Werden Essensreste zum Flugzeugtreibstoff der Zukunft?

Umfreundlichere Treibstoffe einzuführen scheitert aktuell auch an den hohen Anforderungen.

Viele Fluggesellschaften haben verkündet, ihre CO2-Emissionen senken zu wollen, doch Treibstoffverbrauch und Flugaufkommen steigen weiter an. Neue Treibstoffe könnten die Klimabelastung der Luftfahrt jedoch reduzieren, wie eine Studie belegt.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 29.03.21

Forscher der University of California in Berkeley geben an, einen neuen Flugzeugtreibstoff entwickelt zu haben, der die von Flugzeugen produzierte Kohlenstoffmenge drastisch reduziert. Und nicht nur das: Die Herstellung des alternativen Treibstoffes könnte auch die Methanemissionen – ein weiteres Treibhausgas – reduzieren, die auf Mülldeponien entstehen.

Derzeit müssen Flugzeuge einen speziellen Treibstoff tanken, der vielen strengen Anforderungen und Kriterien unterliegt, um die für große Flugzeuge erforderliche Leistung und Zuverlässigkeit zu erreichen. Oft sind diese Kraftstoffe auf Erdölbasis oder bestehen aus Mischungen mit synthetischen Kraftstoffquellen. Vor allem letzteres wird aufgrund der gestiegenen Kosten für Flugkraftstoff immer beliebter. Viele dieser synthetischen Treibstoffe werden jedoch genauso aus fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Erdgas gewonnen.

Nun hat die University of California einen neuen Konkurrenten ins Rennen geworfen: Biomüll, also organische, biologisch abbaubare Lebensmittelabfälle wie Obst- und Gemüseschalen, Kaffeepulver, Fleisch und Knochen, Speisereste, Laub und Eierschalen. Diese „Abfallprodukte“ wurden früher zur Entwicklung von Biodiesel für Fahrzeuge am Boden verwendet, galten aber als unwirtschaftlich und ineffizient für Flugkraftstoff. Viel Biomüll geht auch in die Produktion von Methangas.

Die Autor*innen einer neuen Studie, die kürzlich in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde, entdeckten jedoch eine Methode, mit der der natürliche Zersetzungsprozess des Biomülls unterbrochen werden kann, um kurzkettige Fettsäuren, oder auch flüchtige Fettsäuren (VFA) genannt, im Gegensatz zu Methan (CH4) zu produzieren. Diese Fettsäuren können dann durch eine Form der katalytischen Umwandlung geleitet werden, um zwei verschiedene Arten von nachhaltigem Paraffin zu produzieren.

In Kombination konnten 70 Prozent des Gemischs mit regulärem Düsentreibstoff gemischt werden, um einen umweltfreundlicheren Hybrid zu schaffen, der dennoch die Standards der Luftfahrtbehörde einhält. Obwohl frühere Düsentreibstoffe mit sogenannten „trockenen“ Abfällen entwickelt wurden, ist dies das erste Mal, dass feuchte Bioabfälle, einschließlich Mist und Abwasser, in dem Prozess verwendet wurden. Aufgrund der Komplexität und des hohen Feuchtigkeitsgehalts der Abfälle war deren Verwendung bisher typischerweise auf die Methanproduktion durch anaerobe Vergärung beschränkt.

Laut der Studie senkt das neue Gemisch die CO2-Emissionen von Flugzeugen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen um 165 Prozent. Diese Zahl beinhaltet nicht nur die Reduktion des produzierten Kohlenstoffs, sondern auch die vermiedenen Emissionen aus dem Transport und der Entsorgung von Biomüll auf der Deponie.

Darüber hinaus erzeugt der neue Treibstoff auch 34 Prozent weniger Ruß. Ruß spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Kondensstreifen und trägt neben dem von den Motoren ausgestoßenen Kohlenstoff zur Klimaerwärmung bei.

Zahlen wie diese könnten Fluggesellschaften, die tatsächlich um eine Reduzierung ihres Kohlenstoffausstoßes bemüht sind, optimistisch stimmen. Der weltweite Treibstoffverbrauch der kommerziellen Fluggesellschaften ist seit 2009 jedes Jahr gestiegen und erreichte 2019 ein Allzeithoch von 96 Milliarden Gallonen. Und trotz einer Wachstumsdelle in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der Corona-Pandemie wird erwartet, dass der Verbrauch wieder ansteigt, sobald der internationale Reiseverkehr wieder vollumfänglich aufgenommen wird. In der Zwischenzeit hat sich die Branche immerhin verpflichtet, die Kohlenstoffemissionen bis 2050 zu reduzieren. Obwohl mit batteriebetriebenen Flugzeugen experimentiert wird, sind viele Fluggesellschaften skeptisch, was ihre Effektivität für größere Langstreckenflüge angeht. Die Erzeugung neuer Kraftstoffe, die mit den vorhandenen Flugzeugen funktionieren, wird daher von vielen als der praktikabelste alternative Ansatz angesehen.

Die Auswirkungen von Lebensmittelabfällen

Etwa ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel werden verschwendet. Mit den Lebensmitteln landen nicht nur kostbare Ressourcen auf dem Müll, die zu großen Mengen an organischen Abfällen werden, sondern es werden auch Ressourcen verschwendet, die für den Anbau, die Lagerung und den Transport von Lebensmitteln benötigt werden. Und wenn man diese nassen Bioabfälle verrotten lässt, entsteht Methan, ein Treibhausgas, das schädlicher ist als Kohlenstoff. Es wird vermutet, dass Lebensmittelabfälle zu etwa 8-10 Prozent der Gase beitragen, die für den vom Menschen verursachten Klimawandel verantwortlich sind.

Zu all dieser Verschwendung kommt noch hinzu, dass das entstehende Methan anderweitig genutzt werden könnte. Es bleibt also zu hoffen, dass Bioabfälle in Zukunft einer praktischeren und nachhaltigeren Verwendung zugeführt werden.

Natürlich ist die Entwicklung neuer Flugtreibstoffe nicht die einzige Lösung für die negativen Klimaauswirkungen des Fliegens und man kann diese Versuche auch als Greenwashing bezeichnen, da damit die grundlegenden Probleme nicht wirklich angegangen werden. Natürlich ist der effektivste Weg zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen, wenn Vielflieger einfach weniger fliegen. Obwohl transkontinentale Reisen immer noch Flüge erfordern, könnten für innerstaatliche Reisen viele nachhaltigere Alternativen weiterentwickelt, gefördert und finanziell erschwinglicher gemacht werden – einschließlich bereits bestehender Transportmittel am Boden wie der Bahnverkehr. Das Geld könnte unter anderem aus der längst überfälligen Besteuerung von Flugzeugkerosin kommen.

Derzeit plant die Universität von Kalifornien, die Produktion des Treibstoffs zu erweitern und hofft, dass er im Jahr 2023 von Southwest Airlines getestet werden kann.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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