Wie viel Geld fließt tatsächlich in Klimamaßnahmen? Ein neues Modell gibt Antworten

ETH-Forschende haben ein neues Modell vorgestellt, das mithilfe von maschinellem Lernen Ungenauigkeiten in der globalen Klimafinanzierung aufdeckt.

Autor*in Lana O'Sullivan:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 15.01.24

Auf der COP-Konferenz 2009 in Kopenhagen (COP15) haben sich die Industrieländer verpflichtet, ab 2020 gemeinsam 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für Klimaschutzinitiativen in Entwicklungsländern aufzubringen. Auf der COP16 und der COP21 wurde diese Zusage erneut bekräftigt und erweitert. Erreicht wurde das Ziel dennoch nicht. Nach Messungen der OECD hat die Klimafinanzierung der Industrieländer im Jahr 2020 mit lediglich 83,3 Milliarden USD einen Höchststand erreicht. Damit blieb die Klimafinanzierung in diesem – wie allen anderen Jahren davor und danach – weit hinter dem ursprünglichen Ziel zurück. Dazu kommt: Selbst diese Zahl ist umstritten.

Warum ist eine genaue Analyse der Klimafinanzierung wichtig?

Eine genaue Analyse der Klimafinanzierung ist aus mehreren Gründen wichtig:

  • Rechenschaftspflicht und Transparenz: Eine genaue Analyse gewährleistet, dass die für die Klimafinanzierung bereitgestellten Mittel wie vorgesehen verwendet werden. Sie macht die beteiligten Parteien für ihre Verpflichtungen rechenschaftspflichtig und trägt dazu bei, die Transparenz bei finanziellen Transaktionen im Zusammenhang mit Klimaschutzinitiativen zu wahren.
  • Effektivität der Klimapolitik: Eine genaue Analyse ermöglicht es den politischen Entscheidungsträger*innen, die Wirksamkeit der Klimafinanzierung im Hinblick auf das Erreichen der beabsichtigten Ziele zu bewerten. Sie hilft zu erkennen, welche Projekte und Strategien erfolgreich sind und welche möglicherweise angepasst oder umverteilt werden müssen.
  • Ressourcenzuweisung: Die Kenntnis der genauen Zahlen ermöglicht eine bessere Zuweisung von Ressourcen. Entscheidungsträger*innen können auf der Grundlage ihrer Auswirkungen und Erfolgsquoten Prioritäten für Projekte setzen und die Mittel in Initiativen lenken, die die größten positiven Ergebnisse bei der Eindämmung des Klimawandels oder der Anpassung an seine Auswirkungen erzielen.

Mit maschinellem Lernen vorwärts kommen

Anna Stünzi ist eine von drei Forschenden der ETH Zürich und der Universität St. Gallen, die ein Machine-Learning-Modell entwickelt haben, um die globalen Klimafinanzströme zu identifizieren und zu klassifizieren. Sie sagt, dass Empfängerländer, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler*innen wiederholt kritisiert haben, dass die Zahlen zu den Klimafinanzierungen zu hoch sind. Tatsächlich schätzt Oxfam, dass die Zahl „um bis zu 225 Prozent zu hoch angesetzt“ wurde. Die Organisation weist darauf hin, dass Instrumente wie Darlehen häufig zum Nennwert dazugezählt werden, ohne Rückzahlungen oder andere Faktoren zu berücksichtigen. Auch wurde festgestellt, dass die gemeldeten Projekte oft einen geringeren Klimaschwerpunkt haben als angegeben.

Stünzi argumentiert, dass die Überschätzungen fortbestehen, weil es keine unabhängigen Kontrollen der selbst gemeldeten Zahlen der Länder gibt. Um eine effektivere Berichterstattung vor Ort zu ermöglichen, wandten sie und ihre Kollegen sich daher der künstlichen Intelligenz zu und entwickelten ein Modell des maschinellen Lernens (ML), dass die globalen Klimafinanzströme einheitlich identifizieren und klassifizieren soll.

Bessere Lösungen für die Analyse von Klimafinanzströmen

Das Modell des Teams, das sie „ClimateFinanceBERT“ nennen, bewertet Projekte der Entwicklungszusammenarbeit auf der Grundlage ihrer textlichen Projektbeschreibungen. Das Modell „bewertet erstens, ob die Projekte für den Klimawandel relevant sind, und wenn ja, für welchen Bereich“. So kann das Modell nicht nur beurteilen, ob der Klimaschwerpunkt tatsächlich so relevant ist wie angegeben, sondern auch einordnen, für welche Art von Vorhaben die finanziellen Beiträge verwendet wurden (zum Beispiel Solarenergie, Waldschutz, Klimafolgenanpassung usw.). Damit soll das ML-basierte Modell im Vergleich zur manuellen Überprüfung nicht nur kosteneffizienter sein, sondern zudem eine konsistentere Methode zur Analyse von Klimafinanzierungsdaten über lange Zeiträume darstellen, so Stünzi.

Das vom Team entwickelte ML-Modell hat bisher 2,7 Millionen Entwicklungshilfeprojekte analysiert, die aus der OECD-Datenbank stammten. Davon wurden 80.000 als relevant für die Klimafinanzierung identifiziert. In diese Projekte sind insgesamt 80 Milliarden USD geflossen. Dies untermauert die Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit der gemeldeten Zahlen zur Klimafinanzierung.

Durch die offene Weitergabe der Daten und des Modells hat das Team die Anwendbarkeit über die meldenden und beitragenden Einrichtungen hinaus erweitert. Empfängerländer, Zivilgesellschaft und Wissenschaft können ClimateFinanceBERT nun nutzen, um die Daten unabhängig zu überprüfen. Damit will das Team zu mehr Transparenz und einem besseren Verständnis der echten Zahlen der Klimafinanzierung verhelfen. „Wir hoffen, dass dies dazu beiträgt Vertrauen zwischen den Verhandlungsparteien zu schaffen und wichtige Informationen zu liefern“, sagt Anna Stünzi.

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