In einer neuen Studie hat das Öko-Institut die Chancen und Risiken digitaler Plattformen für die Ernährungs- und Mobilitätswende untersucht. Dafür haben die Autor*innen acht Plattformen zum Bestellen von Lebensmitteln und für die individuelle Mobilität analysiert und genauer die Faktoren unter die Lupe genommen, die die wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit beeinflussen. Dabei konnten sie feststellen, dass die Plattformen durchaus Lösungen für Nachhaltigkeitsherausforderungen bieten, zum Beispiel, indem sie kleinen Erzeuger*innen von Nahrungsmitteln alternative Absatzwege und Planungssicherheit bieten und ländliche Regionen durch flexible und bedarfsgerechte Mobilitätsdienste für viele Menschen attraktiver werden.
„Digitale Plattformen können einen signifikanten Beitrag zu nachhaltigen Lebensstilen leisten – allerdings nur dann, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen und wenn die Plattformen ihr Geschäftsmodell gezielt auf Nachhaltigkeit ausrichten,“ fasst Cara-Sophie Scherf, Leiterin des Projekts am Öko-Institut, die Ergebnisse zusammen.
Besonders nachhaltig – sowohl sozial als auch ökologisch – sind dabei solche Plattformen, die regional eingebettet sind. „Bei den von uns untersuchten Fallstudien konnten wir feststellen, dass die regionalen Plattformen zum einen direkte Vorteile bringen wie kürzere Anliefer- und Auslieferwege, wenn nur Produkte aus der Region und für die Region angeboten werden oder die Ausrichtung an lokalen Mobilitätsbedarfen unter Einbindung der Kommune und/oder des lokalen ÖPNV“, sagt Scherf. Das heißt aber nicht, dass nicht auch überregionale Plattform nachhaltig sein können. „Eine Plattform kann regional ausgerichtet und gleichzeitig überregional oder gar international tätig sein, wie zum Beispiel Marktschwärmer über ein dezentrales Geschäftsmodell. Das war für uns sicherlich eines der spannendsten Ergebnisse, weil es zeigt, dass solche Plattformen skalierbar und auf andere Regionen übertragbar sind.“
Ernährung: Plattformen ermöglichen einem größeren Kundenkreis regionale Produkte
Im Rahmen der Studie wurden die vier Plattformen Marktschwärmer, Markta, Ökodorf Brodowin und Querfeld, über die Lebensmittel bestellt werden können, analysiert. Auf allen Plattformen können Klein- und Kleinstbetriebe ihre regionalen Produkte an einen größeren Kundenkreis vertreiben und selbst die Preise bestimmen. Auf der Nachhaltigkeitsskala punkten konnten vor allem Plattformen, die nur Biolebensmittel im Programm haben und so nicht nur weniger Pestizide auf den Feldern verteilen, sondern auch eine kleinteiligere Landwirtschaft betreiben. Zusätzlich wird über diese Plattformen auch „krummes“ Obst und Gemüse verkauft – ein Betrag gegen die Lebensmittelverschwendung.
„Das Forschungsvorhaben konnte zeigen, dass Ernährungsplattformen das Potenzial bieten, nachhaltig und zugleich wirtschaftlich tragfähig zu sein. Sie können damit einen Beitrag zur Ernährungswende leisten“, so Scherf. „Allerdings wird dieses Potential durch die bestehenden landwirtschaftlichen Strukturen begrenzt. Die Politik muss dafür sorgen, dass sich die Rahmenbedingungen für die biologische Landwirtschaft und kleine Betriebe verbessern.“
Mobilität: Digitale Schnittstellen erleichtern Umstieg auf klimaschonende Fortbewegung
Die analysieren Mobilitätsplattformen waren die App-basierten Mitfahrdienste (Ridepooling) CleverShuttle und freYfahrt und Reach now (ehem. moovel) und regiomove als Shared Mobility-Anbietende, über die verschiedene Verkehrsmittel verknüpft werden können.
Die Studie konnte zeigen, dass insbesondere Angebote, die Schnittstellen zwischen ländlichen Räumen und dem ÖPNV herstellen, den Umstieg auf klimaschonende Mobilitätsangebote erleichtern und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Der Einsatz von Elektrofahrzeugen verbessert zudem die Ökobilanz.
Dr. Nele Kampffmeyer, Senior Researcher am Öko-Institut und Co-Autorin der Studie, betont, dass Bund, Länder und Kommunen einiges dafür tun könnten, nachhaltige Mobilitätsplattformen zu fördern, zum Beispiel die Angebote eng mit dem ÖPNV verknüpfen und Plattformen mit einem nachhaltigen Ansatz finanziell unterstützen. „Auch könnten Kommunen die Anbietenden beispielsweise mit Parkplätzen in der Nähe von zentralen ÖPNV-Haltstellen unterstützen“, so Kampffmeyer.
Politische Rahmenbedingungen entscheidend für die Nachhaltigkeit digitaler Plattformen
Wesentlich für die Nachhaltigkeit einer Plattform ist jedoch, dass ökologische und soziale Aspekte Teil ihrer Mission sind. „Viele der aktuell existierenden Plattformen sind schlichtweg rein profitorientiert und bedienen daher keinen oder nur wenige der von uns identifizierten Nachhaltigkeitshebel gezielt,“ sagt Scherf. Das wiederum hänge stark mit den politischen Rahmenbedingungen zusammen; damit sich nachhaltige Produkte und Dienstleistungen durchsetzen, müssten soziale und Umweltkosten internalisiert werden.
„Um im Beispiel Ernährung zu bleiben: Um nachhaltig zu sein bzw. zu werden, müssen sich unsere Ernährungssysteme grundlegend transformieren und die entsprechenden politischen Weichen hierfür gestellt werden. Nur dann werden nachhaltige Produkte wirklich wettbewerbsfähig sein“, unterstreicht Scherf.
Eine der Empfehlungen der Studie ist auch, dass die Forschung Nachhaltigkeitskriterien für digitale Plattformen entwickeln müsse, an denen sich Verbraucher*innen, Plattformbetreibende und Politik orientieren können. Deren Einhaltung könnte beispielsweise im Rahmen entsprechender Zertifizierungen überprüft werden. „Die Zertifizierungen werden dann idealerweise staatlich gestützt, denn nur so kann ein ausreichender Ambitionsgrad und Transparenz nach außen gewährleisten werden“, so Cara-Sophie Scherf.
Eine gut gemachte Zusammenfassung der Studie findet sich auf der interaktiven Webseite reggem digital.