Essbare Elektronik: Mit verdaulichen Robotern und nahrhaften Drohnen Elektroschrott reduzieren

Schon mal von essbarer Elektronik gehört? Klingt nach einem Widerspruch, könnte aber - neben anderen Vorteilen - eine Lösung gegen Elektroschrott sein.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 10.04.24

Drohnen haben sich als wertvolle Unterstützung erwiesen, um Hilfslieferungen in schwer erreichbare Regionen zu transportieren. Schon heute liefern sie Medikamente, wenn nach Erdbeben oder Überschwemmungen Gebiete nur aus der Luft erreichbar sind. Allerdings ist die Traglast der autonomen Luftfahrzeuge begrenzt. Wie aber wäre es, wenn die Drohne selbst – zumindest teilweise – zur Nährstoffquelle würde? So widersprüchlich das klingen mag: Das Team von ROBOFOOD hat in Zusammenarbeit mit der Universität Wageningen in den Niederlanden bereits eine Drohne mit Flügeln aus Reiskuchen gebaut, die mit Speiseöl und Schokolade zusammengeklebt sind. Mit diesem Design ist die Drohne zu 50 Prozent essbar.

Der schweizerisch-italienische Robotiker und Ingenieur Professor Dario Floreano leitet das von der EU geförderte Projekt ROBOFOOD, dessen Ziel es ist, essbare Elektronik und verdauliche Roboter zu entwickeln. Neben der Drohne haben Floreano und sein Team noch weitere „Leckerbissen“ gebaut.

Essbare Elektronik im Körper

In Zusammenarbeit mit der britischen Universität Bristol hat das Team Sensoren entwickelt, die im menschlichen Körper verdaut werden können. Außerdem hat das Projekt an einer essbaren Version der Komponente gearbeitet, die einen Roboter funktionsfähig macht. Der sogenannte Aktuator hilft autonomen Maschinen, physische Bewegungen auszuführen, indem er Energie in mechanische Kraft umwandelt. Das essbare Elektronikteil von ROBOFOOD ist damit ein großer Schritt auf dem Weg zu voll funktionsfähigen und gleichzeitig essbaren Robotern, die Missionen in unseren Körpern übernehmen können.

Auch an anderer Stelle wird zu „elektronischen Lebensmitteln“ geforscht. Im März 2023 stellte das Team des Projekts ELFO die allererste wiederaufladbare essbare Batterie vor. Hergestellt wurde sie aus gängigen Lebensmittelzutaten und Nahrungsergänzungsmitteln und mit Bienenwachs umhüllt. Aktuell ist ihre Betriebsdauer mit etwa 10 Minuten noch bescheiden. Aber die Entwicklung nährt die Hoffnung, dass künftige Versionen medizinische Geräte mit Strom versorgen könnten.

Als weitere potenzielle Kandidaten für essbare Isolatoren, Leiter und Halbleiter haben die ELFO-Wissenschaftler*innen Blattgold, Honig, Farbstoffe und Pigmente identifiziert. Beta-Carotin, der Farbstoff, der Karotten, Kürbis, Süßkartoffeln und Mangos ihre gelbe Farbe verleiht, könnte zum Beispiel ein guter natürlicher Halbleiter sein. Wichtig dabei ist natürlich die richtige Verarbeitung.

Eine Lösung gegen Elektroschrott?

Die Verschmelzung von Lebensmittel- und Roboterwissenschaften könnte aber nicht nur die Medizin voranbringen oder wichtige Dienste in der Nothilfe leisten: Sollte die essbare Drohne aus Versehen in der Umwelt zurückbleiben, ist sie immerhin teilweise biologisch abbaubar. Damit hinterlässt sie weniger Abfall als ihre Verwandten aus Kunststoff. Elektronik aus Materialien, die leicht abgebaut oder sogar verdaut werden können, tragen dazu bei, die weltweit wachsenden Mengen an Elektronikschrott zu schrumpfen. Denn was unser Verdauungstrakt bewältigen kann, ist auch in der Natur biologisch abbaubar.

Das machen sich Forschende im Umweltmonitoring zunutze. Empa-Forscher*innen haben eine biologisch abbaubare Drohne mit Sensoren entwickelt, die wichtige Umweltdaten an schwer zugänglichen Orten erfassen kann. Der gurken-förmige Gleiter besteht aus Kartoffelstärke, die Sensorik ist durch eine Schicht aus nanofibrillierter Zellulose geschützt.

Platinen aus Pilzen

Auch ein Team der Johannes Kepler Universität in Österreich hat sich eine Lösung bei der Natur abgeschaut. In einer kürzlich in Science Advances veröffentlichten Studie haben sie ein neues Material aus einem Waldpilz entwickelt, das als Ersatz für Plastikplatinen in bestimmten elektronischen Geräten verwendet werden könnte.

Von essbaren Drohnen zu einer digitalen Ökologie

Bevor die erste 100 Prozent essbare Drohne bei uns eintrifft, gilt es einige Hürden zu überwinden. Bei den Flugkörpern, aber auch anderer essbarer Elektronik besteht die größte Herausforderung darin, verdauliche und gleichzeitig robuste Materialien zu finden. Die Drohnen müssen Wind, Regen und hohen Temperaturen standhalten können. Und die Elektronik in unseren Körpern sollte nicht verdaut werden, bevor sie ihre jeweilige Mission erfüllt haben.

Die Erkenntnisse aus den Projekten werden auf jeden Fall zur Weiterentwicklung essbarer Elektronik beitragen. Und von dem Konzept einer „digitalen Ökologie“ kann letztlich nicht nur die Medizin profitieren, sondern eben auch die Natur.

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