Der Einfluss der Fleischindustrie auf unser Klima ist riesig. Die gesamte Herstellungskette mit Futtermittelanbau und -transport, Emissionen bei der Tierzucht sowie der Schlachtung und Verarbeitung des Fleisches ist für mehr als 50 Prozent der landwirtschaftlich bedingten Klimaerwärmung verantwortlich. Eine Studie in der Fachzeitschrift „nature food“ hat kürzlich gezeigt, dass durch den Verzicht auf tierische Produkte wie Fleisch und Milch die landwirtschaftlichen Klimaemissionen um bis zu 80 Prozent gesenkt werden könnten. Doch für eine ausgewogene Ernährung benötigen wir auch Eiweiß. Klimabewusste Konsument*innen greifen daher immer häufiger zu Fleischersatzprodukten.
Die Theken der Lebensmittelläden sind voll von einer großen Bandbreite dieser Ersatzprodukte. Inzwischen hat wohl jeder – egal ob überzeugter Veganerin oder leidenschaftlicher Fleischesserin – zumindest einmal eins der Produkte auf Basis pflanzlichem Eiweißes gekostet. Beim Geschmack scheiden sich die Geister. Manche Veganer*innen finden ihn bei einigen Produkten fast schon zu fleischähnlich, anderen Fleischkonsument*innen weicht der Geschmack immer noch viel zu stark vom Original ab.
Was steckt drin?
Doch abgesehen vom Geschmack lohnt sich in jedem Fall ein genauerer Blick auf die Zutatenliste. Das verarbeitete Protein stammt meist aus Hülsenfrüchten wie Soja, Erbsen oder Kichererbsen – allesamt reich an wertvollen Aminosäuren, den Bausteinen für Proteine. Daraus alleine lassen sich jedoch noch keine Fleisch- und Wurstwaren nachahmen. Ähnlich zum Original weist die Nährwerttabelle der pflanzlichen Alternativen viel Fett, hier durch pflanzliche Öle, und Salz auf. Hinzu kommen oft viele zum Teil fragwürdige Zusatzstoffe, um die richtige Konsistenz und den fleischähnlichen Geschmack zu schaffen.
Vergleicht man also alleine die Nährwerttabellen, scheinen die vermeintlich gesünderen Alternativen nicht unbedingt besser zu sein. Allerdings unterscheiden sich die Produkte auch alle etwas voneinander und ein Check der Rückseite mit Zutatenliste und Nährwerttabelle ist damit lohnenswert.
Woher stammt das Soja?
Ein sehr häufig verwendetes veganes Protein für die Ersatzprodukte wird aus der Sojapflanze gewonnen. Diese Hülsenfrucht enthält alle für uns Menschen essentiellen – also aus der Nahrung benötigte – Aminosäuren und zahlreiche andere Nährstoffe, was sie für uns so wertvoll macht.
Der Anbau hat in den letzten Jahren jedoch zunehmend für Schlagzeilen gesorgt, denn auch die Fleischindustrie hat die Sojabohne als effektives Tierfutter entdeckt. Die allgemein steigende Nachfrage nach Soja hat dazu geführt, dass in Südamerika riesige Regenwaldflächen gerodet werden. Anstelle der für die Pflanzen- und Tierwelt wichtigen Urwälder mit fein vernetztem Ökosystem treten dort Sojamonokulturen mit hohem Pestizideinsatz ohne großen Mehrwert für die Flora und Fauna. Auch die Rolle des Pharmariesen Bayer in Bezug auf Abhängigkeiten für teures gentechnisch verändertes Sojasaatgut und der Bereitstellung von starken Pestiziden ist in diesem Zusammenhang umstritten.
Bei Fleischersatzprodukten stammt das hierfür verwendete Soja jedoch fast immer aus Europa. Wer sichergehen möchte kann explizit auf Ersatzprodukte mit Sojaprotein aus heimischem Anbau achten.
Chaotische Fettfasern – Fleischersatzprodukte aus dem 3D-Drucker
Zunehmend spielen bei der Entwicklung von nachhaltigen Fleischalternativen auch neue, innovative Verfahren eine Rolle. Die Konsistenz der derzeitigen Ersatzprodukte ist meist recht einheitlich. Daher sind es hauptsächlich Produkte aus zerkleinertem Fleisch wie Bouletten und Würstchen, die nachgeahmt werden. Komplexe Fleischmarmorierung künstlich zu erzeugen, ist bedeutend schwerer. „Man muss etwas nachbilden, das keinerlei Regelmäßigkeit aufweist“, erklärt der Materialwissenschaftler Martin Hofmann von der ETH Zürich. Der Forscher beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Verfahrens zur Produktion von pflanzlichen Alternativen für hochwertiges Fleisch wie Steaks.
