Umweltproblem Mobiltelefon

Die Verlockung ist groß, sich regelmäßig das neueste Mobiltelefon zu besorgen, weil es noch ein paar mehr Funktionen hat oder einfach die Optik gefällt. Welche Probleme bringt das mit sich?

Autor*in Frank Wichert, 15.01.24

Übersetzung Alex Mitchell:

Wer macht sich bei einem Neukauf schon Gedanken darüber, aus welchen Bestandteilen sich das Gerät zusammensetzt und welche ökologischen und sozialen Probleme durch jeden Kauf verursacht werden?!

Rund 67,6 Millionen Menschen in Deutschland nutzten laut Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. im Jahr 2023 ein Smartphone.

Doch nicht nur in Europa besitzt die Mehrzahl der Menschen mittlerweile ein Mobiltelefon, sondern die mobilen Kommunikationgeräte sind auch in Gegenden angekommen, in die nicht mal ein Stromkabel reicht. Weltweit nutzen rund 4,7 Milliarden Menschen ein Smarthone.

Doch während Handys gerade in entlegenen Gegenden gute Dienste leisten, indem sie zum Beispiel Zugang zu Bildung, wichtigen Informationen oder medizinischen Services ermöglichen, hat vor allem unser schneller Konsum an Mobiltelefonen weitreichende Folgen für Mensch, Tier und Natur.

Coltan-Abbau und die Folgen für Mensch und Natur

In jedem Handy steckt eine Vielzahl an Metallen und seltenen Erden wie zum Beispiel Tantal, Gold, Palladium, Silber, Kobalt und Kupfer. Auf 1000 Handys hochgerechnet haben die Rohstoffe einen nicht unerheblichen Wert: Bei Tantal sind das 912 Euro, bei Gold 758, 147 Euro Palladium, 122 Euro Silber, 90 Euro Kobalt und 47 Euro Kupfer. Problematisch daran ist vor allem, dass bei der Gewinnung der Rohstoffe in den seltensten Fällen Umweltstandards und Arbeiterrechte berücksichtigt werden.

Das Beispiel Tantal macht dies deutlich: Für die Produktion von Mobiltelefonen wird unter anderem das seltene Metall Tantal verwendet, da es sich zur Herstellung leistungsfähiger Kondensatoren bestens eignet. Die Funktion dieser Bauteile besteht in der Speicherung elektrischer Ladungen. Gewonnen werden kann Tantal aus dem Erz Coltan, welches zu einem erheblichen Teil in Zentralafrika, insbesondere in der Demokratischen Republik Kongo (DRC), abgebaut wird. Die Hälfte des weltweit geförderten Coltans stammt aus dem Kongo und seinen Nachbarstaaten. Das Erz aus dem Kongo ist vergleichweise günstig zu haben: die Kosten des Abbaus im Kongo liegen bei rund 20 Dollar pro Tonne, in Australien, Kanada oder den USA sind sie fünfmal so hoch.

Die starke Nachfrage nach diesem Rohstoff ist eine der entscheidenden Ursachen für den Kongokonflikt, der auch nach dem offiziellen Kriegsende 2008 in der Region Kivu weitergeführt wird. Die Geldmittel aus dem Bergbau finanzieren die Kombattanten und deren Waffen und begünstigen so die Fortführung der kriegerischen Auseinandersetzungen, die bereits mehr als 5 Millionen Opfer gefordert haben. Zu den Kriegsfolgen kommen die inhumanen Arbeitsbedingungen, mit denen die Minenarbeiter*innen nicht nur im Kongo konfrontiert sind: Der überwiegende Anteil der mineralischen Rohstoffe stammt aus Abbausstellen, in denen die Förderung durch bloße Handarbeit erfolgt. Der Mineralstaub belastet die Lungen der Arbeiter*innen dabei erheblich und unzureichende Absicherungen der Minen haben immer wieder Erdrutsche mit teils tödlichem Ausgang zur Folge. Kinder sind bei diesen Bedingungen ebenfalls tätig und versuchen so, ihre Familien mit zu versorgen.

Durch den stark ausgeweiteten und kaum kontrollierten Bergbau in der Demokratischen Republik Kongo während des Coltan-Booms um das Jahr 2000 hat auch die Umwelt in der Region gelitten. Etliche Minen liegen im Kahuzi-Biega-Nationalpark, in dem einige der letzten Gorillas beheimatet sind. Deren Lebensraum wurde durch Abholzung für neue Abbaustätten schrittweise weiter zerstört.

