Bürger, erhebt eure Stimme – 6 Tipps für eine erfolgreiche Online-Petition

Petitionen können ein sinnvolles Instrument sein, um einem politischen Anliegen Gehör zu verschaffen. Doch um viele Menschen zum Mitmachen zu animieren und mit der Petition auch die Verantwortlichen zu erreichen, gibt es ein paar Dinge zu beachten.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 18.02.14

Online-Petitionen sind zu einem festen Bestandteil großangelegter Kampagnen von NGOs wie Oxfam, Greenpeace oder Amnesty International geworden. Gleichzeitig sind sie aber auch ein einfaches Werkzeug, um Bürgeranliegen Gehör zu verschaffen; sei es die Aufforderung an ein Unternehmen, in seinen Produkten auf schädliche Inhaltsstoffe zu verzichten, die Forderung an die Bezirksverwaltung, das Fällen von Bäumen einzustellen oder von Bauvorhaben abzusehen. Ausführliches dazu findest du in unserem RESET-Wissensartikel We will not be silent.

Wenn du eine eigene Petition starten möchtest, hast du mittlerweile die Wahl zwischen verschiedenen Plattformen. Zu den bekanntesten gehören Change.org, Avaaz.org, openPetition und die Petitionsportale der Bundesregierung und der EU. Aber welche Plattform ist nun die richtige für dein Anliegen?

Die Qual der Wahl – Welche Plattform soll es sein?

Das hängt tatsächlich von deinem konkreten Anliegen ab: Während sich die ePetitionen des Bundestags ausschließlich an dessen Petitionsausschuss richten, können über die privaten Plattformen konkrete Personen bzw. Unternehmen direkt angesprochen werden. Sich an den Petitionsausschuss des Bundestags zu wenden, macht vor allem dann Sinn, wenn dein Anliegen sich auf rechtliche Bestimmungen oder Ähnliches bezieht. Wenn dein Anliegen einen stark lokalen Bezug hat und/ oder sich an ein Unternehmen richtet, sind die Petitionsplattformen die richtige Wahl. Zudem: Petitionen, die auf einer der großen Petitionsplattformen veröffentlicht werden, können eine größere Reichweite entfalten und damit zu einer breiteren gesellschaftlichen Debatte führen, da deren Verbreitung über soziale Medien unterstützt wird und sie durch eine benutzerfreundliche Gestaltung oft leichter zugänglich sind. Im Folgenden findest du eine Übersicht über die Plattformen.

