Wie tierische Experten der Ozeane bei der antarktischen Klimaforschung helfen

Seeelefanten unterstützen Forschende dabei, neue Erkenntnisse über die Bedingungen im antarktischen Ozean zu gewinnen.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Lara Sophie Sander, 30.03.22

Wenn es um die Ozeane der Welt geht, scheint keiner wichtiger für die Gesundheit unseres Planeten als der Antarktische Ozean. Auch bekannt als Südpolarmeer, ist er ein riesiges Kohlenstoffbecken und einige Studien deuten darauf hin, dass fast die Hälfte der gesamten Kohlenstoffabsorption in seinen berühmt-berüchtigten eisigen Gewässern stattfindet. Als wichtiger „Dämpfer“ für den Klimawandel reagiert er aber auch sehr empfindlich auf Umweltveränderungen.

Für Forschende ist es nicht einfach, in der unnachgiebigen Umgebung der Antarktis genauere Informationen zu erhalten. Obwohl überall auf dem Kontinent und in den südlichen Ausläufern anderer Landmassen Forschungseinrichtungen angesiedelt sind, stehen langfristige ozeanische Studien vor einer ganzen Reihe logistischer, finanzieller und sicherheitstechnischer Herausforderungen.

Glücklicherweise gibt es eine große Anzahl „Freiwilliger“ vor Ort, die kein Problem damit haben, in das eiskalte Wasser zu tauchen: Seeelefanten. Institutionen wie das Global Ocean Observing System (GOOS) und das Sydney Institute for Marine Science experimentieren schon seit Jahren mit dem Einsatz dieser Meeresexperten in ihrer wissenschaftlichen Forschung. Und da sich die Gewässer auf der ganzen Welt erwärmen und sich die Bedingungen unter den Oberflächen verändern, ist ihre Arbeit nun wichtiger denn je.

Natürlich sind Seeelefanten nicht immer die kooperativsten Tiere, und das Bewerbungsverfahren für die Zusammenarbeit mit den Menschen ist etwas unorthodox. Die Forschenden wählen bestimmte Seeelefanten aus und betäuben sie dann. Angesichts der Tatsache, dass Seeelefanten über 3.000 Kilogramm wiegen können, ist dies für ihre eigene Sicherheit als auch für die ihrer neuen menschlichen Kolleg*innen unerlässlich. Nach der Betäubung wird ein kleiner elektronischer Sensor an den Haaren auf dem Kopf der Tiere angebracht. Die Boxen werden im Januar und Februar nach der Häutungssaison befestigt, um sicherzustellen, dass sie so lange wie möglich angebracht bleiben. Immerhin kostet jeder Sensor rund 7000 Euro.

Die Prozedur dauert etwa 30 Minuten, und GOOS ist zuversichtlich, dass sie für die Tiere weder schmerzhaft noch belastend ist. Sobald der Seeelefant wieder aufwacht, geht er seinen täglichen Aktivitäten nach, ohne etwas von seiner neuen Kopfbedeckung zu bemerken.

Sobald die Sensoren befestigt sind, können sie ständig aktuelle Informationen über die Bedingungen im antarktischen Ozean liefern, einschließlich Temperatur, Salz- und Sauerstoffgehalt. Da die Seeelefanten bis zu 80 Tauchgänge pro Tag durchführen – manchmal in bis zu 2000 Meter Tiefe – erhalten die Forschenden ohne teure Tauchboote oder Forschungsschiffe einen noch nie dagewesenen Zugang in den Ozean. Sobald die Tiere auftauchen, werden die Daten in nahezu Echtzeit an Satelliten in der Erdumlaufbahn übertragen, von wo aus sie dann an die Computer der Forschenden in einer vermutlich wärmeren und komfortableren Umgebung gesendet werden. Diese Daten können dann dazu verwendet werden, Lücken bei den Erhebungen durch andere Forschungsgeräte zu schließen.

Das Fachwissen von GOOS fließt nun in die Entwicklung der Plattform Animal Borne Ocean Sensors (AniBOS) mit ein. Die Plattform soll in Zukunft eine zentrale Anlaufstelle für alle Informationen sein, die von den Fernsensoren erfasst werden, die an den Tieren angebracht sind. Es sind jedoch nicht nur Seeelefanten, die in das Projekt einbezogen wurden. Auch andere Robbenarten sowie Schildkröten, Haie und Seevögel haben ihren Anteil daran. Jedes Tier bringt unterschiedliche Fähigkeiten in die Forschung mit ein. So können beispielsweise Seevögel als schwimmende Plattformen wirken und Informationen über die Wasseroberfläche liefern, während Schildkröten, die große Entfernungen zurücklegen, zur Erfassung der Bedingungen in tropischeren Gewässern eingesetzt werden können.

Auch bei den Robben gibt es Unterschiede. Einige, wie die Weddellrobbe, sind extreme Tieftaucher, die sich aber nur selten von ihren Eisschollen entfernen, so dass sie sich besser für Tiefenstudien in einem bestimmten Gebiet eignen. Krabbenfresserrobben hingegen sind flache Taucher, bewegen sich aber viel auf dem antarktischen Kontinentalboden, was sie für breitere Untersuchungen besonders geeignet macht. Insgesamt waren die Forschenden jedoch mit den Seeelefanten am erfolgreichsten: Etwa 40 Tiere wurden für ihre Studien markiert.

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Sydney Institute for Marine Science und vieler Mitarbeitenden geht näher auf die Erfolge der Seeelefanten ein. Ihre Arbeit hat Einblicke in ein breites Spektrum von Erkenntnissen ermöglicht, darunter die Bildung von Meereis und des antarktischen Bodenwassers, die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Schelfeis, die Dynamik von Frontalsystemen und die Eigenschaften des antarktischen Massenwassers.

Aber wie werden die Robben für ihren Beitrag entlohnt? Nun, auch sie profitieren von ihrer Arbeit, denn die Sensoren zeichnen zusätzlich Informationen über ihr weniger bekanntes Unterwasserleben auf, zum Beispiel wie, wo und wann sie nach Nahrung suchen. Diese Informationen tragen dann hoffentlich zu Schutzmaßnahmen bei, die den Seeelefanten selbst zugutekommen.

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