Wie eine über 140 Jahre alte Blechwarenfabrik zum Umweltpionier wird

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© Blechwarenfabrik Limburg

Die traditionsreiche Blechwarenfabrik Limburg hat sich in den letzten Jahren enorm gewandelt und seine Strukturen und Prozesse grundlegend umgestaltet – hin zu mehr Energie- und Ressourceneffizienz. Wir haben mit der Geschäftsführerin Annika Trappmann über Innovation, Digitalisierung und Recycling gesprochen.

Autor*in Lydia Skrabania, 09.11.20

Die Geschwister Annika und Hugo Sebastian Trappmann, Geschäftsführer der Blechwarenfabrik Limburg, haben im Oktober 2020 den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) erhalten. Das Unternehmen zähle deutschlandweit zu den führenden nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen und setze Maßstäbe bei der Energie- und Ressourceneffizienz, so die Begründung für die Auszeichnung der DBU.

Wir wollten wissen, was dahinter steckt und haben mit Annika Trappmann darüber gesprochen, welche Innovationen das Unternehmen umgesetzt hat, welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt und welche Rolle Unternehmer*innen auf dem Weg zu einer echten Kreislaufwirtschaft spielen könnten.

 Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) Die Geschwister Annika und Hugo Sebastian Trappmann bei der Preisverleihung des Umweltpreises 2020 der DBU.

Annika, du und dein Bruder Hugo Sebastian Trappmann wurdet gerade mit dem Deutschen Umweltpreis der DBU ausgezeichnet – für Pionierarbeit im Umweltschutz. Die Blechwarenfabrik Limburg, deren Geschäftsführer ihr seid, ist über 140 Jahre alt. Wo liegt das Innovative?

Das Innovative ist, dass wir komplett alles, was die Blechwarenfabrik bisher gemacht hat und wie sie es gemacht hat, hinterfragt haben. Wir haben unsere Materialflüsse, unsere Informationsflüsse und Energieflüsse komplett neu gedacht und damit auch sämtliche Prozesse. Und so ist ein Gesamtkonzept für den Neubau unseres Firmengebäudes entstanden: Das komplette Gebäude ist eigentlich eine große Maschine.

Welche Maßnahmen habt ihr dort ergriffen, um euer Unternehmen effizienter in Hinsicht auf Energie und Ressourcen zu gestalten? Kannst du hier einige Beispiele nennen?

Wir haben sehr viele umfassende Maßnahmen ergriffen. Zum Beispiel erzeugen wir mit einer 750-Kilowatt-Peak großen Photovoltaik-Anlage auf dem Produktionshallendach eigenen Strom – und zu 97 Prozent verbrauchen wir den produzierten Strom auch selbst. In unserem Neubau haben wir außerdem bewusst auf eine konventionelle Heizungsanlage verzichtet, sondern heizen und kühlen ausschließlich über Prozesswärme. Unser komplettes Gebäude ist außerdem mit LED und einer DALI-Steuerung, also einer intelligenten Lichtsteuerung, ausgestattet. Wir haben in unserem gesamten Gebäude keinen Lichtschalter mehr.

© Blechwarenfabrik Limburg Auf dem Dach des Neubaus der Blechwarenfabrik Limburg wird Solarstrom für den Eigenbedarf produziert.

Ein wichtiger Punkt für uns als produzierendes Unternehmen ist die Optimierung unseres Energieverbrauches. Bereits im Altbau haben wir mit sehr viel Aufwand unseren Energieverbrauch gemonitort, allerdings händisch. In unserem Neubau haben wir jede Linie und jeden Gebäudebereich mit einem Energiezähler ausgestattet. Diese Daten werden über ein Business-Intelligence-System aufbereitet und für Führungskräfte und Techniker individuell für deren Bedürfnisse dargestellt. Das Tool dient der betrieblichen Entscheidungsunterstützung – durch die Überwachung lässt sich beispielsweise rechtzeitig erkennen, wann die Anlage gewartet werden sollte. Dadurch kann Ausschuss minimiert und Stillstand vermieden werden.

Digitalisierung spielt offenbar eine große Rolle im Gesamtkonzept eures Unternehmens.

Ja, ohne die Digitalisierung wären die allermeisten unserer neuen Prozesse gar nicht möglich. Früher war es häufig so, dass Daten und Informationen hauptsächlich den Führungskräften zur Verfügung standen und somit Entscheidungen für die breite Maße unserer Belegschaft nicht nachvollziehbar waren. Wir verfolgen seit einigen Jahren den Ansatz, so viele Informationen wie möglich aufzubereiten und allen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Digitalisierung gibt uns somit Transparenz, auch zur Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen – daraus entstehen wieder Einsparungen von Material und Ressourcen – und das noch viel mehr in der Zukunft. Wir sind noch am Anfang unseres Prozesses.

Du hast jetzt vor allem technische Innovationen beschrieben. Inwiefern seid ihr innovativ im Bereich der Organisation bzw. der Führung der Mitarbeitenden?

