Viele Jahre musste Kleidung vor allem eines sein – billig. Doch auch wenn die Modebranche nach wie vor günstige Kleidungsstücke mit kurzer Lebenszeit produziert, die dann auch noch schwer zu recyceln sind: Der Markt verändert sich. Konsument*innen legen zunehmend wert darauf, dass die Dinge, die sie am Leibe tragen, hochwertig, langlebig und zudem fair produziert sind.
Diese Entwicklung will das Berliner Startup Threadcounts unterstützen und hat sich zum Ziel gesetzt, die Lieferketten in der Textilindustrie aufzuschlüsseln. Die Aufgabe ist schwierig, denn die Industrie ist komplex. Oft ist es nicht leicht herauszufinden, woher genau die Rohstoffe für die fertigen Textilien kommen. Doch die Rückverfolgung gewinnt an Bedeutung, viele Konsument*innen wollen wissen, ob ihre Kleidung nachhaltig produziert wurde oder ob sie mit dem Kauf Umweltzerstörung und unfaire Arbeitsbedingungen unterstützen. Threadcounts ist davon überzeugt, dass eine zuverlässige Offenlegung der Lieferkette daher bald notwendig ist. Und für Unternehmen könnt daraus ein Wettbewerbsvorteil entstehen. Auch seitens der Bundesregierung gibt es auch aktuell wieder Bestrebungen, Unternehmen zu verpflichten, Menschenrechte und Umweltschutz bei ihren Produzenten und Zulieferern zu wahren.
Die Idee, Lieferketten von Textilien zu verfolgen, kam von Ella Cullen, Chief Marketing Officer von Threadcounts. Die Neuseeländerin berichtet gegenüber RESET: „Ich bin eigentlich auf einer Schaffarm aufgewachsen, daher wusste ich genau, woher mein Wollpullover stammt. Irgendwann besann ich mich auf meine Wurzeln und dachte: Warum sollten wir nicht alle wissen, wo unsere Textilien herkommen?“
Product Passport und Blockchain
Um Transparenz zu erreichen, entwickelt Threadcounts einen sogenannten Product Passport. Die Idee ist, jedes Kleidungsstück mit einem QR-Code am Etikett auszustatten. Dieser lässt sich mit jedem beliebigen Handy einscannen und zeigt dann die komplette Lieferkette an. „Die Herkunft des Kleidungsstücks, die darin enthaltenen Materialien, die Herstellungsprozesse und die Recyclingoptionen werden im Product Passport aufgeführt“, sagt Cullen. Die Nutzung soll durch die Entwicklung einer Threadcounts-App noch vereinfacht werden. Klingt gut, doch wie kann garantiert werden, dass die Lieferkette keine falschen Informationen enthält?
Die Lösung ist die Blockchain. Threadcounts ist das Tochterunternehmen von Minespider, einem Startup, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, sogenannte Konfliktmineralien aus unseren Lieferketten zu verbannen. „Wir erkannten schnell, dass die Textilindustrie die gleichen Probleme hat wie die Mineralienförderung“, so Cullen. Kleinen Herstellern fiele es oft schwer, Transparenz zu gewährleisten. Die richtige Dokumentation von Lieferketten ist oft zu teuer. Größere Unternehmen sorgen sich um Datenschutz, was die Einführung von Transparenzmaßnahmen verlangsamen kann. „Da die Technologie von Minespider materiell agnostisch ist und leicht auf Textilien angewendet werden kann, wurde Threadcounts geboren“, erzählt Cullen.
Mit dem Gründer von Minespider, Nathan Williams, haben wir bereits ein Interview zum Thema geführt. Threadcounts nutzt die gleiche Technologie. Ella Cullen erklärt: „Minespider ist eigentlich ein ziemlich einfaches Konzept: Wir erstellen digitale Zertifikate, die mit dem Material in der Lieferkette nach oben wandern. Eine Blockchain macht es unmöglich, die Zertifikate zu fälschen oder zu duplizieren, und wir sind nicht auf einzelne zentrale Kontrollpunkte angewiesen.“ Auch das Problem des Datenschutzes werde so gelöst: Kunden können wählen, welche Daten öffentlich und welche nur privat sichtbar sind. So werden Schlüsselinformationen veröffentlicht, um Nachhaltigkeitsansprüche zu belegen und gleichzeitig private Daten gesichert. Die Einhaltung von Menschenrechtsstandards und nachhaltiger Produktion wird gewährleistet, Fälschungen werden verhindert.
Nachhaltige Luxushandtücher aus der Türkei
Threadcounts arbeitet bereits mit den ersten Textilproduzenten zusammen. „Derzeit arbeiten wir an einem Projekt, das zertifizierte Bio-Baumwolle von Farmen in der Türkei bis zu den fertgen, nachhaltigen Handtüchern verfolgt, die von einer deutschen Firma hergestellt werden“, berichtet Cullen. Verschiedene andere Modemarken sind bereits auf Threadcounts zugekommen und wollen den Product Passport für ihre Produkte einsetzen.
Die Blockchain könnte ein wichtiges Tool der Textilbranche werden, sollte eine Offenlegung der Lieferketten zur Norm werden. Fraglich ist jedoch, ob die Technologie auch in der Massenproduktion genutzt würde. Hochwertige Luxusprodukte schmücken sich zusätzlich gerne mit einem Nachhaltigkeitsnachweis, doch Hersteller von Billigware werden dies nicht freiwillig tun. Am Ende sind also die Konsument*innen gefragt: Sollte ein zuverlässiger Nachweis über nachhaltige Produktion eingefordert werden, so könnte Threadcounts hier einen wichtigen Beitrag leisten.