Menschenrechte

Die Idee der Menschenrechte – also die Tatsache, dass eine Person qua ihres Menschseins mit gewissen Rechten ausgestattet ist – ist historisch gesehen nicht neu, aber auch kein uraltes Prinzip. Vor nicht allzulanger Zeit wurden sie "erklärt". Mit der Erklärung verbunden war die Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit in der Welt. Wo kommen sie her und was sie bedeuten sie genau?

Autor*in RESET , 20.12.09

Am 10. Dezember 1948 wurde – noch unter dem Eindruck der Kriegsschrecken in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) durch die Generalversammlung der noch jungen Vereinten Nationen in Paris angenommen. Erstmals bekannte sich damit die internationale Gemeinschaft zu einem „zu erreichende[n] gemeinsame[n] Ideal“ aller Völker und Nationen.

1948: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Bereits zuvor hatte die internationale Gemeinschaft mit den damals 51 Gründungsmitgliedern der Vereinten Nation deren Charta angenommen. Im zweiten Absatz der Präambel bejahen die Mitglieder ihren „Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an Würde und Wert der menschlichen Person, an die gleichen Rechte von Männern und Frauen“. Außerdem ist die Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot in Artikel 1 Nr. 3 der UN Charta festgeschrieben. Mit dem 26. Juni 1945 unterwarfen sich die Staaten einer nunmehr supranationalen Organisation, die als „Anwalt des Individuums gegenüber den Staaten“ auftritt. (1)

Die AEMR sollte nicht nur weltweit Mindeststandards für die Lebensumstände von Menschen und deren Behandlung durch Staaten setzen, sondern auch zur Friedenssicherung nach vielen Jahren der Welt im Krieg beitragen.

Menschenrechte haben Geschichte

Die Idee der Menschenrechte – also die Tatsache, dass eine Person qua ihres Menschseins mit gewissen Rechten ausgestattet ist – ist historisch gesehen nicht neu, aber auch kein uraltes Prinzip. Zwar galt in verschiedenen Kriegsregularien seit Beginn der schriftlichen Überlieferung ein gewisses Gebot der Menschlichkeit – dies ist aber nicht gleichzusetzen mit der der Aufklärung abgerungenen Erkenntnis der Menschenrechte, der unhintergehbaren Würde des Einzelnen und dessen Schutzwürdigkeit vor unzumutbaren, unmenschlichen Übergriffen durch autoritäre Herrscher.

Mit der Erklärung der Menschenrechte wurde – wenn zu diesem Zeitpunkt auch erst symbolisch – den Zeiten der Sklaverei & Leibeigenschaft, des Sozialdarwinismus, der Rassenlehre, feudalen Ständeordnungen und Unterdrückung eine humanistische Deklaration der Würde entgegengesetzt, die allen und jedem Menschen zu Teil werden.

Als sich in Nordamerika und Europa im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen die ersten modernen Nationalstaaten bildeten, waren diese mit dem sog. Gewaltmonopol ausgestattet – d.h. freie Staaten waren souverän, unabhängig und unterstanden keiner höheren überstaatlichen Gewalt.

Erstmals proklamiert wurden diese besonderen, unveräußerlichen Rechte durch Thomas Jefferson in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1776:

We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness. […](2)

Direkt im Anschluss wird die Garantie dieser Rechte (das Recht auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück) an eine Staatsgewalt gebunden. Somit sind die Menschenrechte auch immer schon ein Rahmen, der das Verhalten des Staates gegenüber seinen BürgerInnen bestimmt. 1789 proklamierte die Französische Nationalversammlung zu Beginn der Französischen Revolution ähnliche Rechte. Diese Menschen- und Bürgerrechte der ersten Generation sollten die BürgerInnen vor Eingriffen durch Machthaber schützen und sind Abwehr- und liberale Freiheitsrechte.

Während die Anerkennung der Menschen- und Bürgerrechte in der Zeit der Nationenbildung zu verschiedenen bürgerlichen und liberal-demokratischen Verfassungen beitrug, war die AEMR die erste generelle Anerkennung dieser Rechte durch die internationale Staatengemeinschaft.

Im Verlauf der Geschichte wurde die AEMR durch zwei weitere internationale Übereinkommen, die die Verpflichtung der Staaten konkretisiert und in teilweise verbindlichen Völkerrechtsverträge gefasst: Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (auch Zivilpakt genannt) [PDF]  und der Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte [PDF], welcher bereits die Menschenrechte der zweiten Generation enthält, wurden 1966 geschlossen und traten zehn Jahre später in Kraft. Der Zivilpakt macht die Freiheitsrechte der AEMR rechtsverbindlich, während der Sozialpakt über die Menschenrechte der zweiten Generation die Staaten verpflichtet, diese Rechte im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu gewähren. Dieser nicht bedingungslose Zuspruch einklagbarer Rechte, sondern die Eröffnung von Rechten im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten der Staaten, hat einerseits eine Rechtehierarchie zur Folge, andererseits ist diese Einschränkung an den Realitäten orientiert, die grundlegende Rechte (Basic Rights) wie die Rechte auf Leben, Gesundheit und Freiheit auf eine andere Stufe stellen als die vergleichsweisen „Luxusrechte“ – wie sie von Kritikern häufig bezeichnet werden – auf Arbeit, Erholung und Freizeit. Seit einiger Zeit gibt es außerdem eine Debatte um Menschenrechte der sog. dritten Generation, die Kollektivrechte wie bspw. das Recht auf Entwicklung, Frieden, die eigene Sprache, eine intakte Umwelt und den Anteil an Kulturgütern und Naturschätzen umfassen. Dies ist eine besonders spannende Diskussion, da sie sich in besonderer Weise um Themen bemüht, die in großen Teilen der Welt den Zugang zu den Menschenrechten der ersten und zweiten Generation verhindern oder erschweren.