Ein wichtiger Punkt in unserem Neubau-Projekt ist das neue Verständnis der Führung. Seit einigen Jahren sind wir dabei, unser bisheriges Bereichsdenken fast komplett aufzulösen. Wir streben das Arbeiten in Prozessen an und passen dementsprechend auch unsere Organisationsstruktur an. Insgesamt gehen wir einen Schritt zurück von der Tayloristischen Arbeitsorganisation: von einer hierarchischen Aufbauorganisation hin zu einer Prozess- bzw. Ablauforganisation. Das heißt, unsere Mitarbeiter sollen wieder mehr den Blick auf das ganze Unternehmen gewinnen und nicht mehr nur in ihren Bereichen denken. Dies fördert die Sinnhaftigkeit der Tätigkeiten, da unsere Mitarbeiter wieder mehr an dem Endprodukt beteiligt sind. Wir erhoffen uns außerdem, auf diese Weise unsere Flexibilität zu erhalten.

Was war ursprünglich die Motivation dafür, dass ihr das neue Gesamtkonzept etabliert habt? Wann und wie kam es zur Umsetzung?

Im Jahr 2014 entstand zum ersten Mal die konkrete Idee eines Neubaus während einer Gesellschafterversammlung. Danach haben wir zwei Jahre lang sämtliche Prozesse und bestehenden Strukturen hinterfragt und analysiert und so eine Vision entwickelt: von einer Fabrik ohne Gabelstapler, einer vollautomatischen Lagerung, einem kontinuierlichen Materialfluss und Dosen, die nicht mehr vom Menschen angefasst werden müssen. Im Juni 2016 wurde der erste Spatenstich gesetzt und im November 2018 konnten wir den Bau schließlich fertig stellen. Wir sind hier neue, ambitionierte Wege gegangen, mit einem ganzheitlichen Ansatz, den wir konsequent und mit hohem persönlichem Einsatz umgesetzt haben – aber natürlich ist der Wandel noch nicht abgeschlossen und wird es wahrscheinlich auch nie sein. Wir leben letztendlich den kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der nie abgeschlossen sein wird. Dies gehört für uns zu einem nachhaltigen Wirtschaften dazu!

Einerseits sind wir von unseren Maßnahmen zur Energie- und Ressourceneffizienz absolut überzeugt und aus Gründen der ökologischen Nachhaltigkeit motiviert. Andererseits möchte ich hier auch betonen, dass sich unsere Maßnahmen nicht nur in idealistischer Hinsicht, sondern auch monetär lohnen.

© Blechwarenfabrik Limburg Der Neubau der Blechwarenfabrik Limburg setzt auf Abwärmenutzung und verzichtet auf eine konventionelle Heizung.

Offenbar bemüht ihr euch bereits sehr, Abfälle in der Produktion zu vermeiden bzw. zu verringern. Welche Rolle spielt Recycling bei euch? Nutzt ihr ausschließlich Recycling- bzw. Altmetall?

Interessante Frage – die aber auch verdeutlicht, wie wenig bekannt der Vorteil des Materials Metall zum Beispiel gegenüber Kunststoffen ist. Denn hat eine Verpackung aus Weißblech ihr Gebrauchsende einmal erreicht, bedeutet dies in der Regel nicht das Ende des Materials. Weißblech ist zu 100 Prozent recycelbar. Dieser Recyclingprozess kann unendlich oft stattfinden, ohne dass ein Qualitätsverlust des Materials stattfindet. Verpackungsstahl ist ja ein Element – das heißt, das Material ändert nur seine Gestalt und seinen Zweck.

Heute sind von dem gesamten Stahl, der jemals hergestellt wurde, noch 80 Prozent im Kreislauf. Die Recyclingquote liegt bei Metall seit Jahren konstant über 90 Prozent und im Gegensatz zu anderen Materialien wird Metall bereits im Kreislauf geführt – und das seit Jahrzehnten ohne politische Eingriffe. Und wenn in einem Kreislauf aus einem alten Produkt ein neues hergestellt wird, wird dadurch der Einsatz von Ressourcen sowie der Energieaufwand verringert und CO2-Ausstoß gespart. Produktionsschrott wird bei uns also immer zu 100 Prozent wiederverwertet. Wir haben zum Beispiel einen Abnehmer, der aus unserem Produktionsschrott Motorblöcke herstellt.

Es gibt derzeit (noch) nicht viele Unternehmen, die derart umfassende Maßnahmen hinsichtlich Energie- und Ressourceneffizienz umsetzen. Was wäre nötig für eine echte Kreislaufwirtschaft? Woran, glaubst du, hakt es hier bisher?

Letztlich muss jeder Unternehmer verstehen, dass Maßnahmen für Energie- und Ressourceneffizienz bares Geld sparen. Um die Energiewende zu schaffen, werden gerade die Strompreise in den nächsten Jahren ansteigen. Der Ausbau von erneuerbaren Energien kostet zunächst viel Geld. Wer sich hier natürlich selbst versorgen kann, ist im Vorteil. Auch Ressourceneffizienz ist eine langfristige Denke. Die meisten Ressourcen stehen uns nicht unendlich zur Verfügung, es wird in manchen Bereichen zu einer Verknappung kommen und auch hier muss man sich frühzeitig darauf einstellen. Hier heißt es zunächst Verschwendungen vermeiden, dann Effizienz steigern und schlussendlich Materialien in Kreisläufen führen. Metall hat hier von Natur aus einen Vorteil, aber ich denke auch in den anderen Bereichen wird die Menschheit Lösungen finden – es muss „nur“ angegangen werden. Vielleicht lassen wir uns in Deutschland zu sehr von den „großen Playern“ beeinflussen und abhängig machen…

Danke für das Interview!

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