Petitionsplattformen

  • Auf openPetition kann jede und jeder eine eigene Petition starten. Mehr als 1,5 Million Menschen nutzen bereits openPetition. Was die Plattform hervorhebt: Diskussion und Vernetzung sind zentrale Bestandteile. Auf einer eigenen Diskussionsseite können Pro- und Contra-Argumente ausgetauscht und den Petenten (Urhebern der Petition) können Fragen direkt per Mail gesendet werden. Außerdem können die Petenten ihre Unterstützer per E-Mail über den Stand der Petition informieren und auf weitere Veranstaltungen oder Protestaktionen hinweisen. Und last but not least: die Adressaten haben die Möglichkeit, auf openPetition selbst eine Stellungnahme zum Anliegen der Petition zu veröffentlichen. So kann schon vor der Übergabe der Unterschriften ein Dialog gestartet werden. Mehr zu openPetition liest du in diesem Interview.
  • Change.org nennt sich selbst die „weltweit größte Petitionsplattform“. Rund um den Globus sind geschätzte 30 Millionen Menschen in elf Sprachen auf Change.org aktiv. Change.org wurde 2007 in San Francisco als Social Business gegründet. Es ist strukturiert wie ein Unternehmen, allerdings steht nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund, sondern soziale, ökologische oder gesellschaftliche Probleme. Change.org generiert Umsatz mit von Organisationen gesponserten Petitionen. Werden diese Petitionen gezeichnet und stimmen die Nutzer zu, dass die betreffende Organisation sie künftig direkt kontaktieren darf, erhält Change.org hierfür eine Gebühr. Diesen Dienst nutzen u. a. Organisationen wie Amnesty International, ONE oder Oxfam. Jeder kann die Plattform von Change.org kostenlos nutzen, um Petitionen zu einem beliebigen Thema zu erstellen und zu verbreiten, wobei die festen Mitarbeiter von Change.org in manchen Fällen handwerkliche und strategische Unterstützung leisten. Außerdem stehen ausführliche Anleitungen zur Verfügung.
  • Die Petitionsplattform Avaaz wurde ebenso wie Change.org 2007 gegründet und existiert mittlerweile in 14 Sprachen. Avaaz finanziert sich über seine Mitglieder, wobei Avaaz selbst die maximale Spendensumme auf 5.000€ begrenzt hat. Auf der Webseite finden sich vor allem Petitionen, die sich an  Entscheidungsträger der „großen Politik“ richten, also EU Parlament, UN Konferenzen oder US Kongress. Avaaz ist genau genommen zweigeteilt: neben den eigenen Petitionen gibt es eine Plattform für Bürgerpetition. Mit diesem Tool kann jeder auch zu lokalen Anliegen, beispielsweise dem Erhalt eines Parks in der Nachbarschaft, Unterschriften sammeln. Aus den Bürgerpetitionen wählt die Avaaz-Gemeinschaft regelmäßig die zehn besten Petitions-Ideen aus. Diese Kampagnen werden dann mit bis zu $10,000 finanziell unterstützt, um ihre Wirkung nochmals zu verstärken. Allerdings gerät Avaaz immer wieder in die Kritik aufgrund seiner Intransparenz und der oft künstlichen Verknappung der Zeit („Noch 24 Stunden zur Rettung der Wale“), die zu einem nicht immer hilfreichen starken Handlungsdruck führt. Mehr zu Avaaz erfährst du in diesem Interview.
  • Die ausschließlich in Deutschland aktive Organisation Campact startet Kampagnen, wenn Themen große Zustimmung genießen und öffentliche Relevanz besitzen. Dabei arbeitet Campact mit Partnerorganisationen wie der Deutschen Umwelthilfe, dem BUND, Attac, Oxfam, LobbyControl und Mehr Demokratie zusammen. Campact steht für die Verbindung von „Campaign“ und „Action“ und beschränkt sich dem Namen getreu nicht nur auf Online-Appelle, sondern trägt die Anliegen gemeinsam mit den Campact-Aktiven direkt an die politischen Entscheiderinnen und Entscheider in Form kreativer Aktionsformen heran. Relevante Themen können jederzeit vorschlagen werden, es ist aber nicht möglich, selbst Petitionen über Campact zu starten. Mehr zu Campact liest du hier im Interview.
  • Petitionsausschuss des deutschen Bundestags: Auf einer vom Bundestag bereitgestellten Internetplattform können alle Bürger online Petitionen an den Bundestag richten. Reichst du dein Anliegen beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ein, gilt es jedoch, mehrere Hürden zu überwinden: Es werden ausschließlich Petitionen behandelt, die den Zuständigkeitsbereich des Bundestages, der Bundesgesetzgebung, die Bundesregierung sowie Bundesbehörden oder sonstige Einrichtungen mit öffentlichen Aufgaben betreffen. Dazu gehören auch Anliegen, bei denen es um Hilfe in höchstpersönlichen Notlagen geht wie z.B. die Erteilung eines Visums oder der Finanzierung eines Rollstuhls.
    Geht eine Petition ein, trägt der Petitionsausschuss Sorge, dass sie nicht leerläuft. Ist eine laufende Gesetzgebung betroffen, schaltet der Petitionsausschuss den entsprechenden Fachausschuss ein. Geht es um Entscheidungen von Bundesbehörden, wird das zuständige Bundesministerium um eine Stellungnahme gebeten. Der nächste Schritt ist die Übergabe an Ausschussmitglieder. Die Bundesregierung und alle Behörden des Bundes sind verpflichtet, dem Petitionsausschuss auf Verlangen, Akten vorzulegen, Auskunft zu erteilten und Zutritt zu ihren Einrichtungen zu gestatten. Um einem Anliegen Nachdruck zu verleihen, kann der Ausschuss auch hochrangige Regierungsvertreter zu Gesprächen über den Sachverhalt auffordern. (Mehr dazu liest du in diesem PDF-Dokument ab Seite 44). Allerdings: Nach Aussage eines Mitarbeiters hat bisher erst eine eingereichte Petition tatsächlich zu einer Gesetzesänderung geführt. Mehr zum Petitionsausschuss des Bundestages liest du hier im Interview.Bei der Einreichung einer Petition im Bundestag hast du die Wahl zwischen einer öffentlichen und einer inoffiziellen Einreichung. Ist sie öffentlich, können andere Nutzer des (leider recht komplizierten) e-Petitionssystems mitzeichnen. Gelingt es einer ePetition, in den ersten drei Wochen nach ihrer Veröffentlichung auf der Petitionsplattform mehr als 50.000 Unterschriften zu sammeln, so wird die Petition in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Beisein der Urheber der ePetition diskutiert. Eine inoffizielle Einreichung ist nicht öffentlich und braucht daher auch keine weiteren Mitzeichner. Zur Unterscheidung von offiziellen und inoffiziellen Petitionen findest du hier mehr.
  • Petitionen an das EU-Parlament: Hast du ein Anliegen oder eine Aufforderung, die sich auf die Aktivitäten der Europäischen Union bezieht, kannst du auch eine Petition beim EU-Parlament einreichen. Jeder Bürger kann jederzeit allein oder zusammen mit anderen Personen eine Petition an das Europäische Parlament richten. Gegenstand einer Petition können individuelle Beschwerden und allgemeine Anliegen sein. Betrifft deine Einreichung tatsächlich einen Tätigkeitsbereich der EU, greift der Petitionsausschuss das Anliegen in der Regel auf und beschließt das weitere Verfahren. Das kann eine Aufforderung an die Europäische Kommission sein, eine vorläufige Prüfung vorzunehmen, die Weiterleitung an andere Ausschüsse oder eine nationale Stelle oder die Entsendung einer Delegation zu einem Informationsbesuch.
    Außerdem können seit 2012 EU-BürgerInnen eine europäische Bürgerinitiative starten, d.h., sich mit dem Vorschlag von Gesetzesinitiativen an die Europäische Kommission wenden und damit direkten Einfluss auf europapolitische Entscheidungen nehmen. Die EU-Koordination hat dazu einen Steckbrief erarbeitet: DNR-Steckbrief: Die Europäische Bürgerinitiative. Einen guten Überblick über die Möglichkeiten der Einmischung auf europäischer Ebene gibt hierzu die Seite des Deutschen Naturschutzrings.

