Eine funktionierende Abfallentsorgung ist in vielen Teilen der Welt eine Luxusdienstleistung. In Nigerias bevölkerungsreichster Stadt Lagos werden nur etwa 40 Prozent des Mülls von der städtischen Müllabfuhr abgeholt. Recycelt werden davon nur um die 13 Prozent. Im Vergleich dazu: Deutschland erreicht eine Recyclingquote von 67 Prozent der Siedlungsabfälle. Siedlungsabfälle umfassen verschiedene Arten von Abfall, z.B. Hausmüll, getrennt gesammelte Papier-, Glas-, Kunststoff-, Biomüll-Abfälle oder Elektroaltgeräte, also alle Arten von Abfall, die in einem Haushalt anfallen. In Lagos jedoch werden 60 Prozent erst gar nicht abgeholt, was sich bei einer Stadt mit über 20 Millionen Einwohnern ganz schön aufsummiert: Über 13.000 Tonnen Abfall pro Tag werden hier produziert.
Urbanisierung = mehr Bewohner = mehr Müll
Ein großes Problem, das zu diesem Umstand beiträgt, ist die stetig wachsende urbane Bevölkerung. Laut Weltbank liegt der Zuwachs an urbaner Bevölkerung in Nigeria bei über 4 Prozent und Demographen erwarten, dass Lagos in 60 Jahren zur bevölkerungsreichsten Stadt der Welt mit 100 Millionen Bewohnern anwachsen könnte. Dies hat bereits bzw. wird noch enorme Auswirkungen auf die Umwelt haben. Schon jetzt lebt ein großer Teil in informellen Siedlungsgebieten ohne Zugang zu formalen Abfallmanagement-Systemen. Dies kann zum einen schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben, die in der Nähe von unregulierten Müllhalden leben. Im Kontext von Lagos führte die Menge an Müll in den Straßen zu verstopften Abwasser- und Wasserabflusssystemen, was bei starkem Regen zur Überflutung von Häusern führte. Doch der Abfall verstopft nicht nur, ganz oft landet er auch über Wasserwege in unseren Ozeanen. 80 Prozent des Abfalls im Meer kommt ursprünglich von Quellen an Land, oftmals aus Ländern in Asien und Afrika.
Müllabfuhr mit dem Cargo-Fahrrad
WeCycle-Gründerin Bilikiss Adebiyi-Abiola will mit ihrer Idee daran etwas ändern. WeCycle ist eine Plattform, die für Menschen in einkommensschwachen Gemeinden in Lagos einen Anreiz schafft, Abfall zu recyceln. So funktioniert das Ganze: Haushalte melden sich an und sortieren recycelbare Abfälle – vor allem Plastik, die dann einmal wöchentlich vom WeCycle-Team abgeholt werden. Die WeCyclers sind auf Cargo-Fahrrädern unterwegs, um den Abfall einzusammeln. Dies hat den Vorteil, abgesehen von ökologischen Gründen, dass sie an Stellen der Stadt vordringen können, in die der motorisierte Verkehr nicht kommt.
Die Haushalte bekommen für jedes Kilogramm recycelten Abfall Punkte auf ihr Handy gutgeschrieben, die für verschiedene Dinge eingetauscht werden können. Solche Dinge können zum Beispiel Handy-Guthaben, Nahrungsmittel oder Haushaltswaren sein. Auf der anderen Seite wird der eingesammelte Abfall nach der Abholung sortiert und an lokale Recycling-Unternehmen weiterverkauft.
Abgesehen von dem Zugewinn für das überforderte Abfallmanagement-System in Lagos kreiert das Unternehmen Jobs und ein zusätzliches Einkommen für arme Familien. Das Problem Abfall wird somit genutzt um eine Lösung zum Problem Armut zu bieten. Letztendlich kann das aber nur als vorübergehende Lösung gesehen werden und Ansätze müssen gefunden werden, das Müllaufkommen generell zu reduzieren – nicht nur in Lagos bzw. Nigeria, sondern weltweit.