Thermoelektrischer Durchbruch: Aus der Kälte des Nachthimmels lässt sich Strom erzeugen

Die kalte Weite der Nacht birgt das Potenzial, auf der Erde eine gewisse Menge an Strom zu erzeugen. Wissenschaftler*innen aus Stanford konnten dabei kürzlich einen wichtigen Erfolg erzielen.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 31.08.20

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Erzeugung von Solarenergie eine zentrale Rolle bei der Stromversorgung netzferner und ländlicher Gebiete gespielt, insbesondere im Globalen Süden. Solarenergie hat jedoch einen klaren und großen Nachteil: Strom kann nur tagsüber erzeugt werden. Es ist zwar möglich, Photovoltaikzellen mit Batterien zu kombinieren, um den bei Tag erzeugten Strom zu speichern, doch solche Batterien erhöhen den Preis für eine Solaranlage erheblich.

Die Notwendigkeit von Tageslicht zur Solarstromerzeugung ist ein besonders großer Nachteil, wenn man bedenkt, dass die Nachfrage nach Elektrizität oft in den dunklen Stunden, in denen Beleuchtung erforderlich ist, ihren Höhepunkt erreicht.

Um dieses Problem zu lösen, hat ein Team der Universität Stanford Möglichkeiten erforscht, nachts Energie zu erzeugen: Es gelang den Wissenschaftler*innen, mit einem thermoelektrischen Element Energie aus dem kalten Nachthimmel zu gewinnen. Die Forschungsarbeit des Teams, die einen wichtigen Durchbruch für die Realisierbarkeit einer solchen Technologie darstellt, wurde kürzlich in der Zeitschrift Optics Express veröffentlicht.

Um zu verstehen, wie der Ansatz funktioniert, muss man zunächst wissen, wie thermoelektrische Energiegeneratoren funktionieren. Dabei handelt es sich um Halbleiterbauelemente, die Elektrizität durch thermodynamische Übertragung erzeugen – im Wesentlichen die Übertragung von Wärme von einer Wärmequelle in eine Wärmesenke. Beim Durchgang der Wärme erzeugt der Unterschied im Energieniveau der Elektronen zwischen den beiden Materialien eine sogenannte Potenzialdifferenz, die wiederum einen elektrischen Strom erzeugt: ein Phänomen, das als Seebeck-Effekt bekannt ist.

Bei Nacht entsteht ein Temperaturgefälle zwischen dem Weltraum und der Erde, die tagsüber Wärme absorbiert hat – und das Stanford-Team hat eine Methode entwickelt, um aus diesem Temperaturgefälle eine zwar geringe, aber durchaus funktionelle und nützliche Energiemenge zu erzeugen. Die Erdkugel fungiert dabei als Wärmequelle und der kalte Nachthimmel als Wärmesenke.

Licht aus kalter Finsternis erzeugen

Um das Potenzial dieser Forschungen zu demonstrieren, entwickelten die Wissenschaftler*innen einen einfachen, kostengünstigen thermoelektrischen Generator aus relativ simplen Materialien. Das System, das auf einem Dach des Campus in Kalifornien aufgestellt wurde, besteht aus u.a. Aluminiumplatten, die als thermischer Emitter fungieren.  Diese werden auf die kalte Seite eines kommerziellen thermoelektrischen Moduls geklebt und zum Himmel ausgerichtet. Die andere, warme Seite des Moduls wird tagsüber durch die Umgebungsluft erwärmt. Wenn die dem Himmel zugewandte Oberfläche diese Wärme nachts in die Kälte des Weltraums abstrahlt (über einen passiven Kühlmechanismus, der als „strahlende Himmelskühlung“ bezeichnet wird), kann die daraus resultierende Temperaturdifferenz zwischen der warmen und der kalten Seite in verwertbare Elektrizität umgewandelt werden.

Bei einem ersten Prototypentest im Jahr 2019 konnte der thermoelektrische Generator rund 25 Milliwatt pro Quadratmeter erzeugen. Das ist deutlich weniger als eine Photovoltaikzelle bei Tageslicht erzeugen kann (im Durchschnitt etwa 150 bis 200 Watt pro Quadratmeter), reicht aber aus, um eine LED-Leuchte und andere energiesparende Geräte zu betreiben. Zwar ist diese Energiemenge eher bescheiden, doch der Prototyp wurde für weniger als 30 US-Dollar entwickelt – was ihn zu einer viel praktikableren Lösung für einkommensschwache Gegenden macht, als ein Solarbatteriesystem. „Dieser Ansatz, Licht aus der Dunkelheit zu erzeugen, eröffnet an netzfernen Orten auf der ganzen Welt eine völlig neue Möglichkeit, die Beleuchtung nachts völlig passiv aufrechtzuerhalten“, äußerten auch die Autor*innen der Studie.

In einem neueren Experiment gelang es den Forschenden nun außerdem, die Leistung ihres Systems auf zwei Watt pro Quadratmeter zu erhöhen – eine deutliche Steigerung im Gegensatz zum zuvor berichtete Ergebnis.

Diese Art von Generator könnte nicht nur zur Stromerzeugung für netzunabhängige Gemeinden verwendet werden, sondern auch für die Stromversorgung von Sensoren und intelligenten Stadttechnologien an anderen Orten eingesetzt werden. Darüber hinaus könnte das Konzept zur Verbesserung von Technologien genutzt werden, mit denen Strom aus der Abwärme verschiedener Quellen gewonnen werden sollen, wie z.B. von Kochherden, Computern, industriellen Prozessen etc. Gegenwärtig wird ein Großteil dieser Wärme einfach weggestrahlt, aber mit empfindlichen thermoelektrischen Generatoren könnte sie wieder nutzbar gemacht werden.

In den letzten Jahren wurde verstärkt daran an der Diversifikation der Situationen geforscht, in denen auch Solarmodule Elektrizität erzeugen können. Bei RESET berichteten wir zum Beispiel über Technologien zur Verfolgung der Sonneneinstrahlung oder auch über Entwicklungen, mit deren Hilfe Sonnenkollektoren auch bei Regen oder starkem Schneefall Energie erzeugen können.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Website.

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