In diesen sehr ungewöhnlichen Zeiten geraten viele Themen aus dem Blickfeld. Der jüngste Test der künstlichen „Wolkenaufhellung“ vor der Küste Australiens im April ist ein solches Thema, über den Test wurde kaum berichtet. Und dort, wo über ihn berichtet wurde, scheint seine wahre Bedeutung nicht erfasst worden zu sein. Tatsächlich könnte Test nämlich ein erster Machbarkeitsnachweis für eine bisher nicht getestete Geo-Engineering-Technologie sein – und bringt uns wohl einen Schritt näher dahin, Klima-Engineering als Waffe im Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen und zu akzeptieren. Das Wort „Waffe“ wird hier ganz bewusst verwendet, weil diese Technologie einem zweischneidigen Schwert gleicht: Sie verleiht uns sowohl enorme Macht als auch die Fähigkeit, großen Schaden anzurichten.
Wie der Name schon sagt, geht es beim Klima-Engineering um den bewussten Versuch, das Klima so zu manipulieren, dass es menschlichen Zwecken dient. Der erste größere Einsatz geht auf das Konto des US-Militärs während des Vietnamkriegs; die Streitmacht versuchte damals, Wolken zu „säen“, um die Monsunzeit zu verlängern und so die nordvietnamesischen Truppenbewegungen zu stören. Seitdem hat sich Klima-Engineering – oder Geo-Engineering – zu einem allgemeinen Begriff für eine Reihe von Techniken entwickelt, die in erster Linie dazu dienen, die globale Erwärmung einzudämmen. Technologien, die zum Beispiel der Atmosphäre Kohlenstoff entziehen oder Aerosole einsprühen, sind vielleicht schon bekannt.
Das Marine Cloud Brightening (MCB, deutsch: Aufhellung mariner Wolken) gehört zu den Maßnahmen, die den Strahlungshaushalt beeinflussen (engl.: Solar Radiation Management, SRM) – eine Unterkategorie der Geo-Engineering-Techniken, die mit dem Ziel entwickelt wurden, die Erdatmosphäre dadurch zu kühlen, dass die Absorption von Sonnenlicht verringert wird. Bei MCB werden nanogroße Meersalzkristalle in die Luft gesprüht, wo sie dann durch Windturbulenzen in tief hängende Wolken getragen werden. Die Salzkristalle wirken als Kerne, um die sich Feuchtigkeit ansammeln kann, wodurch sich die Wolken gleichzeitig verdicken und aufhellen, sodass sie mehr Sonnenlicht zurück in den Weltraum reflektieren.
Bisher wurden Geo-Engineering-Methoden allerdings noch nie in großem Maßstab eingesetzt und selbst Tests wurden aufgrund der wahrgenommenen Risiken stark eingeschränkt.
Was ist das Problem daran?
Zu den größten Sorgen gehören die Auswirkungen von MCB auf den Wasserkreislauf. Forschungen mithilfe von Klimamodellen haben gezeigt, dass die „Wolkenaussaat“ in bestimmten Teilen der Welt auch die Niederschläge in anderen Regionen beeinflussen kann. Eine Studie hat zum Beispiel gezeigt, dass MCB in der Nähe von Namibia sogar zu einer Verringerung der Regenfälle über dem Amazonas führen könnte. Die Befürworter*innen der Technologie argumentieren, dass uns dies nicht abschrecken sollte – wir sollten demnach diese Modelle für eine geschickte Planung der Eingriffe nutzen und dabei nicht nur unerwünschte Nebenwirkungen vermeiden, sondern auch positive erzeugen.
Das Problem ist jedoch, dass das Klima unglaublich komplex ist und unser Verständnis der Zusammenhänge bei Weitem nicht vollständig ist. Klimawissenschaftler*innen haben nur begrenztes Vertrauen, dass sich die Ergebnisse von Geo-Engineering wirklich vorhersagen lassen. MCB könnte daher dramatisch schief gehen und unvorhersehbare Dürren oder schwere Monsunzeiten verursachen.
