Mexiko-Stadt ist mit über 21 Millionen Einwohnern eine der am dichtesten besiedelten Städte dieser Welt. Außerdem ist sie eine der am meisten mit Autos verstopften Städte: Ein täglich mit dem Auto pendelnder Mensch steckt hier bis zu 230 Stunden im Jahr in den diversen Staus fest. Glücklicherweise ist ein Projekt für vertikale Gärten in Entwicklung, das die Zeit im Stau zumindest ein bisschen angenehmer machen soll – und vor allem gesünder.
Das in Mexiko ansässige Projekt heißt „Via Verde“ und zielt darauf ab, die grauen Betonpfeiler von Mexikos Doppeldecker-Autobahnen in einen grünen und lebendigen Vegetationstunnel zu verwandeln. Das Projekt entstammt der Idee des Architekten Fernand Ortiz, der es mit seiner auf vertikale Gärten spezialisierten Firma „Vertical Green“ ins Leben gerufen hat. Vertical Green hat bereits damit begonnen, die über eintausend Autobahntrassen der Stadt mit sechstausend Quadratmetern vertikaler Gärten und Pflanzen zu bedecken.
Zur Vorgeschichte: Zwischen 2006 und 2009 wurde der ikonische Autobahnring Anillo Periférico von Mexiko Stadt mit dem Viaducto Elevado Bicentenario stark erweitert. Der Autobahn wurde dabei eine zweite Ebene hinzugefügt, die sich nun zu großen Teilen über der ursprünglichen Autobahn erstreckt.
Diese von faden Betonsäulen gesäumte Doppeldecker-Autobahn verärgerte die mexikanischen Autofahrer so sehr, dass Via Verde in kurzer Zeit 80.000 Unterschriften für die Umsetzung des vertikalen Gartenprojekts sammeln konnte – und damit auch die Unterstützung der Lokalverwaltung in der Tasche hatte. Nach dem Erfolg der Petition begann Vertical Green im Jahr 2016 mit der Realisierung der vertikalen Gärten, die auch den Einbau von Spalieren sowie Sensor- und Bewässerungssystemen beinhalten.
Die Erschaffung eines echten Großstadt-Dschungels
Die Gärten von Verde Verde basieren auf einem automatischen, überwachten und ferngesteuerten „Mikrospritzsystem“, dass die Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Bei dem Gießwasser handelt es sich um aufgefangenes und behandeltes Regenwasser, damit für das Gartensystem kein kostbares Trinkwasser verschwendet werden muss. Die ausgewählten Pflanzen gehören robusten Arten an, die trotz der stressvollen Umgebung gut gedeihen können und zudem gute Luftreinigungsqualitäten aufweisen.
Das Projekt schreibt sich auf die Fahne, eine lange Liste von positiven Effekten nach sich zu ziehen, deren Nutzen über den ökologischen hinaus reichen würde. Genauer gesagt behauptet Via Verde, dass ihre vertikalen Gärten am Anillo Periférico 27.000 Tonnen giftige Abgase filtern, die thermische und urbane Aufheizung durch den Verkehr reduzieren und sauerstoffreichere Luft für 25.000 Menschen produzieren würden. Darüber hinaus würden die vertikalen Gärten langfristig dazu beitragen, Umweltverschmutzung und Stress zu reduzieren sowie durch Bau und Instandhaltung lokale Arbeitsplätze schaffen.
Mexico City ist weder die erste, noch die einzige Stadt, die den Vorteil von vertikalen Grünflächen für sich entdeckt hat. Viele andere Städte haben das Konzept ebenfalls untersucht und die vertikale Begrünung von eng besiedelten Großstädten gehört bereits fest zu einem sich immer klarer ausformulierenden Konzept der „intelligenten Stadt“. Städte wie London, Sao Paulo und Beirut setzen ebenfalls auf vertikale Gärten, in China ist sogar eine ganze „Waldstadt“ in Planung.
Doch trotz der vielen offensichtlichen Vorteile und des weltweiten Beifalls für das Konzept ist das mexikanische Via Verde nicht ohne Kritik. Bereits direkt nach seiner Bau-Ankündigung im Jahr 2016 regte das Projekt einige Debatten an, insbesondere im Hinblick auf sein Preis-Leistungs-Verhältnis. Obwohl das Kapital für das Projekt privat generiert wurde, merkten Kritiker an, dass für das Geld eines vertikalen Gartens 300 Bäume gepflanzt werden könnten. Und das wäre notwendig, denn zur freizeitlichen Nutzung und zur Erholung bräuchten die Menschen Grünflächen, in denen sie sich auch aufhalten können – nicht welche, die sie lediglich aus dem Autofenster heraus anschauen. Darüber hinaus kritisierten sie, dass Vertical Green mit seinem Projekt nichts zur Lösung des eigentlichen Problems beitrage – nämlich der übermäßige Nutzung von Autos. Denn würden mehr Menschen auf das Auto verzichten und auf alternative Verkehrsmittel umsteigen, würde sich das Problem von Staus und der Umweltbelastung durch die entstehenden Abgase eigentlich ganz von alleine lösen.
Dieser Artikel erschien im Original auf unserer englischsprachigen Seite und ist eine Übersetzung von Laura Wagener.