Ihr Credo und Ansatz ist radikal: Sie wollen einen Systemwechsel. Weg von internationaler Expertise hin zu „local first“. Die im Dezember 2015 in der Schweiz und den USA gegründete Non-Profit-Organisation WeRobotics baut Wissenszentren, sogenannte Flying Labs, im globalen Süden auf. Sonja Betschart, Co-Founderin von WeRobotics und Tech-for-Good-Enterpreneurin aus der Schweiz, erklärt die Grundlage der Flying Labs: „WeRobotics will den ‚Digital Divide‘ – den digitalen Graben – überbrücken und Industrie, NGOs und Regierungen im globalen Süden mit lokalen Experten zusammenbringen.“
Ermöglicht werden soll das, indem Menschen vor Ort mithilfe von Drohnen Daten sammeln, analysieren und für ihre eigenen lokalen Zwecke anwenden. „Betroffene sind die Experten für ihre eigenen Probleme. Niemand weiß besser Bescheid als Menschen vor Ort“, so Sonja Betschart gegenüber RESET. „Technologie und Zugang zu Wissen allerdings sind ungleich verteilt. Genau da setzen wir an. Zusammen mit lokalen Experten haben wir in dreieinhalb Jahren insgesamt 26 Wissenszentren in Lateinamerika, Afrika, Asien und dem Südpazifik aufgebaut und Tausende von Menschen vor Ort mit Hilfe von Drohnen und Knowhow in die Lage versetzt, ihre Probleme selbst zu lösen.“
Lokale Expert*innen in den Flying Labs erheben mit Drohnentechnologie Daten und erstellen daraus Entscheidungsgrundlagen in Form von Karten und 3D-Modellen. Beispiele für den Einsatz der Geodaten gibt es viele: Die Daten beschleunigen die Notfallhilfe nach Naturkatastrophen oder helfen, landwirtschaftliche Produktionsmethoden an den Klimawandel anzupassen. Sie kommen aber auch in der Stadtplanung zum Einsatz, beispielsweise in Slums, in denen es üblicherweise keine Bebauungspläne gibt. Drohnen transportieren aber auch Medikamente und Probenmaterial von Patient*innen in abgelegenen Regionen. Es gibt hunderte von Einsatzszenarien. „Und die Menschen von Tansania bis Peru nehmen die neuen Technologien begeistert und sehr effizient an. Sie schützen Lebensgrundlagen und beleben die lokale Ökonomie“, sagt Sonja Betschart.
COVID-19: Mehr Eigenverantwortung für den globalen Süden
Das alles war gestern. Heute gilt Corona. Die globale COVID-19-Pandemie hat internationale Prozesse kurzerhand ausgehebelt. Internationale Hilfsorganisationen stellten ihre Arbeit ein, Mitarbeitende wurden in ihre Heimatländer zurückbeordert. Die Menschen vor Ort sind mehr denn je auf sich allein gestellt. „Die Abriegelung ist global und national“, sagt Sonja Betschart. Die WeRobotics-Mitgründerin sieht darin zugleich eine ungeheure Chance: „Die Krise schafft einen noch nie dagewesenen Raum für lokale Führung, Handlungsfähigkeit und Einfallsreichtum. Lokale Experten können diesen neuen Raum nutzen, um die Tagesordnung festzulegen und nachdrücklicher auf mehr Eigenverantwortung für humanitäre Maßnahmen und Entwicklungszusammenarbeit zu drängen. Sie haben die Möglichkeit, mehr Macht zu übernehmen, während internationale Akteure die Verantwortung haben, diese Macht abzutreten.“
Als Reaktion auf COVID-19 stellt WeRobotics lokalen Führungskräften aktuell Richtlinien für Schutzmaßnahmen, technische Ressourcen, Mikrozuschüsse und externe Zuschussmöglichkeiten zur Verfügung. Darüber hinaus analysiert die Organisation verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Drohnen, und hinterfragt diese kritisch. Es wird im Moment viel Hype betrieben, wie in den vom Drohnen-Marktinstitut Droneii veröffentlichten Einsatzszenarien für Drohnen in der COVID-19-Pandemie, in denen unter anderem das Besprühen mit Desinfektionsmittel aus der Luft oder die Überwachung von Social-Distancing-Anordnungen vorgeschlagen wird. WeRobotics regt mit Blogposts und Webinaren zu Diskussionen dazu an, denn auch hier gilt die Devise: Lasst die Leute vor Ort entscheiden, was sie brauchen!
Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Satelliten und Drohnen – Wertvolle Helfer für eine nachhaltige Entwicklung“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier Satelliten und Drohnen
Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.
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