Digitale Sprachbarrieren abbauen: Simba will das Internet für alle verständlicher machen

Symbolbild für KI-Sprachmodell Simba.
HIIG

Forschende des HIIG haben eine frei verfügbare KI-Anwendung entwickelt, die Sprachbarrieren reduziert, indem sie Online-Texte vereinfacht.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 11.09.24

Sie heißt Simba und hat eine klare Mission: Das Internet für alle verständlicher machen. Die Webanwendung, die deutschsprachige Texte vereinfacht, bietet zwei KI-gestützte Lösungen: eine Internet-App zur Vereinfachung eigener Texte und eine Browser-Erweiterung, die automatisch Texte auf Webseiten zusammenfasst. Damit sollen digitale Sprachbarrieren abgebaut werden.

Teilhabe statt digitale Sprachbarriere

Texte auf Webseiten und in Online-Artikeln stellen nicht nur für Personen mit Lernschwierigkeiten oder Deutschlernende eine Hürde dar. „Unsere Recherchen zeigen, dass besonders Webseiten öffentlicher Verwaltungen sowie im Bildungs- und Wissenschaftssektor durch ihre komplizierte Sprache einen wesentlichen Teil der Bevölkerung von wichtigen Informationen ausschließen“, erklärt Freya Hewett, Forscherin am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG). Die Computerlinguistin hat Simba entwickelt. Auch geübten Muttersprachler:innen kann es also schwerfallen, die Inhalte hinter komplexen Sätzen und Fachbegriffen zu erschließen. Doch die Teilhabe an der Gesellschaft hängt davon ab, Informationen und Dienste im Internet nutzen zu können. „Vereinfachte Sprache kann dazu beitragen, diese Lücken zu schließen“, so Hewett.

Die kostenlose Lösung Simba spricht gezielt Endnutzer:innen an, damit diese selbst Texte im Alltag vereinfachen können. Die KI-gestützten Anwendungen ersetzen lange Wörter durch kürzere Begriffe, die eine ähnliche oder gleiche Bedeutung haben. Sie verkürzen Sätze und fügen zusätzliche Informationen hinzu, um Zusammenhänge klarer zu machen. Mit diesem Prinzip hilft die Anwendung natürlich nicht nur dabei, Texte besser zu verstehen. Gleichzeitig kann sie auch Medienschaffende dabei unterstützen, leichter verständliche Texte zu formulieren.

Die Eingabemaske des KI-Sprachmodells Simba.
HIIG
Die Eingabemaske des KI-Sprachmodells Simba.

Es gibt bereits vergleichbare Lösungen in Deutschland, die Sprache automatisiert vereinfachen. Allerdings sind die meisten von ihnen kostenpflichtig und werden vorwiegend von Institutionen und Unternehmen genutzt. Simba dagegen will das Angebot für möglichst viele Menschen ohne Bezahlschranke zugänglich machen. „Unser Ziel ist es, dass Simba ein alltägliches Werkzeug wird, das allen Menschen hilft, die Textvereinfachung in ihrem Alltag nutzen möchten“, sagt daher Dr. Theresa Züger, Leiterin der Forschungsgruppe „Public Interest AI“, in der die KI-Anwendung entstanden ist.

Die Technologie hinter Simba

Die beiden Anwendungen von Simba basieren auf einem sogenannten „Textgenerierungsmodell“, auch bekannt als Large Language Models oder Foundation Models. Prominente Vertreter dieser Anwendungen sind GPT-4, Mistral 7B oder Llama.

Nachdem sie mit großen Mengen an Textdaten trainiert wurden, berechnen die Modelle, welches Wort in einer Sequenz am wahrscheinlichsten als nächstes kommt. Simba beruht auf dem Foundation-Modell Llama-3-8B-Instruct, das durch deutschsprachige Zeitungsartikel verfeinert wurde.

KI-Anwendung für das Gemeinwohl

Der Schwerpunkt der Forschungsgruppe „Public Interest AI“ ist Antworten auf die Frage zu suchen, welche Prinzipien Künstliche Intelligenz erfüllen muss, um der gesamten Gesellschaft zu nutzen. In diesem Rahmen entwickelt das Team auch eigene KI-Prototypen, mit denen sie diese Prinzipien in der Praxis testen – wie eben auch Simba.

