Von Pusteblumen inspirierte Sensoren könnten Umweltmonitoring erleichtern

Bei der Erhebung von Umweltdaten sind oft viele Messpunkte gefragt, doch Sensoren einzurichten kann teuer und aufwändig sein. Eine neue Lösung ist von der Pusteblume inspiriert.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 06.04.22

In der Klima- und Naturschutzforschung, aber auch in der zunehmend digitalisierten Landwirtschaft wird die Fernerkundung mithilfe von Sensoren und Satelliten immer wichtiger. Die Vorteile liegen auf der Hand, denn die in Wäldern, Meeren und auf Feldern platzierten, hochentwickelten Sensoren liefern jede Menge wichtiger Informationen, ohne dass jemand ständig vor Ort sein muss.

Doch obwohl Sensoren den logistischen Aufwand in der Datenerhebung erheblich verringern können, installieren sie sich nicht von allein. Die Standorte für die Sensoren müssen ausgewählt und die Geräte installiert werden. Einige erfordern sperrige Technik, wie zum Beispiel große Batterien. Damit begrenzen Arbeitskräfte und Kosten die Anzahl der Sensoren, die tatsächlich eingesetzt werden können.

Um schnell und unkompliziert ganze Netzwerke aus Sensoren aufbauen zu können, hat ein Forschungsteam an der Universität Washington jedoch kürzlich neue Methoden erforscht – und ist dabei auf eine besondere Fähigkeiten der Pusteblume gestoßen.

Was wir gemeinhin Pusteblume nennen, ist genaugenommen Löwenzahn im Fortpflanzungsmodus. Mithilfe der haarigen Flugschirme, die mit dem Wind durch die Luft getragen werden, kann die Pflanze ihre Samen über relativ große Entfernungen verbreiten. Durch die Nachahmung genau dieser Flugschirme („Pappus“) eines Löwenzahnsamens hat das Team Umweltsensoren entwickelt, die über ein weites Gebiet in den Wind gestreut werden können.

Die kleinen Sensoren sind etwa 30-mal schwerer als die nur ein 1 Milligramm schweren Samen der Pusteblume, weshalb sein „Pappus“ größer und steifer sein muss. Dennoch können die Sensoren selbst bei einer leichten Brise eine beeindruckende Strecke zurücklegen. Tests auf dem Universitätscampus haben gezeigt, dass die Löwenzahnsensoren bis zu 100 Meter von ihrem Auslösepunkt entfernt schweben können. Und einmal auf dem Boden, kann das Gerät, das bis zu vier einzelne Sensoren aufnehmen kann, Informationen aus einem Umkreis von 60 Metern sammeln. Um schnell ein Sensornetz über Flächen von der Größe eines Fußballfeldes aufzubauen, könnten diese Sensoren zum Beispiel von einer Drohne aus freigesetzt werden.

„Wir zeigen, dass man mit handelsüblichen Komponenten winzige Dinge bauen kann. Unser Prototyp deutet darauf hin, dass man eine Drohne verwenden könnte, um Tausende dieser Geräte bei einem einzigen Flug freizusetzen. Sie werden alle ein wenig anders vom Wind getragen, und im Grunde kann man so unmittelbar ein Netzwerk von 1.000 Geräten schaffen. Das ist erstaunlich und wird den Einsatz von Sensoren grundlegend verändern, denn im Moment kann es Monate dauern, so viele Sensoren manuell auszubringen“, sagt der Hauptautor der Studie, Shyam Gollakota, UW-Professor an der Paul G. Allen School of Computer Science & Engineering.

Sensoren im Wind

Um das Gewicht der kleinen Flugkörper gering zu halten, experimentierte das Team mit über 75 verschiedenen Designs. Außerdem benötigen die Sensoren keine Batterien, sondern werden durch kleine, leichtere Solarpaneele betrieben. Der Ansatz bringt jedoch einige zusätzliche Herausforderungen mit sich. Das Paneel muss richtig herum aufgestellt werden, um das Gerät aufzuladen, und die Sensoren können nachts nicht funktionieren. Den Forschenden ist es jedoch gelungen, die Sensoren so zu konstruieren, dass sie sich in die richtige Richtung drehen, zumindest in 95 Prozent aller Fälle.

Eine fehlende Batterie bedeutet auch, dass die Sensoren mehr Energie benötigen, um am Morgen zu starten. Um dieses Problem teilweise zu lösen, enthalten die Sensoren einen Kondensator, der über Nacht eine kleine Ladung Energie speichern kann.

Sobald die Sensoren gelandet und aufgeladen sind, sammeln sie Informationen über Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Druck und Licht, die dann drahtlos an die Forschenden zurückgesendet werden (Backscatter). Das Design muss jedoch noch verfeinert werden. Derzeit prüft das Team auch, wie die Form der einzelnen Sensoren verändert werden kann, um eine größere Variation der Laufstrecke und des Musters zu erreichen, so dass die Sensoren weiter verstreut sein werden. Auch hier hat sich das Team direkt von der Natur inspirieren lassen. „Wir ahmen die Biologie nach, in der Variation eher eine Eigenschaft als ein Fehler ist. Pflanzen können nicht garantieren, dass der Ort, an dem sie in diesem Jahr aufgewachsen sind, auch im nächsten Jahr gut sein wird, also haben sie einige Samen, die weiter weg wandern können, um sich abzusichern“, erklärt Mitautor Thomas Daniel, UW-Professor für Biologie.

Irgendwann könnte es sogar möglich sein, Sensoren zu entwickeln, die sich nach dem Auftreffen auf dem Boden bewegen, so dass sie sich bestimmten Bereichen, die von Interesse sind, noch weiter nähern können.

Dieser Ansatz hat jedoch auch einige Nachteile. Bei einer so großen Anzahl von Sensoren, die über ein großes Gebiet verteilt sind, wird es fast unmöglich sein, sie alle wieder einzusammeln – und sie enden als Müll in unseren Ökosystemen. Daher arbeitet das Team daran, biologisch abbaubare Sensoren zu entwickeln.

In den letzten Jahren haben Sensoren eine immer wichtigere Rolle in der wissenschaftlichen Forschung und insbesondere der Umweltforschung eingenommen. Ihr Nutzen ist jedoch nicht auf Universitäten und andere Forschungseinrichtungen beschränkt. Die sinkenden Kosten für Sensorkomponenten haben auch dazu geführt, dass sie in immer mehr Citizen-Science-Projekten eingesetzt werden, bei denen Bürger*innen Sensoren in Gärten, auf Balkonen und an Hauswänden installieren.

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