Specim und Resortecs liefern innovative Technologien fürs Textilrecycling

©

Die Modeindustrie hat ein ernstzunehmendes Abfallproblem: Nur ein Prozent der gebrauchten Kleidung wird aktuell recycelt. Eine Hyperspektralkamera und die Smart Disassembly Maschine sollen das ändern.

Autor*in Lana O'Sullivan:

Übersetzung Luisa Ilse, 10.05.23

Umweltbewusste Modefans wissen schon lange, dass die Branche ein Problem mit zu viel Abfall hat. Doch trotz dieses wachsenden Bewusstseins – und trotz der zunehmenden Verwendung von recycelten Materialien bei der Herstellung von neuen Kleidungsstücken – haben sich die Ausfuhren gebrauchter Textilien aus der Europäischen Union seit dem Jahr 2000 verdreifacht. Nach Immobilien, Lebensmitteln und Verkehr steht die Mode- und Textilbranche an vierter Stelle der Hauptursachen für Umweltschäden in Europa.

Woran liegt das?

Die Modebranche verursacht jährlich über 1,2 Milliarden Tonnen CO2 bei der Produktion. Später wird von den getragenen Kleidungsstücken nur ein Prozent tatsächlich recycelt. Das bedeutet, dass 99 Prozent der geschätzten 92 Millionen Tonnen Textilabfälle, die jedes Jahr weltweit anfallen, nicht genutzt werden und auf Mülldeponien landen.

„Dieses System verschmutzt die Umwelt, beeinträchtigt die Ökosysteme und hat darüber hinaus weltweite gesellschaftliche Auswirkungen“, sagt Chetna Prajapati, die an der Universität Loughborough in England an der Entwicklung nachhaltiger Textilien forscht. Das Mikroplastik aus den Kleidungsstücken landet im Boden, wird in das Grundwasser gespült und gefährdet so Pflanzen, Tiere und uns Menschen. Textilrecycling und die Wiederverwendung von Textilien könnten dagegen die negativen Umweltauswirkungen der Modeindustrie drastisch reduzieren.

Die Herausforderung des Textilrecyclings

Unsere Kleidung besteht aus einer komplizierten Mischung von natürlichen Garnen, Kunststoffen und Metallen. Das T-Shirt oder Hemd, das du gerade trägst, besteht eventuell sogar zu 100 Prozent aus Baumwolle. Aber das Etikett selbst sowie die Fäden zum Vernähen sind in der Regel aus Polyester. Das bedeutet, dass die Kleidung für ein effektives Textilrecycling aufwändig von Hand getrennt werden muss – ein sehr zeit- und kostenaufwändiger Prozess, der viele Arbeitskräfte erfordert.

Kreative Lösungsansätze

Hyperspektrale Bildgebung 

Ein digitales Werkzeug, mit dem das Abfallproblem in der Modebranche gelöst werden soll, ist die NIR-Hyperspektralkamera des finnischen Unternehmens Specim. Der weltweit führende Anbieter von hyperspektralen Bildgebungsverfahren hat diese Kameras entwickelt, um die Sortierung von Textilien zu automatisieren. Die Technologie könnte die Effizienz der Materialtrennung erhöhen und gleichzeitig die damit verbundenen Kosten senken.

Die NIR-Kamera FX17 von Specim wurde 2017 auf den Markt gebracht und ermöglicht eine digitale Identifizierung der chemischen Zusammensetzung des untersuchten Materials. „Die verschiedenen Materialien unterscheiden sich in ihrer chemischen und molekularen Struktur. Folglich reagieren diese Stoffe unterschiedlich auf elektromagnetische Wellen verschiedener Wellenlängen, indem sie diese absorbieren, reflektieren oder durchlassen“, erklärt Mitgründer Esko Herrala die Technologie.

Die Notwendigkeit, Lösungen für die Abfallproblematik in der Modeindustrie zu finden, war noch nie so groß wie derzeit und wird in Zukunft wohl auch noch weiter an Bedeutung gewinnen. Vielversprechende technologische Entwicklungen wie diese in Verbindung mit zunehmender wirtschaftlicher Machbarkeit geben denjenigen, die sich der Abfallproblematik der Textilindustrie annehmen, viel Hoffnung auf Erfolg.

Design-for-disassembly-Technologie

Das Unternehmen Resortecs betrachtet das Problem der Modeabfälle aus einem anderen Blickwinkel und setzt mit seinen Lösungen bereits in der Herstellungsphase der Kleidungsstücke an. Der hitzelösbare Nähfaden Smart Stitch™ ermöglicht es Marken, schon während der Produktion leicht recycelbare Textilien herzustellen. Außerdem lässt das thermische Demontagesystem Smart Disassembly™ nach eigenen Angaben zu, größere Mengen an hochwertigem Material zu nutzen und Millionen von Kleidungsstücken pro Jahr ohne Qualitätsverlust zu verarbeiten.

Da mit dieser Art der Textiltrennung die Effizienz gesteigert und Personal- und Fixkosten eingespart werden können, könnten bis zu 90 Prozent des ursprünglichen Stoffes recycelt werden. Das Unternehmen setzt sich für eine vollständige Kreislaufwirtschaft in der Modeindustrie und ein klares Ziel ein: „Recycling für alle Modemarken, Recycling-Unternehmen und Partner der Lieferkette einfach und praktikabel zu gestalten!“

Reduzieren, Wiederverwenden und Recyceln – das Mantra der Stunde

In digitalen und technischen Lösungen steckt die Chance, das Recycling von Textilien zu verbessern. Jedoch sollte dabei nicht vergessen werden, dass es eine sinnvolle Reihenfolge gibt, nach der wir mit gebrauchten Kleidungsstücken verfahren sollten: reduzieren, wiederverwenden, recyceln.

