige Apps sogenannte Tracker eingebaut hat. „Die VBB-App hat zum Beispiel zwei Tracker, Spotify sechs und die Tagesschau vier. Diese Tracker haben zum Teil Zugriff auf die Kamera, das Mikrofon, Kontakte, Position und Kalender. Selbst wenn die App geschlossen und der Flugmodus eingeschaltet ist, sammeln die Apps im Hintergrund Daten. Sobald der Flugmodus wieder ausgeschaltet wird, werden die Daten an Backend-Server der jeweiligen Tracking-Firmen geschickt“, so Kögler. Alphabet, Apple, Facebook, Twitter und Microsoft sind dabei Teil der größten Trackingunternehmen und haben ein großes Interesse, auch die Daten aller anderen Apps auf unseren Geräten abzugreifen. Dazu tauschen die Unternehmen persönliche Nutzerdaten mit Hilfe von Cookie-Synchronisation (CSync) untereinander aus.
Welche Tracker laufen auf meinem Telefon?
Unter Exodus Privacy kannst du sehen, welche Apps welche Tracker einsetzen und auf welche Komponenten deines Smartphones sie zugreifen. Weitere gute Hinweise findest du auch auf der Seite von Datenanfragen.
„Den daraus entstandenen Energieverbrauch nachzuvollziehen ist bei den gängigen Handybetriebssystemen kaum möglich, da Apps, die dies genauer messen könnten, unauffindbar oder nicht existent sind“, berichtet Martin Kögler. „In einer älteren Studie von 2015 wurde 20 Studenten der gleiche Handytyp zusammen mit einer Software übergeben, die neben dem Trackingverhalten auch den Energiebedarf über insgesamt 623 Tage ermittelt hat. Dabei wurde festgestellt, dass insbesondere Social-Media-Apps am meisten Energie verbrauchen, interessanterweise sogar dann, wenn der Benutzer die Apps gar nicht mehr aktiv benutzt.“
Was kann ich gegen das Tracking tun?
Sind die Tracker erst einmal installiert, ist es gar nicht so leicht, sie wieder los zu werden. Daher sollte man im besten Fall Tracker von Anfang daran hindern, persönlichen Daten zu übermitteln.
Eine frei verfügbare Android App, die die Privatsphäre wiederherstellt, ist die App „TrackerControl“. Allerdings wird die App nicht in den großen App-Stores angeboten, sondern nur bei den alternativen Open-Source Stores F-Droid oder Aurora-Store.
Der beste Schutz ist jedoch, ein alternatives Handybetriebssystem zu nutzen, das sich nach den eigenen Wünschen gestalten lässt und mit dem App-Tracker ausschließbar sind. Auch wenn sie in der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannt sind, gibt es für Android-Geräte alternative Betriebssysteme, die sich nachträglich installieren lassen. Für Apple-Geräte ist das nicht möglich. Informationen und Installations- bzw. Download-Anleitungen für alternative Betriebssysteme sind im Internet zu finden, wie zum Beispiel für die Linux-basierten Betriebssysteme SailfishOS (eine Weiterentwicklung von ehemaligen Nokia-Mitarbeitern aus Finnland), Ubuntu-Touch, Plasma Mobile, PostmarketOS und auch die zahlreichen Custom-ROMs für Android-basierte Alternativen wie /e/OS oder LineageOS. „SailfishOS, Ubuntu-Touch und auch /e/OS sind voll ausgereifte Smartphone-Betriebssysteme, die schon mehr als zehn Jahre auf dem alternativen Markt bestehen“, so Kögler. „Leider ist die politische, gesellschaftliche und marktbeeinflussende Macht von Google und Apple so stark, dass Alternativen weltweit und in der EU keine Chance gegeben wird, obwohl sich die EU damit von den USA und China unabhängig machen könnte – wenn sie es wollte.“
Smarter Laden
Wetten: In einem Großteil der Haushalte hängt das Smartphone nachts an der Steckdose. Das mobile Endgerät jede Nacht auf 100 Prozent aufzuladen wirkt sich allerdings negativ auf die Langlebigkeit der Akkus aus – und mit der Zeit müssen wir immer früher nachladen. Akkuerhaltend ist dagegen, wenn wir ihn immer nur bis 80 Prozent aufladen und nie unter 20 Prozent entladen, raten Expert*innen.
