Was ist Civic Tech?

In digitalen Technologien steckt die Chance, dass sich mehr Menschen an Forschung und Politik beteiligen, Umweltdaten erheben und Klimaschutzmaßnahmen einfordern. Genau darum geht es bei Civic Tech.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 09.09.21

Übersetzung Mark Newton:

Civic Tech, oder auch Civic Technology, lässt sich vielleicht am besten übersetzen mit „digitalem bürgerschaftlichem Engagement“. Gemeint sind damit digitale Anwendungen – Apps, Webseiten, Plattformen u.a. –, überdie sich Bürger*innen und Zivilgesellschaft an Forschung und Politik beteiligen. Die digitalen Tools können dabei einen besseren Zugang zu Informationen schaffen und die Kommunikation und Vernetzung zwischen Bürger*innen, Organisationen, Communities, Unternehmen, Politik und Verwaltung erleichtern. Dadurch soll mehr Menschen die Teilhabe an politischen Prozessen ermöglicht werden. Gleichzeitig soll durch mehr Transparenz staatliches Handeln unmittelbar verfolgt und die Rechenschaftspflicht verstärkt werden.

Ein klassisches Beispiel ist Frag den Staat, eine Plattform, auf der jede*r Anfragen nach den deutschen Informationsgesetzen stellen kann und die dann direkt an das zuständige Amt weitergeleitet und transparent dokumentiert werden. Oder die Webseite Offener Haushalt. Hier können Bürger*innen den Haushalt von Bund, Ländern und Kommunen einsehen, die Daten werden von Ehrenamtlichen zusammengetragen. Auch wenn sich die Definitionen im Einzelnen leicht unterscheiden, geht es bei Civiv Tech also im Kern immer darum, Bürger*innen durch den Einsatz von Technologien in irgendeiner Form zu ermächtigen.

Civic Tech im Umwelt- und Klimaschutz

Die Bandbreite der Civic-Tech-Anwendungen ist groß. Das zeigt auch der Civic Tech Field Guide, eine globale Sammlung von Civic-Tech-Tools und -Projekten. Auch wenn es in den meisten Projekten darum geht, mehr Transparenz in politische Entscheidungen und Prozesse zu bringen, so lässt sich Civic Tech vermehrt auch im Umwelt- und Klimaschutz finden. Stadtbewohner*innen installieren Sensoren auf ihren Balkonen und erfahren damit nicht nur, welche Schadstoffe sie mit der Luft an ihrem Wohnort einatmen, sondern erstellen auch Karten über die Luftqualität in ihrer Stadt. Über Apps geben Bürger*innen der Stadt Rückmeldungen über den Zustand der Radwege oder machen Unternehmen auf unnötige Plastikverpackungen aufmerksam. Freiwillige erfassen als Citizen Scientists auf Satellitenbildern Tierbestände oder machen Methanemissionen und illegale Rodungen ausfindig und schaffen so eine wichtige Datenbasis für Politik und Zivilgesellschaft, um wirksame Maßnahmen einzufordern.

Die genannten Beispiele zeigen aber noch zwei weitere Charakteristika von Civic Tech: Meistens stecken dahinter ehrenamtliche Entwickler*innen, Designer*innen und andere Daten-Enthusiast*innen. Und die Anwendungen werden auf Basis offener Verwaltungsdaten wie Finanz- und Umweltdaten, Daten zu Bildungseinrichtungen und statistische Daten entwickeln. Zudem stehen viele der Tools im Sinne des Open-Source-Ansatzes der Öffentlichkeit frei zur Verfügung. Damit können sie nicht nur frei genutzt, sondern auch permanent weiterentwickelt und angepasst werden.

Und was ist Public Interest Tech?

Bleibt noch ein weiterer Begriff zu klären, der oft in gleichem Atemzug mit Civic Tech genannt wird: Public Interest Tech. Patricia Leu, die beim Prototype Fund Kommunikation und Content-Strategie verantwortet, sagt dazu: „Public Interest Tech bedeutet den Einsatz von Technologie zum Wohl der Gesellschaft – und das kann von einem Tool für Bürger*innenbeteiligung bis zu einer dezentralen Kommunikationsinfrastruktur ganz Unterschiedliches sein. Wichtig ist, dass Public Interest Tech im Interesse der Nutzer*innen ist und nutzerzentriert sowie losgelöst von Marktkräften entwickelt wird.“

