Gerade Menschen im globalen Süden sind am stärksten von den menschengemachten Klimaveränderungen betroffen. Und sie sind genauso auch Aktivist*innen, Pädagog*innen und Entscheidungsträger*innen für den Wandel. Sie engagieren sich für eine bessere Welt, sie sind innovativ und inspirieren andere dazu, die Probleme anzugehen, mit denen wir als Menschheit konfrontiert sind. Doch in den Medien fehlt es oft an Vielfalt, wenn es um ihre Stimmen und Erfahrungen geht. In dieser Interview-Reihe mit Umwelt- und Klima-Aktivist*innen aus Lateinamerika, Afrika und Asien wollen wir dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu beheben und unterrepräsentierten Stimmen innerhalb der Klimabewegung Gehör verschaffen.
Im zweiten Interview der Serie „Stimmen der Klimagerechtigkeit“ sprachen wir mit Iqbal Badruddin, dem Gründer von „Fridays for Future Pakistan„. Pakistan befindet sich in einer herausfordernden Lage. Das Land selbst stößt nur einen Bruchteil der globalen Treibhausgase aus, wird aber aller Voraussicht nach am stärksten von extremen Wetterereignissen wie Dürren und Überschwemmungen, die der Klimawandel mit sich bringt, betroffen sein. Doch in der pakistanischen Gesellschaft gibt es wenig Wissen über den Klimawandel und über die Notwendigkeit, ihn zu bekämpfen und sich an seine Auswirkungen anzupassen. Wir sprachen mit Iqbal über die Arbeit von „Fridays for Future“ in Pakistan, um das Bewusstsein für die Klimakrise zu schärfen, über die Rolle der digitalen Medien in Bildungsprojekten zum Klimawandel und über die Bedeutung, den Klimawandel in den Lehrplan der Schulen zu integrieren.
Wie hast du zum ersten Mal vom Klimawandel erfahren?
Ich habe zum ersten Mal vom Klimawandel erfahren, als ich persönlich extreme Wetterereignisse in meinem Land erlebt habe – vor allem die Überschwemmungen im Jahr 2010, als das Land große wirtschaftliche Schäden davongetragen hat. Der gesamte Agrarsektor war betroffen, was die Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigte. Das hat mich dazu veranlasst, über Extremwetter und Klimawandel zu forschen, und jetzt möchte ich das Bewusstsein der Menschen in meinem Land dafür schärfen.
Wie und wann hast du dich an den Studentenstreiks beteiligt? Und was war deine Motivation?
Streiks sind das Rückgrat dieser Bewegung. Wenn es um Pakistan geht, bedeutet ein wöchentlicher Streik vor allem, Menschen zu mobilisieren, die etwas gegen den Klimawandel unternehmen wollen. Aber wie konnten wir so viele Menschen finden? Laut einem BBC-Bericht wissen 65 Prozent der Menschen in Pakistan nicht, was „Klimawandel“ bedeutet. Wir haben also demonstriert, aber wir konzentrieren uns mehr darauf, die Massen zu sensibilisieren. Wir begannen Ende Dezember 2018 an verschiedenen Universitäten in Pakistan zu streiken. Damit wollten wir vor allem die Aufmerksamkeit aller darauf lenken, dass wir etwas für den Planeten tun müssen, da wir alle davon betroffen sind. Die Hauptmotivation war, dass Pakistan eines der für den Klimawandel am anfälligsten Länder ist, wir aber weniger als ein Prozent der gesamten globalen Treibhausgase ausstoßen.
Worin siehst du die Rolle der digitalen Medien für deine eigene Entwicklung als Aktivist?
Für mich spielten die digitalen Medien eine wichtige Rolle bei meiner persönlichen Entwicklung und der Kampagne für das Klima, die ich in Pakistan leite. Das Bewusstsein der Menschen in Pakistan kann durch den Einsatz der Medien geschärft werden, und wir tun unser Bestes, diese Plattform zu nutzen, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen.
Soziale und digitale Medien waren und bleiben eine wichtige Säule des Aktivismus. Was immer wir tun, wir vermitteln unsere Botschaften über sie. Ohne sie ist ein positiver Beitrag von Aktivistinnen und Aktivisten kaum möglich.
Wie hat das Coronavirus deine Protestaktionen beeinflusst?
Die Pandemie hat unsere physischen Proteste in jeder Hinsicht beeinträchtigt. Die Richtlinien zur sozialen Distanzierung haben es uns erschwert, zu protestieren, und um die Dynamik aufrechtzuerhalten, haben wir auf Online-Proteste umgestellt. Ich denke, dass die Online-Proteste vielleicht nicht so große Auswirkungen haben wie die Straßenproteste, aber wir müssen weiterhin Druck auf die politischen Entscheidungsträger ausüben.