Eine weitere große Sorge ist, dass sich die Technologie nur mit einem Symptom des Problems (die globale Erwärmung) befasst, uns aber möglicherweise davon ablenkt, die eigentlichen Ursachen anzugehen: die steigenden Kohlenstoffemissionen. Dies ist aus einer Reihe von Gründen höchst problematisch. Erstens ist CO2 auch für Umweltauswirkungen verantwortlich, die über die bloße Erwärmung der Atmosphäre hinausgehen – zum Beispiel für die Versauerung der Ozeane, die eine große Bedrohung für die marinen Nahrungsketten darstellt, auf die sich die Menschen letztlich verlassen. Zweitens: Wenn MCB durch die künstliche Verzögerung der globalen Erwärmungsreaktion lediglich einen Deckmantel für Regierungen und Unternehmen bietet, um weiterhin fossile Brennstoffe zu verbrennen, ist das so, als würde man ein Loch in einem überdehnten Ballon verschließen, aber weiterhin Luft hineinblasen. Der Grund dafür ist, dass CO2 lange Zeit in der Luft bleibt. Wenn aus welchem Grund auch immer (und es mag viele Gründe geben – von geopolitischen Instabilitäten bis hin zu unvorhergesehenen Nebenwirkungen, die sich aus der Aufhellung der Wolken ergeben) die Maschinen zur Wolkenimpfung abrupt wieder abgeschaltet werden, würde der Ballon platzen. Die Welt könnte mit einer raschen Freisetzung der aufgestauten Erwärmung konfrontiert werden, die eine in der Erdgeschichte beispiellose Geschwindigkeit des Klimawandels auslösen könnte. Aber selbst wenn die Maschinen auf unbestimmte Zeit eingeschaltet bleiben sollten, nimmt die Wirksamkeit der Technik zur Kompensation der immer größeren Mengen an CO2-induzierter Erwärmung mit der Zeit ab, da die Menge der auszubringenden Salzkristalle, die zur Erzeugung des nächsten Aufhellungsgrades erforderlich ist, logarithmisch zunimmt. Das bedeutet, dass eine weitere Aufhellung irgendwann unerschwinglich werden dürfte.
Dies sind nur einige der Bedenken im Zusammenhang mit MCB. Andere Befürchtungen sind, dass die Technik instrumentalisiert werden könnte und dass sie wahrscheinlich ungleiche Auswirkungen auf der ganzen Welt haben würde, was eine enorme Herausforderung für die Weltordnungspolitik darstellt. Ähnliche Risiken sind übrigens auch mit anderen Geo-Engineering-Techniken verbunden.
Es ist daher nicht überraschend, dass Geo-Engineering bis vor kurzem noch als zu gefährlich für einen tatsächlichen Einsatz galt. Doch mit den immer spürbareren Folgen des Klimawandels ändert sich auch die Debatte um „akzeptable“ Risiken. Die Welt rast mit alarmierender Geschwindigkeit auf den Abgrund eines rasanten Klimawandels zu, und viele Wissenschaftler*innen sind sich darin einig, dass uns nur noch sehr wenige Jahre bleiben, um die Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren und so den Schaden zu begrenzen. Infolgedessen haben SRM und andere Strategien an Attraktivität gewonnen und finden bei Wissenschaftler*innen und politischen Entscheidungsträger*innen zunehmend Anklang. Der IPCC, das UNEP und die Nationale Akademie der Wissenschaften der USA haben damit begonnen, ernsthaft über die Erforschung und den möglichen Einsatz von Geo-Engineering nachzudenken.
Kürzlich durchgeführter Test vor der australischen Küste
Der jüngste Versuch vor der Küste Australiens ist das erste Mal, dass die MCB-Technologie in der realen Welt getestet wurde – und ein verzweifelten Versuch, das Great Barrier Reef zu retten. Das berühmte Riff erlebte in diesem Jahr sein fünftes und bisher größtes Bleichereignis: Korallen werden geisterhaft weiß, wenn sie sterben, daher ist „Bleichen“ gleichbedeutend mit Korallensterben. Getestet wurde das MCB nur in kleinem Maßstab und von begrenztem Umfang, doch ein erster groß angelegter Test zur Abkühlung des umgebenden Ozeans durch Aufhellung der Wolken über der gesamten Fläche des Riffs wird voraussichtlich innerhalb der nächsten vier Jahre stattfinden. Die australische Regierung unterstützt das Programm mit 150 Millionen Dollar.