Aktuelle Entwicklung

Nachdem die Problematik im Kongo maßgeblich durch die Vereinten Nationen öffentlich gemacht wurde, hat sich der Handel teilweise auf andere Förderländer verschoben. Doch distanzieren sich weltweit nicht alle Firmen, die Coltan nachfragen, von kongolesischem Material. Ein Herkunftsnachweis des Erzes ist zwar prinzipiell möglich, aber praktisch schwer umzusetzen. Weil die Tantal-Vorkommen ohnehin allmählich knapp werden, sucht die Industrie nach geeigneten Alternativen. Das Metall Niob ist hier einer der Hauptkandidaten. Dabei bleibt aber auch bei einer geographischen Schwerpunktverschiebung hinsichtlich der Lagerstätten und Herkunftsländer die Abbau- und Umweltproblematik grundsätzlich bestehen.

Die angeführten Mineralien und seltenen Erden sind nur beispielhaft für eine ganze Palette an Materialien, die in der Elektronikindustrie Verwendung finden. Doch hört die Kette der negativen Auswirkungen unserer elektronischen Geräte hier nicht auf. Denn auch im Produktionsprozess halten sich viele Herstellerfirmen nicht an Arbeitsrechte und einen ausreichenden Arbeiterschutz und auch die Entsorgung der Geräte ist problematisch. Mit den E-Geräten entsorgen wir nicht nur wertvolle Ressourcen wie Edelmetalle (Gold, Silber und Palladium) und seltene Erden, sondern auch Giftstoffe wie Blei, Quecksilber, Arsen, Kadmium oder Beryllium.

Recycling? Fehlanzeige!

Um elektronische Geräte recyceln zu können müssen sie aufwändig in ihre Einzelteile zerlegt und nach den verschiedenen Materialien getrennt werden. Doch das ist kosten- und arbeitsintensiv. Daher wird trotz des Entsorgungsgesetzes für Elektronikschrott in Deutschland ein großer Teil zur „Weiterverwertung“ illegal in Entwicklungsländer wie Afrika, Indien oder China exportiert. Dort bauen Menschen die Geräte unter Arbeitsbedingungen auseinander, die sie ihre Gesundheit kosten. Die Reste landen auf Müllkippen, wo die austretende Schlacke das Grundwasser verseucht und kostbare Ressourcen verloren gehen. Mehr dazu im RESET-Artikel Elektroschrott – E-Waste.

Gibt es faire Mobiltelefone?

Wie schwer es ist, ein faires Mobiltelefon herzustellen, dass nur Rohstoffe verwendet, die unter Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards gewonnen worden sind, zeigt das Start-Up Fairphone. Eigentlich wollte das Team ein 100% faires Smartphone herstellen, gelungen ist das nicht ganz. Ein Anfang ist dennoch gemacht: Im Fairphone werden Metalle und seltene Erden aus konfliktfreien Minen im Kongo verbaut. Um gute Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und sichere Recycling-Praktiken garantieren zu können, wird das Ziel verfolgt, transparente Langzeit-Beziehungen mit den Herstellern aufzubauen.

Doch liegt die Verantwortung zu einem gerechteren Rohstoffmarkt nicht nur bei den Herstellern, sondern auch bei den Endverbraucher*innen, die über ihr Konsumverhalten den Produktzyklus beeinflussen. Um unter aktuellen Bedingungen wenigstens das Maximale aus dem alten Handy herauszuholen, empfiehlt RESET, Handys bei entsprechenden Stellen abzugeben oder einzuschicken. Dadurch werden Handys entweder repariert und weiterverwendet oder die darin enthaltenen Rohstoffe wiedergewonnen. Mehr Infos findest du in dem Artikel Verwertung gebrauchter Mobiltelefone.

Außerdem lassen sich viele Geräte noch reparieren, auch wenn du im nächstgelegenen Shop eine andere Info erhälst. Hilfreich ist hier die Plattform iFixit: bei iFixit findest du leicht verständliche Reparaturanleitungen für Geräte aller Art und ein großes Angebot an Ersatzteilen. Mehr Infos im Artikel iFixit – Reparieren leicht gemacht.

Was Du tun kannst, um irgendwann fair und umweltschonend produzierte IT-Produkte kaufen zu können? In dem Artikel Aktion: Fair IT findest du Tipps.

Quellen und weiterführende Links

Dieser Artikel wurde im Juni 2013 erstmalig veröffentlicht. Im Januar 2024 wurde der Artikel aktualisiert.

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