Ist das Smartphone das neue Tool in der Landwirtschaft? Vermag es mehr zu leisten als teure Maschinen, Pestizide und Herbizide auf dem Weg zu mehr Effizienz und Nachhaltigkeit? Die Digitalisierung hat Einzug gefunden in die Agrarwelt – sie nimmt sogar ordentlich Fahrt auf. Doch welche Dimensionen kann sie tatsächlich abdecken und welche unweigerlichen Risiken ergeben sich daraus? Um sich den Antworten auf diese Fragen zu nähern, war RESET beim GFFA ebenfalls vor Ort.
Digitalisierung schafft zunächst ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse von Landwirten und zwar anhand von Big Data. Je genauer die Probleme eines Agrarproduzenten bekannt sind, desto zielgerichteter fallen auch die Lösungen aus. Landwirtschaftliche Produktion kann damit ertragreicher werden, aber auch Aspekte wie Klimawandelanpassung und -eindämmung haben hier eine echte Chance, berücksichtigt zu werden. Hoffnungen in puncto nachhaltigere Landwirtschaft macht zum Beispiel das EU-finanzierte, auf IoT-Techologien ausgerichtete Projekt Internet of Food & Farm 2020. Digitale Landwirtschaft verbindet außerdem Farmer weltweit. So hält z.B. die globale Plattform Gaipa Informationen zum Anbau und zur Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln über eine App bereit. Diese hilft Landwirten dabei, voneinander zu lernen und durch den Zusammenschluss gleichzeitig eine Art „Empowerment“ zu erfahren. Und wem es in peripheren Agrarräumen tatsächlich an Mitarbeitern mangelt, so der Landwirt Andreas Dörr, dem können digitale Lösungen dabei helfen, die eigene Work-Life-Balance aufrecht zu erhalten. Gerade bei jungen Menschen erhofften sich viele der Sprecher auf dem GFFA außerdem, dass neue Technologien Anreize dafür bieten, überhaupt in die Landwirtschaft zu gehen.
Neue Wege für die Agrarwirtschaft
Die Kehrseiten digitalisierter Landwirtschaft
Und doch gibt es bezüglich der Digitalisierung in der Landwirtschaft noch große Baustellen. Landwirten wie Sarah Crofoot, einer aus Neuseeland angereisten jungen Farmerin, ist es ein Anliegen, dass gesammelte Daten ihr Eigentum und unter ihrer Kontrolle bleiben. Sie sollten jederzeit löschbar sein, nicht für andere Zwecke genutzt werden können, keinen Einfluss auf die Preisbildung haben oder gar zur Ausschüttung personalisierter Werbung führen. Die Generierung von Massendaten ist häufig notwendig, besonders, wenn künstlichen Intelligenz eingesetzt wird, sollte jedoch anonymisiert erfolgen. Außerdem nutzen Landwirte oft verschiedene Anwendungen. Günstig wäre es laut Crofoot, wenn die unterschiedlichen Systeme miteinander kommunizieren, damit Infos nicht mehrfach eingetragen werden müssen.
Andrew Mushita, Projektleiter der Welthungerhilfe in Simbabwe, macht darauf aufmerksam, dass Kleinbauern im globalen Süden andere digitale Lösungen benötigen als Großbetriebe in Europa. Dort sind beispielsweise schlichte Informationen zu Wetterbedingungen und klimasmarten Anbausorten relevant oder auch Möglichkeiten für einen verbesserten Marktzugang. Hierzulande mag dagegen der präzisierte Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie Gerätschaften im Vordergrund stehen. Allerdings darf bei all der Ertragsoptimierung die Nachhaltigkeit nicht auf der Strecke bleiben.
Auch die häufig schlechte Internetverbindung auf dem Land muss in diesem Kontext erwähnt werden – ein Problem, das auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede auf dem GFFA nannte. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob digitale Technologien den Landwirt letztlich abhängiger machen, ihm ein Stück Autonomie rauben.

Wie kann eine nachhaltige digitale Landwirtschaft gelingen?
Wünschenswert wäre laut Mushita, dass Landwirte Innovationen selbst vorantreiben und ihre Interessen auf diese Weise im Mittelpunkt stehen. Die Initiative The Climakers macht es vor: Die Farmerbewegung möchte ihre eigenen Lösungen in Bezug auf den Klimawandel in die Politik einbringen. Wichtig für eine erfolgreiche Digitalisierung ist der Zugang – digitale Lösungen müssen einfach sein. Kapazitätsaufbau, beispielsweise durch Trainings, sei dabei von großer Bedeutung, vor allem in Bezug auf Datensicherheit, sagt Michael Hailu, Direktor des Technical Centre for Agricultural and Rural Cooperation (CTA). Nicht zuletzt spielt hier die nationale Landwirtschaftspolitik eine zentrale Rolle. Trotz der bestehenden Herausforderungen geht von der Digitalisierung ein gewaltiges Potenzial aus – zumindest verheißen das die Gespräche auf dem GFFA und auch die vielen Innovationen, von denen RESET bereits berichtet hat. Darunter befinden sich beispielsweise das Forschungsprojekt des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, das Bodenschäden über KI frühzeitig erkennt, die App AfriScout, mit der Hirten in Ostafrika Weideland finden können oder auch AeroFarms, wo Indoor-Salat unter dem Stichwort Digital Farming angebaut wird.