Tech und Know-how stärken die Zivilgesellschaft im Iran

Im Iran besitzt die Hälfte der Menschen ein Smartphone –  und damit bereits ein Instrument, um Menschenrechtsverletzungen wirksam zu begegnen. Die NGO United for Iran zeigt, wie es geht.

Autor*in Mark Newton, 15.08.18

Auch wenn die Islamische Republik Iran das Bestreben hat moderater zu wirken, werden der Führung des Landes nach wie vor eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, darunter Verletzungen der Frauenrechte, politische Inhaftierungen und harte Strafen für Homosexualität. Solche Strafen stehen zunehmend im Widerspruch zu einer aufstrebenden, jungen, gebildeten und technisch versierten Bevölkerung, die ihre Unzufriedenheit über den politischen Status quo zum Ausdruck bringen möchte.

Seit 2009 hat sich die in San Francisco ansässige NGO United For Iran zum Ziel gesetzt, diesen Menschen die technologischen Mittel und das Know-how zur Verfügung zu stellen, um sich besser zu mobilisieren, eine aktive Zivilgesellschaft aufzubauen und sich Gehör zu verschaffen. Um dies zu erreichen, hat United For Iran eine Reihe von Kampagnen gestartet, die potenziellen iranischen Aktivisten helfen sollen.

Erstellen von Grassroot-Tech

Eines der wichtigsten Projekte von United For Iran ist es, Iranern zu helfen, Smartphone-Apps zu entwickeln, um die Menschen auf dem Laufenden zu halten, zu kommunizieren und zu organisieren. In Zeiten ziviler Unruhen – wie zu Beginn dieses Jahres – ist die erste Reaktion der Regierung, die sozialen Medien und Messaging-Dienste einzuschränken. Dies erschwert die Kommunikation und das Aufzeichnen von Verstößen gegen die bürgerlichen Freiheiten für Aktivisten und Bürger. In diesem Sinne hat United For Iran 2016 den IranCubator App-Contest ins Leben gerufen, um iranische Entwickler und Aktivisten zu unterstützen.

Als Ergebnis des ersten Wettbewerbs wurden sieben Apps entwickelt, die von Piraten-Podcasts über die Aufzeichnung von Vorfällen von häuslichem Missbrauch bis hin zur Verbesserung der Gesundheit von Frauen und der Bereitstellung unvoreingenommener Informationen vor den Wahlen reichen. Beispielsweise soll die App Hafez den Aktivisten vor Ort helfen, indem sie Updates zu Menschenrechtsnachrichten und Zugang zu einer umfangreichen Datenbank von Anwälten und Experten bietet.

Aufnahme von Irans vergessenen Gefangenen

© United For Iran

Nach Angaben von Amnesty International hält die iranische Regierung immer noch regelmäßig und willkürlich Aktivisten wegen oft unklarer und schlecht definierter Verbrechen fest. Darüber hinaus vollstreckt der Iran auch regelmäßig Urteile an Gefangenen, von denen viele ungerechtfertigte Prozesse durchlaufen haben. Damit zivilgesellschaftliche Akteure diese Probleme besser bekämpfen können, hat United For Iran 2012 den Iran Prison Atlas entwickelt – eine umfassende Datenbank und ein Informationszentrum über politische Gefangene, Richter und das Justizsystem im Allgemeinen. Seit ihrer Gründung hat die Datenbank eine Fülle von Einblicken in einen Bereich gegeben, der oft von Unklarheiten und mangelnder Transparenz geprägt ist.

Zusätzlich hat United For Iran ein Safe-Activism-Projekt ins Leben gerufen, um Aktivisten von vornherein aus dem Gefängnis fernzuhalten. Die Kampagne „Reducing the Risks and Impact of Arrest“ kombiniert Videos, Broschüren und Infografiken, um angehenden Aktivisten das Wissen, die Taktik und die Werkzeuge in die Hand zu geben, um sicher gegen den iranischen Staat zu protestieren – einschließlich Zugang zu rechtlichen Informationen und Beratung durch erfahrene zivile Aktivisten.

Alles in allem bietet das United For Iran-Projekt eine Fülle von Instrumenten und Informationen für zivile Akteure im Iran. In den letzten Jahren hat die iranische Bevölkerung eine Lockerung einiger innerstaatlicher Gesetze erlebt (z.B. 2017 eine Änderung des Drogendeliktgesetzes, die Hunderte von Menschen vor der Hinrichtung bewahren könnte); vielleicht, weil die iranische Regierung eine Entspannung mit anderen Nationen – vor allem den USA – angestrebt hatte, um den so genannten iranischen Atomdeal durchzubringen.

Inzwischen hat Präsident Trump allerdings angekündigt, dass er aus dem Deal aussteigt – vor kurzem wurden die vollen US-Sanktionen wieder eingeführt. Dies könnte wiederum zu reaktiven innenpolitischen Entwicklungen im Iran führen – und die Instrumente von United For Iran könnten jetzt, vielleicht mehr denn je, eine entscheidende Rolle spielen.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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