Wenn du dich für eine der Möglichkeiten entschieden hast, wie geht es dann weiter?

6 Tipps für eine gelungene Online-Petition

1. Aktueller Bezug: Ideal ist es, wenn deine Petition eine große Aktualität besitzt, da dies mehr Aufmerksamkeit und einen konkreten zeitlichen Bezug verspricht. Daher: Steht eine Entscheidung auf Regierungs- oder Gerichtsebene an? Gibt es aktuell eine verstärkte mediale Aufmerksamkeit auf das Thema oder schon entsprechende Proteste?

2. Gut recherchieren, sauber formulieren: Das A und O einer gelungenen Petition ist eine gute Recherche zum Thema, um sowohl das Anliegen sauber zu formulieren als auch jegliche Rückfragen beantworten zu können. Außerdem ist zentral, sowohl die konkreten Ansprechpartner herauszufinden, an die sich die Petition richtet und denen die Unterschriften dann übergeben werden, als auch Kooperationspartner und Unterstützer zu finden, um das Anliegen weit tragen zu können.

3. Passende Plattform wählen: Je nach Anliegen eignet sich eine Plattform mehr als die andere. Siehe oben.

4. Spread the word: Eine Petition kommuniziert sich nicht von allein. Daher geht es nach der Veröffentlichung darum, möglichst viele Menschen mit deinem Anliegen zu erreichen. Hilfreich sind dabei die verschiedenen sozialen Medien wie Facebook und Twitter, aber auch konkrete Mail-Aktionen an dein Netzwerk und themennahe NGOs und andere Multiplikatoren. Gleichzeitig sollte man sich aber auch Gedanken über eine Begleitstrategie machen. Wann und wie arbeite ich mit den Medien? In welchem Rahmen lassen sich kleinere und größere Events realisieren?

5. Medienwirksame Übergabe: Um den Adressaten deiner Petition nicht die Möglichkeit zu geben, die Unterschriften in irgendeiner „Schublade“ verschwinden zu lassen, und um noch für zusätzliche Aufmerksamkeit zu sorgen und damit den Druck zu verstärken, ist neben der Verbreitung des Aufrufs, die Übergabe eine große Chance. Idealerweise ist die Übergabe der Unterschriften von einer medial wirksamen Aktion begleitet. Campact liefert dazu gute Beispiele wie Menschenketten, Protestmärsche, Schilderwälder etc.

6. Dran bleiben: Meistens ist es mit einer Petition nicht getan. Viele Beschwerdeverfahren können sich über Jahre hinziehen. Und sie versanden häufig, wenn der Beschwerdeführer nicht dafür sorgt, dass das Thema virulent bleibt. Wichtig daher: Dran bleiben, indem du das Thema weiterverfolgst, Unterstützer und Beteiligte deiner Petition auf dem aktuellen Stand hältst, die zuständigen Institutionen mit aktuellen Informationen versorgst und ggf. neue Aktionen startest. Ein solches Vorgehen kostet viel Zeit und Energie, die du im Vorhinein einplanen solltest.

Beispiel aus der Praxis: Umweltbündnis für die Klimapolitik

Das Handbuch „Klimawende von unten“ wurde als Kooperationsprojekt von Umweltinstitut München, BürgerBegehren Klimaschutz und Mehr Demokratie herausgegeben. Das Handbuch soll dazu anregen, die Klimapolitik selbst in die Hand zu nehmen und die direkte und kommunale Demokratie zu stärken. Dazu werden Tipps und Erfolgsbeispiele für Bürger*innen in Städten und Gemeinden zusammengefasst.

Weiterführende Infos:

Auf der Seite „NGO Leitfaden“  findet man einen Leitfaden und digitale Werkzeuge für NGOs, rund um die Themen Kommunikation und digitale Mobilisierung.

We will not be silent! – Online-Petitionen

Jeder kennt Unterschriftenlisten - und auch ihr Gegenstück, die Online-Petitionen bzw. E-Petitionen, flattern fast täglich in unseren digitalen Postkasten. Mit der Vielzahl an Stimmen sollen Entscheidungsträger auf Probleme aufmerksam gemacht und Missstände behoben werden. Doch wie viel Einfluss haben E-Petitionen wirklich?

Digitaler Aktivismus

Handys, Blogs und Social Networks: wie Aktivisten heute digitale Technologien nutzen, um für sozialen Fortschritt zu streiten, zeigen konkrete Beispiele aus der ganzen Welt - von ägyptischen Bloggern über Videoaktivisten in Syrien bis zum kenianischen Handyprojekt Ushahidi.