Mit synthetischen Bäumen gegen globale Wasserknappheit

Einsame Mangroven im Südpazifik - Sie können in dem salzhaltigen Wasser wachsen

Mangroven-Bäume können im salzigen Ozeanwasser von Küstenstreifen überleben. Jetzt sollen sie als Vorlage für ein neues Design zum Einsatz gegen den globalen Wassermangel dienen.

Autor*in Lara Sophie Sander, 03.08.22

Übersetzung Mark Newton:

Wasserknappheit ist eine der größten Bedrohungen unseres Jahrhunderts. Mittlerweile sind etwa 1,1 Milliarden Menschen weltweit davon betroffen, ganze 2,7 Milliarden Menschen erleben Mangel mindestens in einem Monat des Jahres. Das Ziel 6 der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen strebt an, bis zum Jahr 2030 eine Wasserversorgung und Hygiene für alle zu erreichen – denn besonders die unzureichenden Hygienebedingungen in einigen Regionen der Welt, in großen Teilen hervorgerufen durch den Wassermangel, sind ein akutes Problem für 2,4 Milliarden Menschen (Quelle: WWF). Der WWF prognostiziert, dass bis 2025 zwei Drittel der Weltbevölkerung Wasserknappheit erleben könnten.

SDG 6 – Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen

Das sechste Ziel für Nachhaltige Entwicklung soll die Folgen schlechter Wasserwirtschaft und unzureichender Infrastruktur reduzieren. Jedes Jahr sterben immer noch Millionen von Menschen an Krankheiten, die durch unzureichende Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Hygiene ausgelöst werden. Nicht nur die Gesundheit, auch die Ernährungssicherheit, die Lebensgrundlage und Bildung vieler Familien sind durch diesen Mangel betroffen.

Laut den Vereinten Nationen gibt es genügend Süßwasserquellen auf dem Planeten, um SDG 6 zu erreichen. Problematisch ist aber der Zugang. Dürren treffen zudem einige Länder härter als andere und verschärfen Folgen wie Unterernährung. In den vergangenen Jahren konnten mit konkreten Maßnahmen einige Fortschritte erzielt werden: laut der UN haben nun 90 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zu verbesserter Trinkwasserversorgung. (Quelle: UNRIC)

Wissenschaftler*innen der Virginia Polytechnic Institute and State University haben nun erforscht, wie man diesem globalen Problem entgegentreten kann. Dabei ließen sie sich von der Natur inspirieren. Denn häufig ist zwar Wasser vorhanden, aber wir können es nicht trinken, da es kontaminiert ist oder einen hohen Salzgehalt hat. Die Forscher*innen griffen deshalb auf einen Prozess zurück, wie ihn Mangroven-Bäume an Küstenstreifen anwenden. Diese Bäume können im stark salzhaltigen Wasser der Ozeane wachsen, wie zum Beispiel auf der indonesischen Insel Pari. Dort bieten sie den zusätzlichen Vorteil, dass sie Überschwemmungen auf der kleinen Insel mindern können, indem sie die starken Strömungen aufgrund stetig steigender Meeresspiegel abschwächen.

Verfahren zur Wasseraufbereitung sind vielfältig – und auch ihre Effektivität

Aber wie kann so etwas synthetisch nachgebaut und vor allem skaliert werden? Herkömmliche Solar-Destillierapparate – an sich keine neue Innovation – saugen zunächst Wasser durch ein absorbierendes Material auf. Das Wasser wird dann durch Sonnenlicht erhitzt und verdunstet, wodurch es weiter aufsteigt. Der Wasserdunst trifft dann auf eine abfallende Decke und kondensiert dort, woraufhin das Wasser in flüssiger Form wieder in eine Auffangschale rinnt. Viele innovative Geräte zur Wasseraufbereitung basieren heute auf diesem Grunddesign.

Die Idee, sich von der Natur inspirieren zu lassen und Baum-ähnliche Designs zu entwickeln, ist auch nicht neu. Ähnliche Geräte nutzen meist die sogenannte Kapillarwirkung: Flüssigkeit haftet an den Rändern eines kleinen Bereichs an und zieht andere Moleküle aufgrund der inneren Bindung der Flüssigkeit nach oben. Das lässt sich zum Beispiel bei den Härchen eines Pinsels beobachten, wenn diese Farbe aufnehmen, oder wenn Flüssigkeiten in poröses Material wie Gips einsickert. Problematisch bei dieser Anwendung ist jedoch, dass sie sich schwer skalieren lässt.

