Billig, billiger, am billigsten: Supermärkte liefern sich einen Preiskampf, wer die Produkte am günstigsten verkauft. Die Läden wollen maximale Gewinne erlangen, die Kunden so wenig wie möglich ausgeben – aber das kann nicht aufgehen. Eine derartige Preispolitik geht meist auf Kosten der Schwächsten, nämlich den Produzentinnen und Produzenten in weniger entwickelten Ländern. Die Kehrseite der Super-billig-Preise sind schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen, fehlende Gesundheitsvorsorge, mangelhafte Ernährung und fehlende Arbeiterrechte auf der anderen Seite. Eine Lösung aus diesem Teufelskreis bietet der faire Handel. Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach: die Produzenten erhalten faire Preise für ihre Arbeit.
Der Weltmarkt macht die Preise
Warum aber gibt es eben keine faire Preispolitik auf dem Weltmarkt? Was als „Freier Markt“ bezeichnet wird, ist eigentlich ein System mit starken Regelungen für Ein- und Ausfuhrzölle, Agrarsubventionen und Steuern auf Seiten der Industrieländer, welches dafür sorgt, dass ihre Stellung auf dem Weltmarkt ungleich besser ist als die der Länder des Globalen Südens. Deren Handelsbeziehungen werden auf diese Weise vom Marktgeschehen in den Industrieländern diktiert.
Für viele Rohwaren wie z.B. Kaffee, Kakao und Zucker wird ein Weltmarktpreis an den Börsen ausgehandelt, der dann weltweit gilt. Der Preis setzt sich aus Angebot und Nachfrage, sowie Spekulationen über zukünftige Geschäfte zusammen. Die Produzentengruppen haben auf dieses System keinen Einfluss. Diese Preise ändern sich jedoch ständig und Produzenten haben kein verlässliches Einkommen. Neben den niedrigen Rohwarenpreisen führt die Überproduktion – wenn das Angebot schneller steigt als die Nachfrage – zu fallenden Preisen und damit zu einer Verarmung der Produzenten.
Dazu kommt, dass die meisten Produzenten ihre Ware an Zwischenhändler verkaufen, da sie keine direkten Handelsbeziehungen haben. Zwischenhändler zahlen jedoch selten angemessene Preise, da auch sie an dem Handel verdienen wollen. All dies führt dazu, dass die Bauern zu Preisen verkaufen müssen, die oftmals nicht einmal die Produktionskosten decken. Armut trotz Arbeit – das ist das Schicksal vieler Menschen, die in armen Ländern in der Landwirtschaft tätig sind.
Wie funktioniert Fairer Handel?
Fairer Handel basiert auf langfristigen – und damit für beide Seiten zuverlässige – Handelsbeziehungen, die direkte Handelswege ermöglichen. Der Kunde erhält qualitativ hochwertige Produkte und leistet einen Beitrag für ein bisschen mehr Gerechtigkeit auf der Welt. Die Importeure und Verarbeiter werden auf internationaler Ebene von den drei Dachorganisationen organisiert:
FLO (Fair Trade Labelling Organization) ist unteranderem verantwortlich für Fairtrade-Siegel, welche Mindestpreise in Absprache mit den Produzenten und den nationalen Mitgliedsorganisationen festsetzt.
WFTO (World Fair Trade Organisation) setzt sich für die Verbesserung der Marktchancen, die politische Einflussnahme im Welthandel und die Sicherung der Glaubwürdigkeit von Fair-Handels-Organisationen ein.
EFTA (European Fair Trade Association), deren Hauptziel die Harmonisierung und Koordination von Fair Handels-Aktivitäten ist, um den Fairen Handel effizienter zu machen.
Die Grundidee von Fairtrade-Organisationen ist es, gerechtere Bedingungen im Welthandel voranzutreiben und ein ausgewogeneres Wirtschaftssystem zu schaffen.
Ein Beispiel: Fairtrade-Kaffee stammt ausschließlich von Kleinbauern, die sich zu Kooperativen oder Organisationen zusammengeschlossen haben. Sie erhalten immer einen festen Mindestpreis unabhängig von schwankenden Marktpreisen. Sobald der Weltmarktpreis über dem Fairtrade-Preis liegt, werden entsprechend höhere Preise an Bauern ausgezahlt. Dazu kommt ein Aufschlag der in Gemeinschaftsprojekte, z. B. in Schulen oder in medizinische Versorgung, fließt.
Die internationalen Dachorganisationen haben sich auf folgende Definition geeinigt:
Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzentinnen und Produzenten und Arbeiterinnen und Arbeiter – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Die Organisationen des Fairen Handels engagieren sich, bestärkt von Verbrauchern, aktiv für die Unterstützung der Produzenten, für die Bewusstseinsbildung sowie für Kampagnen zur Veränderung der Regeln und der Praxis des konventionellen Welthandels.
