Trufi: Mit einer App die Sackgassen des öffentlichen Verkehrs auflösen

Mit den Öffis von A nach B ist die nachhaltigste Fortbewegung. Aber ohne zuverlässige Informationen über Haltestellen, Routen und Fahrpläne wird es kompliziert. Die NGO Trufi entwickelt digitale Lösungen für den ÖPNV weltweit.

Autor Lana O'Sullivan:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 30.01.23

Wir sind daran gewöhnt: Ein Fingerswipen und innerhalb von Sekunden erscheint ein umfassender Live-Routenplan mit mehreren Verkehrsoptionen und Verspätungswarnungen auf dem Bildschirm unseres Smartphones. Unterwegs noch einen Kaffee trinken? Kein Problem. Die 17 am besten bewerteten Cafés auf der Route, komplett mit Öffnungszeiten, Bewertungen und Wegbeschreibung stehen sofort bereit. Auch wenn die Verbindungen und Netze noch wesentlich besser sein könnten – selbst in kleineren europäischen Städten stellen Karten- und ÖPNV-Apps – zumindest einigermaßen – zuverlässige und häufig aktualisierte Informationen bereit.

In Städten wie Duitama ist die Situation jedoch ganz anders. In der zentralkolumbianischen Stadt mit mehr als 112.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gibt es keine öffentliche Datenquelle mit den Routen und Fahrplänen der drei Busunternehmen. Für alle, die sich mit Bus und Co. auf den Weg machen wollen bedeutet das, die Fahrpläne der einzelnen Unternehmen manuell abgleichen zu müssen, um eine passende Route zu finden. Verspätungen lassen sich nicht vorhersagen und jenen, die die Stadt nicht kennen, bleibt nichts anderes übrig als sich durchzufragen, um die nächstgelegene Haltestelle zu finden.

Doch auch wenn hierzulande die wichtigsten Informationen zur Hand sind, kann es dennoch für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen schwierig sein, einen optimalen Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu planen. Wenn Aufzüge oder Rolltreppen defekt sind, vorgeschlagene Bahnhöfe nur eingeschränkt mit dem Rollstuhl befahrbar sind oder es andere unvorhergesehene Hindernisse auf der Strecke gibt, können Verkehrsnutzer*innen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen echte Probleme haben, ihre Strecke zu bewältigen.

Trufi verschafft Menschen weltweit einen Zugang zum ÖPNV

Genau hier setzt Trufi an: Die internationale NGO will den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtern. Begonnen hat alles 2018 in Cochabamba, Bolivien. Laut Ted Johnson, Kommunikationsdirektor bei Trufi, war es „sehr frustrierend, in Cochabamba mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B zu kommen“. Die Mission der NGO ist einfach: „Menschen dabei zu helfen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, und öffentliche Verkehrsmittel im globalen Süden attraktiver zu machen.“

Trufi app Cochabamba-Boliviia Trufi hilft den Menschen in Cochabamba durch ihre Stadt zu navigieren.

Ted räumt ein, dass „für jemanden in einem Industrieland das, was unsere Apps tun, nicht besonders beeindruckend klingt… [aber] in Cochabamba kann man zum Beispiel mit Google Maps keine Fahrt mit den Bussen (Trufis genannt) durch die Stadt planen. Aber mit unserer App geht das. Für die Menschen in Cochabamba ist diese Möglichkeit eine große Erleichterung.“

Trufi hat sich auf die Bereitstellung bzw. Erfassung von geografischen Routing-Daten spezialisiert, die dann zu brauchbaren mobilen Apps weiterentwickelt werden. Um diese Datenerfassung und -weitergabe zu erleichtern, haben Initativen wie die Arcadis IBI Group, MobilityData sowie Trufi Open-Source-Tools entwickelt, die dann frei zur Verfügung stehen. „Unsere Apps brauchen die Daten, um das zu tun, was sie tun, aber wir behalten diese Daten nicht für uns“, betont Johnson.

In Nouakchott in Mauretanien, aber auch in vielen anderen Städten, hat diese Arbeit bereits dazu beigetragen, die erste vollständigen Karten des öffentlichen Nahverkehrs zu erstellen. Und in Tetouan in Marokko, Accra in Ghana, Cochabamba in Bolivien und mehreren Städten in Deutschland sind auf Basis dieser Technologie bereits Mobilitäts-Apps entwickelt worden.

Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Autonome Fahrzeuge, E-Mobility, intelligente Verkehrsplanung, multimodal durch die Stadt – wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wir stellen nachhaltig-digitale Lösungen für eine klimaneutrale Fortbewegung und Logistik vor und diskutieren neue Herausforderungen der „digitalen“ Mobilität: Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Eine der Apps, route:able, befindet sich derzeit im Proof-of-Concept-Stadium. Wenn es soweit ist, wird sie Nutzenden in Baden-Württemberg ermöglichen, Fahrten zu planen, ohne auf außer Betrieb befindliche Aufzüge und andere Hindernisse zu stoßen. Wie die Trufi-App, die Bürger*innen weltweit den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln – einschließlich des informellen Verkehrs – über ihre Mobiltelefone ermöglicht, will route:able OpenStreetMap für die Kartierung der öffentlichen Verkehrswege nutzen.

„Der Mangel an Verkehrsdaten für die verschiedenen Verkehrsträger in afrikanischen Städten führt oft dazu, dass Entscheidungen getroffen werden, ohne zu berücksichtigen, was vorhanden ist, was funktioniert und was nicht“, berichten die Gründer von Trufi. In Ghana sammelt die Trotro-App von Trufi daher informelle und formelle Fortbewegungsmöglichkeiten und identifiziert fehlende Routen, um den Menschen die Navigation in Accra zu erleichtern.

Mit Daten den Übergang zu einer klimafreundlichen Mobilität erleichtern

Das Modell von Trufi, bei dem offene Daten, Open-Source-Tools und ein gemeinschaftliches „digitales Gemeingut“ durch die Arbeit mit der lokalen Gemeinschaft zum Einsatz kommen, hat das Potenzial, die Kosten drastisch zu senken und den öffentlichen Verkehr zu verbessern. Dies könnte viele Länder bei dem Übergang zu einer umweltfreundlichen Mobilität unterstützen.

Informelle Verkehrsmittel wie Tuk-tuks könnten schon bald auch in Navigations-Apps erscheinen.

Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, dass der Verkehr von allen Sektoren weltweit am stärksten auf fossile Brennstoffe angewiesen ist – im Jahr 2021 war dieser Sektor für 37 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. 2018 verursachten Autos und ähnliche Verkehrsmittel allein in der EU rund 888 Millionen Tonnen Treibhausgase. Diese astronomischen Emissionen treiben die Klimakatastrophe voran, belasten die Gesundheit, zerstören Ökosysteme und verbrauchen riesige Mengen an energieintensiven Ressourcen wie Aluminium, Stahl und Kunststoff.

Dennoch berichtet Ted Johnson, dass es immer wieder schwierig ist, Behörden von dem Ansatz von Trufi zu überzeugen. „Die Verkehrsbehörden in vielen Städten müssen sich erst noch für die Möglichkeiten der von uns generierten Daten begeistern. Wir können ihre blinden Flecken beseitigen, damit sie wissen, was in ihrer Stadt vor sich geht“.

Ted ist jedoch fest davon überzeugt, dass Trufi seine Mission zur Demokratisierung des öffentlichen Nahverkehrs weltweit fortsetzen wird, auch wenn lokale Behörden immer wieder das Unternehmen ausbremsen: „Die Gleichgültigkeit von Verkehrsbehörden hält uns nicht von der Arbeit in einer Stadt ab. Es ist schön, eine Verkehrsbehörde als Partner zu haben, aber wir können auch ohne sie vorankommen, die Daten erstellen und eine App entwickeln.“

Öffentliche Verkehrsmittel bequem zugänglich, praktisch und zuverlässig zu machen, ist ein wesentlicher Schritt, um die Zahl von Autos und Privatfahrzeugen auf unseren Straßen zu reduzieren. Transparenz und Wissensaustausch sind dabei zwei der wichtigsten Instrumente, um die Mobilität zu modernisieren und zu digitalisieren, die Mobilitätswende voranzutreiben und unsere Klimaziele zu erreichen, bevor es zu spät ist. Das Engagement der NGO Trufi leistet dazu einen wichtigen Beitrag.

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Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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