Public Interest Tech ist also ein Konzept, das auch Civic-Tech-Anwendungen miteinbezieht. Allerdings erweitert der Begriff den Fokus. Statt „nur“ die Interaktionen zwischen Bürger*innen und Staat oder Forschung zu ermöglichen und zu erleichtern, werden unter diesem Begriff Community-Technologien und Infrastrukturen zusammengefasst, die zusätzlich ethische, rechtliche, politische und gesellschaftliche Herausforderungen des technologischen Wandels miteinbeziehen. Technologien des öffentlichen Interesses stellen also Fragen wie: Wie können digitale Werkzeuge die Ernährungsunsicherheit bekämpfen? Wie können sich Gemeinschaften über virtuelle Netzwerke zusammenschließen, um Umweltprobleme gemeinsam anzugehen?

Mit digitalem bürgerschaftlichen Engagement ökologische Herausforderungen angehen

In unserem RESET-Dossier „Civic Tech – Wege aus der Klimakrise mit bürgerschaftlichem Engagement 4.0“ stellen wir Projekte aus dem Bereich Civic Tech und Public Interest Tech vor, die das Engagement und die Beteiligung von Bürger*innen am Umwelt- und Klimaschutz ermöglichen und fördern. Und wir unterhalten uns mit Menschen, die die Entwicklungen im Bereich Civic Tech verfolgen und loten gemeinsam mit ihnen die Chancen und Herausforderungen des digitalen bürgerschaftlichen Engagements aus.

Der Artikel ist Teil des Dosssiers „Civic Tech – Wege aus der Klimakrise mit digitalem bürgerschaftlichen Engagement“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier Civic Tech

Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen. Mehr Informationen hier.

Das Projekt Map Kibera bringt die Slums von Nairobi auf die Landkarte

Von unbeschrifteten Gassen bis hin zu wichtigen Wasserstellen, im Projekt Map Kibera erstellen die Bewohner:innen von Kibera ihre eigene digitale Karte. Damit bringen sie ihre Gemeinde auf die Landkarte der Stadt – und der Welt.

So kontert „The Engine Room“ Fake News in Lateinamerika

Inmitten der Echokammern der sozialen Medien ist es schwieriger denn je, Zugang zu korrekten und hochwertigen Informationen zu erhalten. The Engine Room begegnet Fake News mit der Förderung gesünderer Informationsökosysteme.

„The Good, the Bad and the Ugly“: Wie soziale Medien das Leben indigener Jugendlicher prägen

Soziale Medien können soziale Vorteile mit sich bringen. Bei jungen, indigenen Menschen können sie aber auch Wunden vertiefen.

Zum Ende von Windows 10: „End of 10“ gibt deinem alten PC ein neues Leben

Wenn im Oktober der Support für Windows 10 ausläuft, muss das nicht das Ende deines Computers sein. Die Kampagne „End of 10“ zeigt, wie du ihn mit einem neuen Betriebssystem schnell, sicher und umweltfreundlich weiter nutzt.

Logo Civic Data Lab
©
Das Civic Data Lab hilft NGOs beim Datenmanagement

Das Civic Data Lab zeigt Organisationen, wie sie Daten für gute Zwecke nutzen können.

Datenspenden: Wie unsere digitalen Spuren der Gesellschaft zu Gute kommen

Warum müssen es nur Tech-Oligarchen sein, die von Nutzerdaten profitieren? Datenspenden könnten die Macht in die Hände derer legen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen. Das Data Donation Lab hat dazu eine Open-Source-Anwendung entwickelt.

© Screenshot umwelt.info
umwelt.info bündelt frei verfügbare Umweltdaten an einem Ort

Was für Daten stehen zur Luftqualität in deutschen Städten zur Verfügung? Welche Studien gibt es zu Kunststoffen und deren Recycling? Das Portal umwelt.info will sämtliche offenen Daten und Informationen zu Umwelt- und Naturschutzthemen leicht zugänglich machen.

Gemeinsam gegen das Datenmonopol: Wie CorrelAid die Verfügbarkeit von Daten demokratisieren will

Effektiver Klimaschutz braucht zuverlässige Daten! Allerdings ist es aufwändig und kostspielig, qualitativ hochwertige Daten zu erheben und sinnvoll auszuwerten. Der Verein CorrelAid möchte NGOs und Vereinen dabei helfen.