Kriterien für den Fairen Handel
Produkte, die mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnet sind, müssen den internationalen Standards von Fairtrade International im Handel und Anbau entsprechen. Dazu zählen die folgenden Kriterien:
Soziale Bedingungen
- Organisation in demokratischen Gemeinschaften (bei Kooperativen)
- Förderung gewerkschaftlicher Organisation (auf Plantagen)
- Geregelte Arbeitsbedingungen
- Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit
- Diskriminierungsverbot
Ökologische Anforderungen
- Umweltschonender Anbau
- Schutz natürlicher Ressourcen
- Verbot gefährlicher Pestizide
- Kein gentechnisch verändertes Saatgut
- Förderung des Bio-Anbaus durch den Bio-Aufschlag
Ökonomische Anforderungen
- Bezahlung von Fairtrade-Mindestpreis und Fairtrade-Prämie
- Nachweis über Waren- und Geldfluss
- Richtlinien zur Verwendung des Siegels
- Transparente Handelsbeziehungen
- Vorfinanzierung
Fairer Handel in Deutschland
Dass bestimmte Produkte ihren Preis haben, wenn sie zu fairen Bedingungen produziert und gehandelt werden, haben in Deutschland schon viele Verbraucher erkannt: Der Faire Handel in Deutschland erreichte im Jahr 2017 ein neues Umsatzhoch mit fast 1,5 Milliarden Euro zu Endverbraucherpreisen. Der Umsatz hat sich in den letzten zehn Jahren verfünffacht.
Insgesamt überwiegt der Anteil von Food-Produkten gegenüber Non-Food-Artikeln. Eindeutige Spitzenreiter unter den fair gehandelten Produkten sind Kaffee, Tee und Kunsthandwerke.
Faire Handels-Importorganisationen in Deutschland sind z.B. GEPA-The Fair Trade Company, El Puente, dwp, Naturland Fair und BanaFair. Solche Importeure verkaufen neben Produkten mit Fairtrade- Siegel auch andere fair gehandelten Produkte ohne Siegel, die in vor allem in den rund 900 Weltläden zu finden sind. Da es für diese Produkte keine internationalen Produktstandards gibt, können sie auch kein Fairtrade-Siegel tragen.
Wie fair ist Fairtrade?
Oft gibt es keine klare Trennung zwischen Siegel, Label und Zeichen gemacht, das sorgt für Intransparenz und Unübersichtlichkeit. Kritisiert wird auch, dass ausschließlich größere oder wohlhabendere Anbaubetriebe für eine Fairtrade-Zertifizierung ausgewählt werden – sprich: nur dann, wenn der Entwicklungsstand bereits so weit ist, dass Kleinbauern in Kontakt mit strukturierten westlichen Organisationen treten können.
Zudem sind die Zertifizierungen und die Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen kostspielig für Bauern aus ärmsten Verhältnissen, Arbeiter kleiner oder landloser Betriebe haben oftmals keine Chance. Eine weitere Transparenzlücke ist der Mengenausgleich bei Fairtrade-Produkten. Dabei werden in der Lieferkette faire Rohstoffe mit konventionellen Produkten vermischt. Oftmals wissen Konsumenten nicht wie viel tatsächlich fair ist. Da viele Kleinbauern die Ware nicht selbst weiterverarbeiten können wie z.B. bei Schokolade und Keksen, wo nur 20 Prozent der Zutaten fair sein müssen, die restlichen Rohstoffe dürfen konventionell gewonnen werden. Immerhin: Hinweise auf solche Mengenausgleiche sind auf den Verpackungen ersichtlich. Damit man sich sicher sein kann, dass das gekaufte Produkt tatsächlich fair ist, sollte man sich also über die Siegel-Zertifizierung informieren und auf die Verpackungen achten. Das ist recht mühselig und beim täglichen Einkauf kaum zu leisten. Es gibt aber bereits jetzt digitale Tools, die beim fairen Einkauf helfen.
Smarte Tools und Technologien sorgen für mehr Transparenz

Das Startup Provenance möchte einen Blockchain-Mechanismus etablieren, der es Produzenten und Händlern ermöglicht, gemeinsam die Lieferkette transparent und eindeutig zu dokumentieren. Im Provenance-System können Produzenten, Zertifizierer, weiterverarbeitende Unternehmen und schließlich der Handel ihre Vorgänge protokollieren. Dadurch können einzelne Schritte der Lieferkette für jedes Produkt und seine Bestandteile nachvollzogen werden. Auch das Startup Bext360 nutzt die Blockchain-Technologie, um Kaffee-Lieferketten transparenter zu gestalten und das Einkommen und damit den Lebensstandard der Kaffeebauern zu verbessern. Viele weitere grüne Apps, wie z. B. der NABU Siegel-Check ermöglichen mehr Transparenz beim Einkaufen.
Noch mehr Tipps zum nachhaltigen und fairen Konsum findest du in unserem Handeln-Artikel Fair kaufen.
Autorin: Indra Jungblut (2012), zuletzt aktualisiert im Februar 2019 (Sheena Stolz/ RESET-Redaktion)