Bis vor kurzem konzentrierten sich die SRM-Strategien auf die Bewältigung der Klimaherausforderungen auf globaler Ebene, aber die Neuheit dieses Ansatzes besteht darin, dass er sich auf ein ganz bestimmtes Gebiet mit einem konkreten Ziel und nur für einen begrenzten Zeitraum (während der Sommermonate, in denen marine Hitzewellen auftreten) konzentriert. Daniel Harrison, der Projektleiter, glaubt, dass damit die globalem Gefahren des Geo-Engineerings vermieden werden können:
„Ich glaube nicht, dass [Downstream-Effekte] über große Entfernungen hinweg sehr wahrscheinlich sind. Wenn die [Bedingungen] ungünstig genug wären… dann würden wir das ziemlich schnell bemerken. Die atmosphärische Lebensdauer der Salzkristalle beträgt nur ein oder zwei Tage, so dass man sie sehr schnell stoppen könnte und sehen, ob sich die Bedingungen wieder normalisieren.“
Kritiker befürchten jedoch, dass erfolgreiche Tests im kleinen Maßstab die Geo-Engineering-Forschung legitimieren und den Weg für eine Umsetzung in viel größerem Maßstab ebnen. David Harrison hingegen ist nicht allzu besorgt:
„Vom Standpunkt der technischen Machbarkeit aus gesehen wird es eine ziemliche Herausforderung sein, SRM überhaupt in einem für das Great Barrier Reef ausreichenden Maßstab zum Laufen zu bringen. Daher bin ich überhaupt nicht davon überzeugt, dass es wirklich machbar ist, die Wolkenaufhellung in einem solchen Maßstab durchzuführen, dass tatsächlich eine globale Wirkung erzielt werden kann.“
Was meint Harrison zu der Sorge, dass die Technologie den Regierungen eine Entschuldigung dafür liefern könnte, die Kohlenstoffemissionen nicht zu reduzieren? „Ich denke, diesen Punkt haben wir überschritten“, sagt er. „Unsere Modellierung zeigt deutlich, dass SMR wenig Sinn macht, wenn sie nicht gleichzeitig von massiven Emissionsreduktionen begleitet wird. Selbst wenn wir Pariser Ziele erreichen, würde MCB das Riff nur ein paar Jahrzehnte lang schützen,“ erklärt er. „Unsere wirkliche Sorge ist, dass auch eine massive Emissionsreduktionen zu spät kommt. Das Riff wird es ohne zusätzliche Unterstützung nicht auf die andere Seite schaffen.“ Business-as-usual ist also keine Option.
Regionale Anwendungen
Erweisen sich die Experimente über dem Great Barrier Reef als erfolgreich, könnten wir MCB vorsichtig auch für andere zielgerichtete, regionale Anwendungen einsetzen, wie zum Beispiel den Schutz des Polareises oder des sibirischen Permafrosts. Dieser Ansatz hat sowohl gegenüber dem Einsatz globaler Geo-Engineering-Szenarien als auch gegenüber dem kompletten Verzicht darauf Vorteile, weil die Risiken unerwünschter Nebenwirkungen als auch die mit ungleichen internationalen Auswirkungen verbundenen Probleme deutlich geringer sind und weil MCB das Einsetzen von Klima-Kipp-Punkten verzögern könnte. Im Falle des Permafrosts könnte die Wolkenaufhellung nicht nur ein Symptom des Klimawandels behandeln, sondern sogar die Freisetzung von Millionen Tonnen Methan – einem äußerst wirksamen Treibhausgas – verhindern.
Was im öffentlichen Diskurs nicht oft erwähnt wird, ist, dass die verzögerten Klimaauswirkungen von Kohlenstoff dazu führen könnten, dass wir es sogar dann, wenn wir sofort alle Emissionen drastisch reduzieren, noch jahrzehntelang oder sogar jahrhundertelang mit einer globalen Erwärmung zu tun hätten. Das bedeutet auch, dass wir unsere Pariser Klimaziele ohne Kohlenstoffbindung oder eine andere Form des Klima-Engineerings möglicherweise nicht erreichen können, insbesondere wenn die Emissionen weiter ansteigen.
MCB ist mit Sicherheit also keine Wunderwaffe – wie mit Sicherheit auch keine andere Geo-Engineering-Technologie. Aber sie könnte uns etwa 20 Jahre mehr Zeit verschaffen, um den Einsatz erneuerbarer Energien und anderer Minderungsstrategien zu erhöhen als auch Technologien zur Kohlenstoffbindung zu entwickeln. Wenn wir Glück haben und diese zusätzliche Zeit vernünftig nutzen, könnten wir vielleicht verhindern, dass uns der Klimawandel mit voller Wucht erwischt.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.