Wir veröffentlichen wöchentlich Bilder von unseren Protestaktionen in den sozialen Medien, und weil Fridays for Future Pakistan sich mehr auf das Bewusstsein konzentriert, führen wir jetzt auch Online-Aktionen durch, um die Menschen über den Klimawandel aufzuklären. Wir arbeiten auch an der Entwicklung einer virtuellen fünftägigen Aktivistenschulung, die vor kurzem begonnen hat.
Was können wir deiner Meinung nach aus der Coronavirus-Krise lernen, und welche positiven Auswirkungen erhoffst du dir davon?
Die Corona-Krise hat uns gelehrt, dass wir die Art und Weise, wie wir unser Leben leben, stark verändern können. Das ist dasselbe, was die Klimakrise schon immer gefordert hat. Die Welt hat gesehen, dass alles möglich ist; alles was wir brauchen, ist der Wille, es zu tun. Gesundheit ist Reichtum, und wir müssen sicherstellen, dass, was immer wir tun, den kommenden Generationen nicht schadet. COVID-19 hat uns gelehrt, dass wir unser Leben und die Natur im Gleichgewicht halten müssen und in Harmonie mit ihr leben können – und auch, dass wir ohne die natürliche Welt absolut nicht überleben können.
Iqbal Badruddin.
Die „Friday For Future“-Proteste haben in den Medien viel Aufmerksamkeit erregt – aber das führt nicht unbedingt zu Aktionismus seitens der Entscheidungsträger*innen. Warum ist das deiner Meinung nach so?
Die Proteste sollen die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger erregen, und unsere Proteste haben insgesamt Einfluss gehabt, aber was fehlt, ist der Klima-Aktionismus. Anstatt vorausschauend zu handeln, warten wir immer darauf, dass uns die Krise trifft, und dann handeln wir. Und genau das geschieht jetzt. Wir wollen aber unsere Streiks weiterführen und immer wieder auf das Thema aufmerksam machen, damit wir die Entscheidungsträger*innen eines Tages dazu bringen können, eine grüne Politik umzusetzen. Wir wissen, dass dies Zeit brauchen könnte, aber wir werden nicht aufgeben.
Was sind die Schlüsselbotschaften hinter deinem Protest? Was steht auf den Plakaten, die du hochhältst? Und wer soll sie sehen?
Die Schlüsselbotschaften hinter unserer Kampagne sind, dass wir uns auf den Kampf gegen den Klimawandel und die Anpassung an ihn vorbereiten sollten. Die Regierung sollte die Schulen verpflichten, über den Klimawandel zu unterrichten, d.h. sie sollten einen „umweltfreundlichen“ Lehrplan einführen. Unsere Hauptbotschaft ist, das Bewusstsein der Menschen für den Klimawandel zu schärfen, denn hier ist sich die Mehrheit der Menschen dieser Krise nicht bewusst, und der Unterricht über den Klimawandel ist der erste Schritt zur Bekämpfung des Klimawandels.
Die Slogans auf unseren Plakaten sind „Make Earth Great Again“ und „Youth Climate Strike „. Wir möchten, dass unsere politischen Entscheidungsträger und die internationale Gemeinschaft unsere Plakate und Proteste sehen, damit sie wissen, dass wir uns um unsere Zukunft und die aller Menschen sorgen. Die Hauptziele des globalen Klimastreiks sind es, politische Entscheidungsträger davon abzuhalten, Geld in umweltschädliche Industrien zu investieren und auch Ländern zu helfen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Ich persönlich möchte in meinem Land etwas tun, um das Bewusstsein der Menschen in großem Maßstab zu schärfen.
Was erhoffst du dir vom Global Strike for Climate?
Nun, die Hauptbotschaft hinter unseren Protesten ist es, die Regierung und die internationale Gemeinschaft wachzurütteln und sie zu ermutigen, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Wir sind ein Entwicklungsland und eine Agrarwirtschaft und das fünftverwundbarste Land der Welt durch den Klimawandel. Wir fordern, und wir brauchen, dass die Menschen sich dessen bewusst werden.
Gibt es noch etwas, was du unseren Leser*innen mitteilen möchtest?
Ich möchte die Leser wissen lassen, dass es für ein Land, das zu den am stärksten vom Klimawandel verwundbaren Ländern gehört, sehr schwer ist, zu überleben – die Wirtschaft ist ein weiterer Faktor, der ein Land verwundbar macht. Und wir alle müssen diesen gemeinsamen Feind zusammen bekämpfen. Ich glaube, dass wir uns eines Tages alle so zusammenschließen werden, wie wir gegen die COVID-19-Krise zusammengekommen sind.
Auf der Webseite von Fridays for Future Pakistan erfährst du mehr über das Team und kannst den Blog lesen. Der offizielle Twitter-Account informiert über die (Online-)Streiks und andere Aktivitäten.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.