Ultradünne Nadelsensoren könnten die Präzisionslandwirtschaft der Zukunft unterstützen

© MIT
Mikronadeln, wie diese des MIT, könnten die Präzisionslandwirtschaft weiter vorantreiben.

Agrarforschende haben sich von der Medizin inspirieren lassen, um Mikronadeln zu entwickeln, die die Gesundheit von Pflanzen überwachen.

Autor*in Mark Newton, 09.08.21

Übersetzung Mark Newton:

Mikronadeln, wie diese des MIT, könnten die Präzisionslandwirtschaft weiter vorantreiben.
Die Bedürfnisse der Pflanzen bis ins kleinste Detail zu verstehen könnte dabei helfen, die Landwirtschaft mit den zunehmenden Anforderungen der Nachhaltigkeit und des Bevölkerungswachstums in Einklang zu bringen. Die Gewinnung all dieser genauen Informationen, vor allem zur rechten Zeit, stellt jedoch eine Herausforderung für die nächste Generation der sogenannten „Präzisionslandwirtschaft“ dar.

Nun haben Forschende im Rahmen einer Universitätsstudie in Saudi-Arabien neue Mikrosensoren entwickelt, die dieses Problem lösen könnten. Dabei haben sie sich von der Medizin inspirieren lassen, um winzige, nadelartige Sensoren zu entwickeln, die den Zustand von Pflanzen in Echtzeit erfassen können.

Solche Sensoren, die so genannten Mikronadeln, werden in der Medizin zunehmend zur nicht-invasiven, transdermalen Überwachung von Patienten in Echtzeit eingesetzt. Obwohl diese Nadeln nach medizinischen Maßstäben klein sind, sind sie für den Einsatz an den meisten Pflanzen jedoch zu groß.

Mit Mikronadeln als „Wearable Tech“ für Pflanzen wurde bereits früher experimentiert, vor allem in einer MIT-Studie, die in der Abbildung oben zu sehen ist. Ein Forschungsteam der King Abdullah University of Science and Technology unter der Leitung von Abdullah Bukhamsin, einem Doktoranden der Elektro- und Computertechnik, hat jedoch eine neue Methode zur Herstellung noch dünnerer Nadeln entwickelt. Herkömmliche Silikonformen wurden in eine flüssige Chloroformlösung getaucht, wodurch sich die Nadeln leicht ausdehnen. Durch diese Ausdehnung lässt sich die Nadel langsam herausziehen, ohne dass sie oder die Form selbst beschädigt werden.

Bei früheren Verfahren zur Herstellung solch kleiner Nadeln musste die Form oft zerstört werden, was die Kosten und den Zeitaufwand für die Massenproduktion erheblich erhöhte. Durch diese neue, schonende Methode behalten die Formen ihre Form und können bis zu 20 Mal verwendet werden, was Kosten und Ressourcen spart.

Der Prototyp der Mikronadelsensoren wurde dann an einer Reihe von Ackerschmalwand-Pflanzen getestet, um ihren praktischen Wert zu ermitteln. Die Stängel und Blätter der Pflanzen wurden mit den Mikronadeln durchstochen, wodurch ein wenig Strom durch die Kresse geleitet wurde. Mithilfe des Stroms konnte dann gemessen werden, wie die Wasser- und Lichtmenge, die den einzelnen Pflanzen im Experiment zugeführt wurde, variierte. Damit könnten die Nadeln verwendet werden, um Anzeichen von Dehydrierung oder Hitzestress zu erkennen, ohne sie irreparabel zu schädigen. Nach dem Entfernen der Nadeln waren die fast unsichtbaren Einstichlöcher innerhalb von vier Tagen verheilt und verschwunden.

Die Anwendungsmöglichkeiten der Mikronadeln beschränken sich jedoch nicht nur auf den Wasser- oder Lichtbedarf der Pflanzen. Die Forschenden gehen davon aus, dass sie eines Tages auch Informationen über eine breite Palette von Parametern liefern könnten, wie etwa die Aufnahme von Stickstoff aus Düngemitteln. Letztendlich könnte eine solche Technologie, wenn sie in großem Maßstab hergestellt wird, ein wichtiger Bestandteil der digitalen Integration von Präzisionsbetrieben werden.