So verkleinerst du deinen digitalen Fußabdruck
Nach wie vor ist die Internetnutzung im privaten Bereich weltweit für die meisten Datenströme verantwortlich. Doch jede*r einzelne von uns kann etwas dafür tun, den eigenen digitalen Fußabdruck zu verkleinern. Hier findest du Tipps!
In die Hand nehmen müssen wir das smarte Laden allerdings selbst. Es gibt zwar schon intelligente Ladestationen oder Einstellmöglichkeiten im Betriebssystem, allerdings nur bei den alternativen Betriebssystemen. Bei Google und Apple sind diese Einstellungen sehr gut versteckt und funktionieren nur bedingt. „Leider haben in unserem Test die gängigen Betriebssystemhersteller kein großes Interesse, dass der Benutzer sein Handy ‚smart‘ auflädt oder herausfindet, woran es liegt, dass der Akku am Ende des Tages leer ist“, berichtet Martin Kögler. „Alternative Handybetriebssysteme bieten dagegen einen Überladeschutz und halten den Akku bei einem definierten Schwellenwert. Außerdem können Akkuschonung und ein sogenannter ‚Alterungsschutz‘ eingestellt werden, so dass das System während der Benutzung ressourcenschonend agiert.“
Lediglich das aktuelle Google-Android in Version 13 erlaubt einen Überladeschutz, der auch eingehalten wird. Beim aktuellen Apple-Betriebssystem lässt sich zwar eine obere Kapazitätsgrenze einstellen, jedoch haben Martin Kögler und seine Kolleg*innen festgestellt, dass diese nicht eingehalten wird. Der Verbesserungsbedarf seitens der Hersteller ist also groß.
Deine Daten, deine Rechte!
Dass wir so wenig Gestaltungsmöglichkeiten bei den Geräte haben, mit denen wir tagtäglich zu tun haben, zeigt einmal mehr, in welch großer Abhängigkeit von den Internetfirmen wir uns befinden. Doch je weiter die Digitalisierung in alle Lebensbereiche vordringt, desto wichtiger wird es, dass wir wieder mehr Kontrolle über unsere Daten erlangen. Denn auch der smarte Fernseher und die vernetzte Waschmaschine sammeln persönliche Daten, die von Internetfirmen weltweit ausgewertet werden. Bedenklich ist das unter anderem auch, weil sich viele dieser Datensammler in den USA und China befinden, in denen äußerst lax mit dem Datenschutz umgegangen wird.
Wesentlich ist daher, dass alle frei darüber entscheiden können, welche Daten mit wem geteilt werden dürfen und welches Betriebssystem sie nutzen. Google erschwert schon heute den meisten Handyherstellern die freie Wahl eines Betriebssystems dadurch, dass sie dann keinen Zugang zum PlayStore und zu den gängigen Google-Apps haben. „Was viele nicht wissen ist, dass man den nicht wirklich braucht, denn alle gängigen Apps gibt es auch in alternative Stores oder es gibt eine alternative App dafür, sogar ohne Tracker“, so Kögler. „Leider werden diese Rechte und auch die Datenschutz-Grundverordnung massiv untergraben. Weil die zugrundliegenden technischen Dinge sehr komplex sind, können politische Rahmenbedingen nur unzureichend einwirken und die derzeitige Situation wird von den Internetgiganten ausgenutzt.“
Da nicht zu erwarten ist, dass sich die Hersteller selbst in ihrem Geschäft mit Daten und Lizenzen reglementieren, ist ein starker politischer Rahmen gefragt, der Nutzer*innen einen souveränen Umgang mit den eigenen Daten und Geräten gewährleistet.