Es gibt also Menschenrechte, die die Voraussetzung dazu bilden, dass andere Menschenrechte realisiert werden können: Wenn ich mein Recht auf Nahrung – und damit mein Recht auf Leben – nicht wahrnehmen kann, dann werde ich mein Recht auf Bildung auch nicht verfolgen können. Diese Rechtehierarchie ist nicht im Sinne eines „ein Recht ist wichtiger als das andere“ zu sehen. Vielmehr gilt es Voraussetzungen zu schaffen, welche die Basic Rights  ebenso realisieren wie die nachfolgenden Rechte, die ein würdevolles Menschenleben ermöglichen.

Beide Pakte, die auch als Zwillingspakte bezeichnet werden, bilden die sog. International Bill of Human Rights, die mittlerweile zum Völkergewohnheitsrecht gezählt wird. Das heißt, dass sich nunmehr alle Staaten an die kodifizierten Rechte halten müssen, unabhängig davon, ob sie Unterzeichnerstaat dieser völkerrechtlichen Verträge sind.

Auf der internationalen Ebene der Vereinten Nationen existieren noch gut 50 weitere Menschenrechtsverträge, die die Grundsatzerklärungen und Pakte spezifizieren und ergänzen: So gibt es, neben der Amerikanischen und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker (Banjul Charta), eine Arabische Charta der Menschenrechte [PDF] und eine Asiatische Charta der Menschenrechte. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu sehen, dass Menschenrechte kulturspezifisch zwar unterschiedlich interpretiert werden können – der Kerngedanke dieser Institution allerdings ist, dass es Eingriffe in die Privatsphäre und die Menschenwürde gibt, die jeder Mensch unabhängig von seiner religiösen oder kulturellen Zugehörigkeit als inhuman empfindet. Einen Kommentar dazu hat Tanja Dückers in der ZEIT verfasst: Menschenrechte sind keine Ansichtssache.

Menschenrechte haben einen besonderen Charakter

Der besondere Charakter der Menschenrechte ergibt sich aus wenigen Eigenschaften und Annahmen, die diese Rechte für jeden Menschen auf der Welt gelten lassen: Die Menschenrechte sind universell und unteilbar in ihrer Gültigkeit, sowie unveräußerlich.

Die Universalität der Menschenrechte heißt, dass diese Rechte für jeden Menschen gelten. Unteilbarkeit meint, dass die Rechte alle gleichermaßen wichtig und anzustreben sind. Es gibt weder „unwichtige“ noch „weniger bedeutsame“ Menschenrechte. Die Menschenrechte sind unveräußerlich: Das bedeutet, dass ein Mensch seine eigenen Rechte nicht abtreten oder zur Einschränkung freigeben kann. Man kann seine Menschenrechte nicht verkaufen.

Menschenrechtsschutz

Mittlerweile bemühen sich Organisationen weltweit um den Menschenrechtsschutz. Aufklärungsarbeit, die Dokumentation von Menschenrechtsvergehen und -verbrechen, ebenso wie die Bildungsarbeit im Bereich der Menschenrechte gehören zum weiten Instrumentarium des Menschenrechtsschutzes.

Für Europa gibt es den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR Homepage), der von Bürgerinnen und Bürgern, sowie Staaten, NGOs und anderen juristischen Personen angerufen werden kann, wenn ein europäischer Staat gegen die Menschenrechtskonvention verstößt.

Immer wieder stehen militärische Versuche die Menschenrechte zu schützen, in der Kritik: Die sog. „Responsibility to Protect“, also die Verpflichtung der Staatengemeinschaft gegenüber Bürgerinnen und Bürgern von Staaten, die sie schlecht behandeln, ist umstritten. Das Souveränitätsgebot des Nationalstaates – dass also ein Staat oder Machthaber innerhalb eines Staatsterritoriums das staatliche Gewaltmonopol genießt, welches nicht von Außen (durch andere Staaten) in Frage gestellt werden darf, ist immer noch ein Grundgebot der Internationalen Beziehungen und des Völkerrechts.

Gegen die staatliche Souveränität vorzugehen ist nur im Selbstverteidigungsfall und zum Schutz des internationalen Friedens legitim. In diesem Bereich wird seit vielen Jahren, insbesondere aber seit dem ersten militärischen Engagement der deutschen Bundeswehr auf dem Balkan 1998 und seit den Ereignissen des 11. Septembers, diskutiert, weil sog. „humanitäre Interventionen“ immer wieder zur militärischen Aktionen in anderen Ländern führen.

WissensWerte erklärt die Menschenrechte

Aus der WissensWerte Reihe zur politischen Bildung von /e-politik.de/ e.V. gibt es eine anschauliche Reihe von kurzen Videos (6-8 Minuten Länge) zum Thema Menschenrechte:

Los geht es mit einem Einführungsvideo zum Menschenrechtssystem. Ein weiteres Video beschäftigt sich mit der ersten Dimension der Menschenrechte, den bürgerlichen und politischen Rechten. Die zweite Dimension der Menschenrechte beinhaltet die wirtschaftlichen, sozialen und kulturelle Rechte, wie z.B. das Recht auf Nahrung, Arbeit und eine angemessene Unterbringung. Im letzten Teil der Reihe geht es um die dritte Dimension der Menschenrechte, sogenannte Kollektivrechte.

Quellen und Links

Bildquelle: Human rights, Saeed Behdad, Iran | Gallery

Anna-Maria Müller I RESET-Redaktion

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