Ohne schlechtes Gewissen um die Welt?

Eine Gruppe Klimaaktivist*innen will zeigen, dass es auch ohne Flugzeug geht und reist mit dem Segelboot zur UN-Klimakonferenz in Chile im Dezember 2019.

Autor Tristan Rayner:

Übersetzung Tristan Rayner, 27.06.19

Die Flugpreise sind niedrig. Fliegen ist so günstig, dass man wohl zwei Mal überlegt, ein Zugticket für den drei-, vier- oder fünffachen Preis zu buchen. Dabei können sich das Fliegen gerade einmal 18 Prozent der Weltbevölkerung leisten – der Rest darf mit den Folgen leben. Dennoch wächst die Zahl der Flugreisenden stetig weiter und mit ihr der klimaschädliche Einfluss auf die Umwelt. Keine andere Aktivität einzelner Individuen verursacht in so kurzer Zeit mehr CO2-Ausstoß als das Fliegen!

Was paradox klingt, ist paradox – sich in einen Flieger zu setzen, um sich am anderen Ende der Welt von der unbestechlichen Schönheit der Natur beeindrucken zu lassen. Und je länger das eine Selbstverständlichkeit bleibt, desto weniger wird von der beeindrucken Natur übrigbleiben. Französische Politiker*innen fordern deshalb bereits das Verbot von Inlandsflügen. Bei der Reise von Paris nach Marseille verbraucht man 50 Mal mehr CO2, wenn man das Flugzeug anstelle der Bahn nimmt.

Nicht weniger paradox  ist die Tatsache, dass Klimaschutzkonferenzen jährlich an wechselnden Orten stattfinden. Häufig müssen die Teilnehmenden viele Kilometer zurücklegen, um am UN-Klimakonferenzort der Wahl anzukommen. Sollten nicht gerade Klima-Aktivist*innen mit gutem Beispiel vorangehen? Die „Friday’s for Future“-Aktivistin Greta Thunberg zum Beispiel reist ausschließlich per Zug. Doch sie ist nicht die Einzige: Auch eine Gruppe junger Umweltaktivist*innen aus Holland hat sich das Ziel gesetzt, das Bewusstsein für das umweltzerstörerische Reisen per Flugzeug zu schärfen. Mit dem Segelboot wollen sie die Reise von Amsterdam aus nach Santiago de Chile zurücklegen, zur nächsten UN-Klimakonferenz. Der Name der Mission lautet schlicht Sail to the COP. Die 12.000 Kilometer Reise wird sechs bis acht Wochen dauern und soll zeigen, dass es kein Flugzeug braucht, um von Kontinent zu Kontinent zu kommen.

Ein kurzer Blick auf FlightRadar24 verdeutlicht, weshalb. Über unseren Köpfen bewegen sich tausende Flugzeuge zugleich durch die Luft, wie in einem wimmelnden Ameisenhaufen. Das weltweite Flugvolumen steigt trotzdem immer weiter an: Allein in Deutschland werden laut einer Prognose des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bis 2030 70 Millionen zusätzliche Passagiere mit dem Flugzeug reisen.

Die „Sail to the COP“-Gruppe hat drei wesentliche Punkte formuliert:

Erstens. Angemessene Flugsteuern! Eine Kohlenstoff- und/oder Kerosinsteuer, welche in klimafreundliche Projekte reinvestiert wird.

Zweitens. Als Alternative zum Flugzeug lieber mit dem Zug, Bus oder Schiff reisen.

Drittens. Klimaschutzprojekte promoten! Das „Sail to the COP“-Projekt ist selbst Teil einer Kampagne, die daran mitwirkt ein weltweites Netzwerk aufzubauen, bei dem umweltbewussteres Reisen im Vordergrund steht und gleichzeitig der Bau neuer Flughäfen verhindert werden soll.

Wir haben mit den Mitgliedern hinter „Sail to the COP“ gesprochen und drei Tipps eingeholt, wie sich Reisen nachhaltiger gestalten lassen:

  1. Lokale Alternativen finden. Wenn du in Europa lebst, warum fliegst du nach Thailand, wenn du doch auch die sonnigen Strände in Kroatien genießen kannst? Außerdem bieten dein Heimatort oder deine Heimatstadt noch andere, vielleicht ungeahnte Urlaubsmöglichkeiten.
  2. Aus vielen kleinen Reisen eine Traumreise machen. Nach Osteuropa oder Asien reist es sich gut und (relativ günstig) mit dem Zug. Viele kleine Trips zu einer langen Reise verbinden zeigt auch: Mit viel Zeit im Gepäck muss es nicht immer schnell gehen.
  3. Ein anderes Transportmittel ausprobieren. Mit dem Fahrrad in den Urlaub, Wandern oder bei einem Segelschiff anheuern: Hier beginnt deine Reise mit dem Weg selbst.

Bereits letztes Jahr reiste eine Gruppe der Klimaaktivist*innen rund um „Sail to the COP“ zur UN-Klimakonferenz in Katowice, Polen, per Zug. Für das aus Holland stammende Team ein gut machbares Unterfangen. Für den weiten Weg nach Chile braucht es jedoch Unterstützung. Hier kannst du dafür spenden.

Es gibt viele weitere Projekte, die einen Blick wert sind und für die es sich zu spenden lohnt: Auch „Stay Grounded“ setzt sich für die Reduktion des Flugverkehrs ein. Die „Earth Scientists“ wollen den CO2-Fußabdruck ebenfalls reduzieren, indem der Vielfliegerein ein Ende gesetzt wird. „Flygskam“ aus Schweden sorgte bereits für Schlagzeilen – „Flugshaming“ ist bereits zu einem Trend in Schweden avanciert.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Thorge Jans. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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