Ob Schoko-Aufstrich, Benzin oder Zucker – in vielen unserer Produkte, die wir tagtäglich konsumieren, stecken Rohstoffe aus der ganzen Welt. Und bevor wir sie als fertige Produkte kaufen, haben deren Rohstoffe schon einen langen Weg hinter sich.
Dabei sind die internationalen Produktionsketten oft komplex und unübersichtlich; die einzelnen Stationen auf der langen Reise unserer Produkte und die Spuren, die diese hinterlässt, sind als Konsument*in schwer nachvollziehbar. Auch für Unternehmen, Wirtschaftsakteur*innen oder politische Entscheidungsgremien, die sich für eine möglichst nachhaltige und umweltschonende Wirtschaft einsetzen, ist es meist schwierig, einen Überblick über den gesamten ökologischen Fußabdruck eines Rohstoffes oder Produktes zu bekommen. Der Zusammenhang zwischen unserem Konsum und den Umweltfolgen in anderen Ländern ist daher vielen nicht bewusst.
Die Forschungsgruppe „Globale Ressourcennutzung“ der Wirtschaftsuniversität Wien will diese Wissenslücke schließen, indem die globalen Materialströme anhand von anschaulichen Graphen und Diagrammen sichtbar gemacht werden. „Das MF-GLOBE-Modell soll letztlich erkennbar machen, wie der Konsum einzelner Produkte etwa in Europa mit Umweltfolgen des An- oder Abbaus der Rohstoffe in den Herkunftsländern zusammenhängt“, so Projektleiter Stefan Giljum.
Grundlage des Modells sind aktuelle Daten verschiedener UN-Behörden. Die Produktionsketten werden von ihrem Ursprung über den Transport und die Weiterverarbeitung bis hin zum Konsum verfolgt. Hierfür passt die Forschungsgruppe die jeweiligen Einheiten an, um einen besseren Überblick über die Zusammenhänge zu geben. Somit werden sowohl die Anbauweise oder Rohstoffgewinnung und deren Einfluss auf die Umwelt als auch die Tonnage, also der Platz, den Waren auf einem Containerschiff einnehmen oder der Energieverbrauch beim Transport einer Ware, berücksichtigt.
Unterstützung für nachhaltige Strategien
Nicht nur für die Forschung, sondern insbesondere für Unternehmen und ganze Wirtschaftsbranchen sind belastbare Daten zu Kohlendioxid-Emissionen, Wasserverbrauch, sowie den benötigten Anbauflächen bzw. Abbauflächen einzelner Rohstoffe von großer Bedeutung. Denn nur damit können Umweltverschmutzung und der Ausstoß von Treibhausgasen verringert werden. Erst wenn der Einfluss einzelner Materialien klar ist, können sie bewerten, ob geplante Strategien wirklich nachhaltig und realisierbar sind. Das gleiche gilt auch für Konsument*innen, die bewusst einkaufen wollen: Informationen zur Herkunft und dem Fußabdruck einzelner Rohstoffe sind wichtig, um Vertrauen zu Unternehmen aufzubauen und sich am Supermarktregal schneller entscheiden zu können.
Nicht zuletzt für die EU, die an Strategien hin zu mehr erneuerbaren Energien arbeitet, sind Modelle wie die des MF-Globe-Projektes unumgänglich. So zeigt die Forschungsgruppe beispielsweise, dass die Flächen zum Anbau von Nahrungsmitteln für die EU zu 85 Prozent in der EU selbst liegen, die Anbauflächen für die Rohstoffe zur Biotreibstoff-Herstellung allerdings zu zwei Drittel außerhalb der EU.
Verantwortung übernehmen
Da die Kohlendioxidemissionen im Rahmen internationaler Klimaabkommen nicht den Verbraucher-, sondern den Produktionsländern angerechnet werden, machen es sich erstere zu leicht, wenn sie sich bezüglich der Auswirkungen auf die Flächennutzung, den Ressourcenverbrauch, die Umwelt und nicht zuletzt auch auf die Gesellschaft des Produktionslandes aus der Verantwortung stehlen. Längst leben wir in einer Welt, in der unser Konsum nicht nur bei uns, sondern auch an vielen weiteren Stellen der Welt Einfluss auf die Umwelt und damit auf das globale Klima nimmt.
Um Entscheidungstragende wie die EU oder einzelne Unternehmen und Wirtschaftssektoren auf ihrem Weg hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft unterstützen zu können, entwirft die Wiener Forschungsgruppe Flussdiagramme, die den Weg und die Verwertung einzelner Rohstoffe aufzeigen oder Weltkarten, in denen beispielsweise die weltweiten Anbaugebiete von Zuckerrohr markiert sind.
„Für Biomasse und Treibstoffe bauen wir mit möglichst präzisen Datenquellen ein Modell über die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette auf. Es bietet letztlich Entscheidungshilfen, um Verschwendung, Flächenverbrauch oder klimaschädliche Emissionen zu verringern“, erläutert Giljum. Die Forschungsgruppe erfasst den Ressourcenverbrauch von 190 Ländern. Dabei setzt sie einen besonderen Fokus auf einzelne Produktgruppen von Textilien über Nahrungsmittel bis zu Energieträgern. Das vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderte MF-Globe-Projekt läuft noch bis 2022.