Transpiration als neuer Ausgangspunkt

Aus diesem Grund haben sich die Forscher*innen der Virginia Tech auch dem Prozess der Transpiration zugewandt. Dieser folgt im Grunde dem natürlichen Vorgang, wenn Wasser über die Wurzeln der Bäume durch ihren Stamm zu den Blättern transportiert wird. Sonneneinstrahlung spielt auch hier eine wichtige Rolle. Das Verfahren basiert auf einer Sogwirkung, die entsteht, wenn aufgrund von sinkendem Wasserpotenzial – die Verfügbarkeit von Wasser in der Luft, welche die Pflanze umgibt – Wasser aus den Wurzeln über den Stamm in der Pflanze hochgezogen wird. Dies geschieht, da das Wasserpotenzial die Wassermoleküle aus der Pflanze in die Luft diffundieren lässt, was wiederum den Druck auf die Moleküle in der Pflanze erhöht. Schlussendlich wird das Wasser dann durch Verdunstung über Poren an der Unterseite der Blätter wieder an die Luft abgegeben.

Das innovative Design zur Wasseraufbereitung im Modell

Die synthetische Variante dieses Verfahrens besteht aus 19 Plastikschläuchen mit je 6 Zentimetern Höhe und je 3,175 Millimetern Durchmesser. Das Wasser steigt in diesen Schläuchen auf und wird dann durch eine mit Graphit beschichtete Keramikdiskette, die ähnlich den Blättern der Mangroven eine Oberfläche zur Verdunstung bietet, wieder abgegeben. Das große Ziel ist es, einen Sogeffekt zu erzeugen, der so stark ist, dass das Wasser durch einen Salzfilter gezogen werden kann, ohne eine mechanische Pumpe zu benötigen – genau wie die Mangroven-Bäume im Salzwasser überleben können.

Die Forscher*innen der Virginia Tech sind aber längst nicht die einzigen mit der Vision, auf diese Art zukünftig schnell und in großem Maßstab sauberes Trinkwasser zu erzeugen. Schüler*innen aus den USA haben eine Flasche entwickelt, die auf einem ähnlichen Design basiert und sogar tragbar ist. Die Flasche hat darüber hinaus noch einige weitere Vorteile: So haben die Schüler*innen unter anderem eine Art „Solarflosse“ an der Außenseite der Flasche angebracht, die die Geschwindigkeit erhöhen soll, mit der das Wasser durch den Filter fließt. Dadurch soll auch die Transpirationsrate steigen und sicherstellen, dass der Prozess schneller abläuft.

Von der Natur inspiriert – und auch mit Zukunft?

Bäume liefern immer wieder Inspiration für Designs, die den natürlichen Prozess der Wasserfilterung nachahmen. Der „Warka Tree“ ist ein Gerät, dass den lokalen meteorologischen, geographischen und sozialen Bedingungen von Gemeinden mit starker Wasserknappheit in Äthiopien entspricht. Das Design ist inspiriert von den riesigen, äthiopischen Warka-Feigenbäumen und kann in Regenzeiten Nebel, kondensiertes Wasser und auch Regenwasser auffangen. Auch in Marokko wird Nebel aufgefangen, um sauberes Trinkwasser für die lokalen Gemeinden zu erhalten. Dort gibt es das größte „Nebelernte“-System der Welt, welches aus 600 Metern eines vertikalen, quadratischen Netzes, Solarpumpen und 8 Kilometer langen Rohren besteht. Das aufgefangene Wasser wird über die Rohre direkt an lokale Gemeinden geleitet. Das bringt den zusätzlichen Vorteil mit sich, dass nicht lange Strecken über mehrere Kilometer zurückgelegt werden müssen, um Wasser zu holen – eine Aufgabe, welche häufig den vulnerableren jungen Frauen und Mädchen zufällt.

Wasserknappheit nach Land, 2019

Eine der wichtigsten Fragen, die sich jedoch bei den synthetischen Bäumen, wie bei vielen der innovativen Designs zur Wasseraufbereitung, stellt, ist ihre Skalierbarkeit. Weltweit leiden Billionen von Menschen unter Wasserknappheit, was nicht nur ihren direkten Alltag und ihre Ernährungssicherheit bedroht, aber auch die Agrarwirtschaft und die Umwelt im Ganzen. Um dieser Knappheit entgegentreten zu können, müssen Innovationen im großen Maßstab umgesetzt werden. Das Team der Virginia Tech sieht deshalb die Notwendigkeit, weitere Tests mit größeren Bäumen, mehreren „Blättern“ und verschiedenen Membranen durchzuführen – auch um den gewünschten, ausreichenden Sogeffekt zum Filtern von Salzwasser zu erreichen.      

Doch technische und vor allem digitale Innovationen sind nur ein Ausgangspunkt im Kampf gegen den globalen Wassermangel. Andererseits hat dieser häufig auch politische Ursachen, wird gefördert durch Krieg und Konflikte und besonders durch mangelnde Infrastruktur. Daher reichen Innovationen allein nicht aus – es muss auch strukturell gehandelt werden.

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