Steaks stehen für ein zartes Mundgefühl, einen saftigen Geschmack und ihren rosa Farbton. Zwei Dinge machen den Biss in so ein Steak einzigartig: Die faserige Struktur und die besondere Verteilung des Fettgewebes – die Marmorierung. „Die Natur hat sich bei der Entwicklung eines Rindermuskels sehr viel Zeit gelassen. Das nachzubauen erfordert eine ganze Menge Forschung“, so Hofmann.
Nur wenn man es schafft, die Proteinstruktur von Fleisch auf biochemischer Ebene nachzubilden, wird sich auch die vegane Alternative im Mund wie Fleisch anfühlen. Hauptbestandteil des pflanzlichen Steaks ist ein Erbsenprotein, dessen Struktur im Labor dem tierischen Vorbild angepasst wird. Um die faserige Struktur von Fleisch zu imitieren, wird die Proteinmasse unter Druck in einen speziell entwickelten Aufsatz gepresst und mit Karotten-, Erbsen- und Weizenfasern sowie etwas Wasser und Öl angereichert.
Bei dieser Alternative besteht das für Steaks charakteristische Fettgewebe aus einer einfachen Wasser-Öl-Emulsion. Das sogenannte „Adjective Processing“ stellt somit ein besonderes 3D-Druckverfahren dar, bei dem die Proteinmasse und das Fett kontinuierlich in einen Aufsatz gepresst und dabei vermischt werden. Zwei Komponenten bilden dafür den Schlüssel zum Erfolg: Die Hardware aus zwei Extrusionsdüsen für das Erbsenprotein sowie für das Fett und eine von Hofmann programmierte Software, die steuert, wie die beiden Stoffe vermischt werden.
Da sich der Fettgehalt der Emulsion stark reduzieren lässt, ist das pflanzliche Steak nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch gesünder als das tierische Original und viele der konventionellen Fleischersatzprodukte.
Der goldene Mittelweg
Ohne Frage muss der Fleischkonsum zukünftig zurückgehen – das dient sowohl dem Tierwohl als auch dem Klimaschutz. Neben den Klimaemissionen ist auch die Fläche zum Anbau von Futtermitteln für die konventionelle Fleischindustrie mit rund 60 Prozent der gesamten Agrarfläche in Deutschland enorm. Das sind etwa zehn Millionen Hektar Fläche. Warum sollte man diese Fläche nicht besser für den heimischen Anbau von Soja, Erbsen und Kichererbsen nutzen?
Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: Einerseits ist sie stark von den Auswirkungen des Klimawandels und des Arten- und Biodiversitätsverlust betroffen. Andererseits trägt die Landwirtschaft selbst zu den Problemen bei.
Wie können digitale Lösungen auf Feldern und Höfen dabei helfen, Arten, Böden und Klima zu schützen?
Wir stellen Lösungen für eine digital-ökologische Transformation vor. Mehr erfahren.
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Pflanzliche Fleischersatzprodukte können eine sinnvolle Alternative zur Deckung unseres Proteinbedarfs über die Nahrung darstellen. Lösungen wie das vegane Steak aus dem 3D-Drucker mit perfekter Fettmarmorierung werden in Zukunft wohl jede*n noch so leidenschaftliche*n Fleischesser*in geschmacklich überzeugen. Trotzdem gilt es auch bei den Fleischersatzprodukten etwas näher hinzuschauen und einen vernünftigen Konsum zu finden. Es muss nicht jeden Tag eine vegane Boulette oder ein veganes Schnitzel sein. Proteinreiche Hülsenfrüchte lassen sich auch in weniger stark verarbeiteter Form einfach in den Speiseplan integrieren und behalten so meist mehr wertvolle Nährstoffe und Vitamine.
Natürlich spricht aber nichts dagegen, sich ab und zu mal ein pflanzliches Steak in die Pfanne zu hauen. Genau wie bei normalem Fleisch gilt auch bei den veganen Alternativen: Ein maßvoller und bewusster Konsum ist der goldene Mittelweg.
Dieser Artikel gehört zum Dossier „Agrarwende – Die nachhaltige Landwirtschaft von morgen“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.