Zukunftsfähig: E-Lkws mit Stromantrieb per Oberleitung

Eine neue Studie untersucht die Machbarkeit von elektrischen Lkws mit Stromversorgung über Freileitungen.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Luisa Ilse, 01.06.23

Früher war der Anblick von zahlreichen Oberleitungen in den Straßen von Großstädten auf der ganzen Welt alltäglich. Sie versorgten den öffentlichen Nahverkehr über viele Jahre hinweg zuverlässig mit Strom. Als jedoch in den 1950er Jahren der private Autoverkehr zunahm, verschwanden in den meisten Städten die Oberleitungen aus dem Stadtbild. Allerdings: Bald könnte diese Form der Stromversorgung von Fahrzeugen auf unseren Autobahnen Einzug halten.

Eine neue Studie des Georgia Tech College of Engineering hat die Machbarkeit und Vorteile des Einsatzes der Freileitungstechnologie zum Antrieb von E-Lkws auf Autobahnen untersucht. Die Studie sieht eine neue Generation von E-Trucks und Sattelschleppern vor, die mit auf dem Dach montierten Armen – sogenannten Pantographen – ausgestattet sind. Auf dem Dach angebrachte Sensoren würden so das Vorhandensein von Freileitungen erkennen und dann automatisch den Stromabnehmer andocken. Sobald der Stromabnehmer die Freileitung berührt, stellt das Fahrzeug die Benutzung des Bordakkus oder des Verbrennungsmotors ein und bezieht die benötigte Energie direkt aus dem Stromnetz.

„Herkömmliche Diesel-Lkws setzen etwa 2,5-mal mehr Treibhausgase frei als oberleitungs- oder hybridbetriebene Fahrzeuge“, so Expert*innen in der Fachzeitschrift Environmental Research: Infrastructure and Sustainability. Forschende der Machbarkeitsstudie kommen außerdem zu dem Schluss: „Die Technologie ist gegenüber Diesel- und batteriebetriebenen Lkws ökologisch und wirtschaftlich von Vorteil, sobald sie zu zehn Prozent eingesetzt wird – obwohl die Installation der Freileitungen zusätzliche Kosten und Emissionen verursacht.“

Die Technologie wird derzeit in mehreren Ländern erforscht und getestet, unter anderem in den USA, Deutschland und Schweden. Siemens, der Pionier dieser Technologie in den 1880er Jahren, ist mit seinem eHighway-System Vorreiter und hat in Hessen zu Testzwecken ein zehn Kilometer langen eHighway eingerichtet. Kleinere Abschnitte gibt es in Schweden und den USA.

Laut Siemens würde die Freileitungstechnologie die Reichweite von E-LKWs erhöhen, indem sie die Nutzung der Bordbatterien deutlich verringert: „Logistische Langstreckenfahrten über 500 Kilometer werden fast ausschließlich auf der Autobahn zurückgelegt. Etwa 89 Prozent aller deutschen Lkws fahren nach Verlassen der Autobahn nur noch rund 50 Kilometer in Ortschaften und Städten weiter.“ Das bedeutet, dass die Bordbatterie nur für die sogenannte “erste und letzte Meile“ sowie für Überholmanöver genutzt werden müsste.

Dies erhöht nicht nur die Reichweite von E-Lkws drastisch – ein herkömmlicher batteriebetriebener Lkw hat nur eine Reichweite von etwa 200 Kilometern – sondern könnte auch die Größe, die Kosten und die Ressourcen der bereits vorhandenen Batterien für E-Fahrzeuge verringern. Der Bundesverband der Deutschen Industrie empfiehlt daher, 4.000 Kilometer Autobahn zu elektrifizieren: „Dies wäre ein wirtschaftlicher Anreiz für 80 Prozent der deutschen Schwerlastwagen, auf die Freileitungstechnologie umzusteigen. Ein einzelner 40-Tonner könnte pro 100.000 Kilometer Fahrleistung bis zu 16.000 Euro einsparen. Zusätzlich könnten über sieben Millionen Tonnen Kohlenstoff eingespart werden, wenn nur 30 Prozent der Lkws auf den Stromantrieb per Oberleitung umsteigen würden.“

Diese zukunftsfähig klingenden Statistiken sind jedoch mit einem wichtigen Vorbehalt versehen. Die Georgia Tech-Studie ergab, dass nur bestimmte Städte, Staaten und Nationen tatsächlich von der Oberleitungstechnologie profitieren würden. In einigen Fällen würden sich die Emissionen im Vergleich zu Dieselfahrzeugen sogar noch erhöhen. Es hängt davon ab, woher der bezogene Strom kommt. Sobald ein Fahrzeug auf Strombetrieb umgestellt wird, werden die Emissionen eher verlagert als beseitigt, wenn nicht ein Großteil des Stroms aus erneuerbaren Energien bereitgestellt wird. Wird das Stromnetz dagegen aus fossilen Energieträgern gespeist, könnten die Kraftwerke am Ende sogar mehr Kohlenstoff und andere Treibhausgase pro E-Lkw produzieren als ein einzelner Diesel-Lkw produziert hätte.

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So eignet sich die Technologie möglicherweise am besten für Länder, die bereits einen großen Teil des Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen, darunter Deutschland, Schweden, Belgien und Brasilien. Länder, die noch stark auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, wie Polen, Estland, Indien, China und Südafrika, sind wahrscheinlich noch nicht für eine flächendeckende Einführung der Freileitungstechnologie bereit.

Doch der Einsatz von Oberleitungen könnte noch weitere Probleme mit sich bringen. Beispielsweise könnte es zu erheblichen Störungen der Handels- und Logistikwege eines Landes durch die Abhängigkeit von festgelegten Oberleitungsnetzen kommen. Außerdem verdeutlichen die Erkenntnisse aus den Statistiken rund um die Freileitungstechnologie für E-Lkws noch einmal mehr, wie wichtig die Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energien als Grundlage für eine gelungene Mobilitätswende ist!

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