Bevor das Recycling in den Fokus rückt, sollten sowohl die Modebranche als auch die Verbraucher*innen zuerst prüfen, ob bestimmte Artikel überhaupt hergestellt oder gekauft werden müssen. Indem man die Zahl der hergestellten und gekauften Produkte reduziert, wird das Problem an der Wurzel gepackt und entsteht gar nicht erst. Verbraucher*innen sollten sich zunächst fragen: Brauche ich unbedingt ein neues T-Shirt? Ist dieser Pullover im Alltag praktisch? Wie viele neue Kleidungsstücke brauche ich wirklich?

Danach kommen Fragen zur Wiederverwendung: Kann diese kaum getragene Jeans weiterverschenkt oder -verkauft werden und so bei einer anderen Person zur neuen Lieblingsjeans werden? Kann das löchrige T-Shirt als Reinigungstuch oder für andere Dinge im Haushalt benutzt werden? All das können lebensverlängernde Maßnahmen für Textilien sein, die den Bedarf an weiteren, neuen Artikeln verringern.

Erst nach diesen beiden Schritten sollte das Recycling kommen – denn auch unter Verwendung von nachhaltigeren Materialien und Technologien erfordert das Recycling immer noch viel Energie. Das gilt sowohl für die Trennung und Gewinnung der Materialien als auch für deren spätere Verarbeitung. Durch das Recycling eines Kleidungsstücks kann der Einsatz von Rohstoffen wie Energie, Wasser und Farbstoffe jedoch reduziert werden.

In ganz Europa und darüber hinaus gibt es zahlreiche Kampagnen für ein verbessertes Textilrecycling. Unternehmen wie Columbia, The North Face und Patagonia rufen Programme ins Leben, um ihre Kund*innen zur Rückgabe und Wiederverwertung von alter Kleidung zu ermutigen. Recycling könnte zu einem neuen Trend werden, der das sogenannte Fast Fashion ablöst und weniger interessant macht. Wenn es also gelingt, das Mantra des Reduzierens, Wiederverwendens und Recycelns in der Gesellschaft erfolgreich zu verankern, könnte ein effektiver Kleidungskreislauf entstehen, der deutlich weniger neu produzierte Artikel erfordert.

Daten im Einsatz für unsere Meere – wie OceanMind durch Satelliten und KI illegale Fischerei ins Netz gehen lässt

Die Organisation OceanMind aus Großbritannien hat das ambitionierte Ziel, innerhalb der nächsten fünf Jahre die Einfuhr von Fischen aus illegaler Fischerei zu stoppen.

KI hat einen großen versteckten Wasserfußabdruck – aber es gibt Lösungen gegen ihren unstillbaren Durst

In unserer digitalen Welt geht nichts ohne Rechenzentren. Aber der Wasserfußabdruck ihrer Kühlsysteme bedroht die Wasserversorgung in dürregeplagten Regionen.

Blick auf die Bühne der re:publica 2025
republica GmbH
Wie steht es um die digitale Gesellschaft? Unsere Highlights der re:publica 2025 zum Nachschauen

Ende Mai fand die alljährliche Konferenz re:publica, die eigentlich ein „Festival für die digitale Gesellschaft“ ist, in Berlin statt. Das Bühnenprogramm gibt es online zum Nachschauen – hier kommen unsere Tipps!

Public Interest AI: Künstliche Intelligenz für das Gemeinwohl braucht ein anderes Technologieverständnis

KI, die dem Gemeinwohl und Klimaschutz dient? Dafür muss sie anders gestaltet sein als ihre Big-Tech-Geschwister. Stichworte für Public Interest AI oder „AI for Good“ sind Open Source, Überprüfbarkeit und Gleichberechtigung. Theresa Züger forscht dazu am HIIG.

Zum Ende von Windows 10: „End of 10“ gibt deinem alten PC ein neues Leben

Wenn im Oktober der Support für Windows 10 ausläuft, muss das nicht das Ende deines Computers sein. Die Kampagne „End of 10“ zeigt, wie du ihn mit einem neuen Betriebssystem schnell, sicher und umweltfreundlich weiter nutzt.

Licht statt Elektronen: Neue Schaltkreise „betreten Neuland“ und reduzieren Abwärme von Rechenzentren

Eine neue Studie zeigt, wie integrierte Optiken den Energieverbrauch von Rechenzentren senken könnten, indem sie Elektronen durch Lichtteilchen ersetzen.

Die KI von morgen, das Problem von heute: Wie giftiger Elektroschrott uns und dem Planeten schadet

Generative KI (GAI) erobert die Welt – in mehr als einer Hinsicht. Eine neue Studie beleuchtet die weitestgehend unbekannten Auswirkungen von Elektroschrott und zeigt, was dagegen getan werden kann.

Beratung per „Sprachi“: Wie DigiCow die Landwirtschaft in Kenia verändern will

Unterstützung für Landwirt:innen in Kenia: Das Unternehmen für Agrartechnologie erteilt Landwirt:innen fachkundigen Rat per Telefon – eine Sprachnachricht nach der anderen.