Wie sieht Dein Alltag in Kolumbien aus?
Ich begleite MenschenrechtsverteidigerInnen zu Gerichtsterminen oder bei mehrtägigen Reisen auf dem Land. Ich führe Gespräche mit dem diplomatischen Korps oder mit dem Militär, schreibe Artikel für ‚ColomPBIa‘ und verfasse Abschnitte des monatlichen ‚Focos de Interés‘, beschäftige mich mit Sicherheitsfragen und der Analyse der aktuellen Situation im Land. Darüber hinaus gibt es spezifische Aufgaben in den jeweiligen Teams.
Welche Schwerpunkte hat das pbi-Kolumbienprojekt?
Einen Schwerpunkt bildet die physische Begleitung, das heißt wir gehen wortwörtlich an der Seite von MenschenrechtsverteidigerInnen. In einem weißen T-Shirt mit dem pbi-Logo begleiten wir auf Anfrage diese Menschen zu einem Gerichtstermin, zu einer Fortbildung mit einer Frauengruppe in einem Stadtviertel oder bei einer mehrtägigen Ermittlungskommission auf dem Land.
Hast Du während der Begleitung schon einmal heikle Situationen erlebt?
Schon gleich zu Anfang, noch mitten in der Eingewöhnungszeit im pbi-Team in Barrancabermeja, bekam ich hautnah mit, was eine 24-Stunden-Begleitung bedeutet. Die Vorsitzende der Frauenorganisation Organización Femenina Popular (OFP) wurde in ihrer Wohnung überfallen. Mit einer Waffe am Kopf wurde sie beschimpft und es wurde ihr damit gedroht, dass sie 48 Stunden Zeit hätte, Barrancabermeja zu verlassen, sonst würde ihrer Familie etwas angetan werden. Daraufhin bat sie um eine ständige Begleitung von pbi. Das hieß dann, dass wir über Nacht dort blieben und sie auf Schritt und Tritt begleiteten.
Was macht pbi Colombia noch?
Regelmäßige Besuche im Büro der jeweiligen Menschenrechtsorganisation, die Beobachtung öffentlicher Veranstaltungen wie z. B Gemeindeversammlungen und Kundgebungen und die internationale Präsenz bei Rückführungsprozessen vertriebener Gemeinden sowie bei Runden Tischen und Dialogprozessen gehören ebenfalls zu den Schwerpunkten.
Informieren und kommunizieren spielt also eine große Rolle?
Die regelmäßigen Kontakte mit VertreterInnen der nationalen Autoritäten sowie der internationalen Gemeinschaft wie Botschaften und den Vereinten Nationen und mit Abgeordneten in den Heimatländern der pbi-BegleiterInnen sowie mit weiteren Personen, die sich mit politischem Gewicht für Kolumbien engagieren, sind sehr wichtig. Diese Kontaktstellen informieren wir regelmäßig über unsere Arbeit und über die Situation der von uns begleiteten Organisationen. Neben den regelmäßigen Gesprächen erstellen wir vierteljährlich die Zeitschrift ‚ColomPBIa‘ und berichten monatlich für die Mitglieder unseres weltweiten Alarmnetzwerkes über besorgniserregende Vorfälle.
Während in den hiesigen Medien viel über die Wiederaufbauarbeit etwa der deutschen Bundeswehr in Afghanistan berichtet wird, bleiben die Errungenschaften des zivilen Friedensdienstes meist außen vor. Hat die zivile Friedensarbeit ein Aufmerksamkeitsdefizit?
Die zivile Friedensarbeit könnte sicherlich mehr Aufmerksamkeit vertragen und hat diese verdient! Aber es ist schwer, die ja dann doch eher „sensationslose“ Arbeit in die Medien zu bringen. Da braucht es interessante und innovative Ideen, um Interesse in der Gesellschaft zu wecken, sowohl um über diese Arbeit zu informieren als auch neue ZFD-Fachkräfte zu gewinnen. Zudem habe ich den Eindruck, dass viele Menschen das Konzept der zivilen Friedensarbeit mit Altruismus, Träumerei oder Abenteuer verbinden, es aber noch nicht als mögliche und gewaltfreie Alternative zu militärischer Konfliktlösung begreifen.
Das komplette Interview lesen Sie in pbi-Rundbrief 01/2010:
http://www.pbideutschland.de/country-groups/pbi-germany/publikationen/rundbriefe/