Das Verständnis für die Bedürfnisse der Pflanzen war bis vor kurzem eine Sache der visuellen Inspektion, der Erfahrung und der Intuition. Darüber hinaus waren die Maßnahmen zur Behebung landwirtschaftlicher Probleme, wie zum Beispiel Schädlingsbefall, oft breit gefächert und wahllos. Durch die Verwendung präziser Informationen könnten die Landwirtinnen die Effizienz und den Nutzen ihrer Maßnahmen deutlich erhöhen. Vorstellbar ist zum Beispiel ein Szenario, in dem nur die einzelnen Pflanzen, die von Schädlingen befallen sind, behandelt werden, anstatt ganze Felder. Dies würde Landwirtinnen nicht nur Kosten ersparen, sondern auch die Auswirkungen des großflächigen Einsatzes von Pestiziden begrenzen.

Was ist Präzisionslandwirtschaft?

Der Begriff Präzisionslandwirtschaft bezieht sich auf einen neuen Ansatz in der Landwirtschaft, bei dem technologische Innovationen eine zentrale Rolle spielen. Durch den Einsatz verschiedener Strategien und Instrumente können Präzisionslandwirt*innen die Nutzung der Ressourcen optimieren, im Idealfall Verschwendung reduzieren und die Nachhaltigkeit und den Ertrag ihrer Betriebe insgesamt steigern.

Durch den Einsatz von Überwachungsinstrumenten wie Satelliten oder Sensoren können Landwirtinnen beispielsweise Informationen wie 3D-Bodenkarten, den Bewässerungs– und Gesundheitszustand der Pflanzen gewinnen. Diese Informationen werden oft in Echtzeit bereitgestellt, so dass die Landwirtinnen direkt und präzise mit den richtigen Korrekturmaßnahmen eingreifen können. Das MIT hat sogar mit nano-augmentierten Pflanzen experimentiert, die E-Mails über ihren Gesundheitszustand senden.

Das Konzept lässt sich noch weiter ausbauen, indem der Prozess automatisiert wird. Durch den Einsatz von Drohnen und anderen Liefersystemen, die über das Internet der Dinge mit Sensoren verbunden sind, könnten sich Präzisionsbetriebe möglicherweise selbst verwalten, ohne dass ein intensives direktes menschliches Engagement erforderlich wäre. Auch die Einführung von künstlicher Intelligenz könnte ein großer Gewinn in dieser Richtung sein. Diese kombinierte und integrierte Methode wird häufig als „Landwirtschaft 4.0“ bezeichnet.

Die Vorteile der Präzisionslandwirtschaft und der Landwirtschaft 4.0 liegen in der Steigerung der Flächenproduktivität, der Verringerung des Verbrauchs und der Verschwendung sowie in der Möglichkeit, rentablere Betriebe zu schaffen. Es wird auch vermutet, dass durch die zunehmende Automatisierung der Betriebe der Grad der menschlichen Ermüdung in der Landwirtschaft verringert wird, was es den Landwirt*innen ermöglicht, ihre Gewinnströme in andere Bereiche zu diversifizieren. All dies könnte sich im Idealfall auch positiv auf die Umwelt auswirken.

Die Einführung der präzisen Bewirtschaftung könnte jedoch bei etablierten, traditionellen Landwirtinnen langsam vonstatten gehen. Umfragen unter niederländischen Ackerbäuerinnen ergaben, dass zwar 64 Prozent der Befragten die genauere Ausbringung von Düngemitteln als großen Vorteil empfanden, aber weniger als die Hälfte die anderen Vorteile der Präzisionslandwirtschaft als unmittelbar nützlich ansahen.

Einer der großen Nachteile sind die anfänglichen Kosten sowie die laufenden Investitionen für die Anpassung der Präzisionslandwirtschaft an einen bestehenden Betrieb. Darüber hinaus erfordern Schulungen, die Aktualisierung von Geräten und die Auswertung von Informationen zusätzliche Zeit und Ressourcen der Landwirt*innen.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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