Eines der Prinzipien ist, dass die KI-Anwendung ohne kommerzielle Interessen betrieben wird. Außerdem sind der Quellcode und die zugrunde liegenden Modelle frei zugänglich. Das ermöglicht eine transparente Zusammenarbeit, bei der eine Community aus Forscher:innen, Inklusionsfachleuten und Nutzer:innen Simba kontinuierlich weiterentwickeln und verbessern kann. „Die Zielgruppen, die wir ansprechen – wie etwa Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Personen, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen – sind sehr heterogen. Unser Ziel ist es, das Sprachmodell durch kontinuierliches Feedback zu verbessern und so Vereinfachungen zu schaffen, die wirklich vielen Menschen nützen“, betont Freya Hewett.

Simba sucht Partner

Freya Hewett weist darauf hin, dass natürlich auch bei Simba – wie bei allen Textgenerierungsmodellen – die Möglichkeit besteht, dass automatisch generierte Zusammenfassungen fehlerhafte Informationen enthalten. „Dennoch sind wir überzeugt, dass Simba eine wertvolle Unterstützung bietet.“ Um sicherzustellen, dass die Fakten korrekt sind, empfiehlt Hewett, den Eingabe- und Ausgabetext der KI-Anwendung sorgfältig zu vergleichen.

Die Beta-Version von Simba wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und steht bis auf Weiteres kostenlos zur Verfügung. Doch die laufenden Kosten für den Betrieb einer solchen KI-Anwendung sind erheblich. Um die kontinuierliche Verfügbarkeit und Weiterentwicklung von Simba sicherzustellen, sucht das HIIG nach weiteren Kooperationspartnern. Denn Simba soll frei verfügbar bleiben, um eine inklusivere und gerechtere digitale Zukunft durch die Überwindung digitaler Sprachbarrieren zu fördern.

Modeindustrie: Mischtextilien könnten dank neuer Forschung bald recycelbar sein

Die Modeindustrie produziert unendlich viel Textilabfall, der nicht immer recycelt werden kann. Forschende haben jetzt eine neue Methode für das Recycling von Mischtextilien entwickelt.

©
Mission Klimaneutralität: So kommen wir ans Ziel

Wie wird Deutschland bis 2040 klimaneutral? Und welche Rolle spielen dabei digitale Lösungen? Unsere Microsite gibt einen Überblick.

Neue Tracking-Technologie soll das Vertrauen in die humanitäre Hilfe auf der letzten Meile wiederherstellen

Gewalt, Korruption und ineffiziente Infrastrukturen können die Bereitstellung humanitärer Hilfe erschweren. Track & Trust soll die letzte Meile zu den Hilfsbedürftigen erleichtern.

Sind wiederverwendbare High-Tech-Wasserflaschen die Lösung, die unsere Ozeane brauchen?

Die wiederverwendbare Hightech-Wasserflasche von Rebo sammelt Plastikmüll vom Strand – Schluck für Schluck. Aber hat der Konsum an wiederverwendbaren Flaschen tatsächliche positive Umwelteffekte?

CLO Screenshot 3D Fashion Sample
Kezia Rice
Ist 3D-Sampling die Antwort auf das Abfallproblem der Mode?

3D-Sampling könnten den Abfall in der Lieferkette der Modebranche reduzieren und so die Emissionen der umweltbelastenden Branche verringern.

Symolbild: Nachhaltige Künstliche Intelligenz
Torge Peters
Wie wird der Energiefresser Künstliche Intelligenz nachhaltiger? Friederike Rohde (IÖW) im Interview

Unsere neue KI-Welt hat einen großen CO2-Fußabdruck. Mit erneuerbare Energien allein ist das Problem nicht gelöst, sagt Friederike Rohde. Gefragt sind weitere Maßnahmen.

The home screen of the Well Beyond App providing an array of valuable water system management tools and training resources - Courtesy photo by Well Aware
©
Mit der App Well Beyond können Menschen in abgelegenen Gebieten Kenias ihre Wasserversorgung selbst in die Hand nehmen

Eine App der NGO Well Aware unterstützt Gemeinden in Ostafrika bei der Wartung ihrer Brunnen – und sichert so die Wasserversorgung.

PFANDGEBEN – Flaschenpfand per App an Bedürftige spenden

Mit der App PFANDGEBEN wird Leergut als Ressource bedürftigen Menschen direkt zugänglich gemacht.