TATENDRANG: Wefugees.de – Eine Online-Community für Geflüchtete und Helfer

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"Wefugee, community without borders" ist eine Plattform für Geflüchtete, freiwillige Unterstützer und Organisationen, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind oder es werden wollen. Wir sprachen mit Cornelia Roeper, Gründerin von Wefugees.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 21.06.16

„Was brauche ich, um in Deutschland arbeiten zu können?“ „Wie kann ich eine Wohnung finden?“ „Ich bin neu hier und suche Freunde, die mit mir deutsch zu lernen.“ „Wo wird aktuell ehrenamtliche Unterstützung gesucht?“

Für Neuankömmlinge in Deutschland sind rechtliche, behördliche, aber auch ganz alltägliche Fragen essentiell für einen guten Start in die neue Heimat. Auch wenn es schon etliche Anlaufstellen für Flüchtlinge gibt, etwa Beratungszentren oder auch Gruppen auf Facebook, so sind diese jedoch stark überlastet und Facebook-Gruppen zu unübersichtlich, um gezielt Informationen zu finden. Wefugees.de will diese Informationslücke schließen und bündelt alle Antworten auf diese Fragen auf einer Online-Plattform.

Warum gerade eine Online-Community? Viele Geflüchtete haben ein Smartphone im Gepäck, daher ist lediglich eine Internetverbindung via W-LAN oder Mobilfunknetz erforderlich und alle Informationen sind leicht zugänglich. Einige Initiativen sorgen in den Wohneinrichtungen von Flüchtlingen für freien Internetzugang, Wefugees arbeitet z.B. mit Freifunk und der TU Berlin zusammen, die bei Bedarf Netzwerke in Unterkünften aufbauen.

Wefugees funktioniert wie eine klassische Fragen-Antwort-Community, nur eben mit einem speziellen Fokus: Geflüchtete können sich hier gegenseitig unterstützen und direkten Kontakt zu Experten aus den verschiedensten Bereichen aufnehmen. Helfer können ihre Erfahrungen mit einbringen und Geflüchteten Fragen beantworten. Und alle, die sich engagieren wollen, finden über Wefugees Einsatzmöglichkeiten.

Wefugees macht deutlich: Egal, ob Internetrecherche, Übersetzungstätigkeiten oder Beratung bei rechtlichen Fragen – jeder kann helfen!

Das aktuelle Wefugees-Team

RESET: Was war Deine Motivation, die Plattform Wefugees ins Leben zu rufen?

Cornelia Roeper: Ende letzten Jahres hatte die Flüchtlingssituation in Deutschland einen Höhepunkt erreicht. Geflüchtete standen Tage lang in der Kälte vorm LaGeSo in Berlin, Unterkünfte waren überfüllt, Beratungsstellen und ehrenamtliche Helfer am Ende. Ich wollte selbst so viel helfen, hatte aber einen Vollzeitjob, der mich 50h die Woche beschäftigte. “So geht es bestimmt vielen” dachte ich. So viele, die gerne würden, aber sich unter der Woche nicht in die Notunterkunft stellen können. Da muss es doch Möglichkeiten geben, trotzdem zu helfen.

Wir haben viel mit Geflüchteten selbst, Helfern und Notunterkünften gesprochen, was wirklich gebraucht wird und aufbauend auf dieser Recherche ein Konzept entwickelt. Besonders Mido, selbst syrischer Geflüchteter, hat mich überzeugt, dieses Projekt in die Tat umzusetzen. Er hatte nicht nur unglaublich viele Fragen und wusste noch nicht, wen er was wann und wo fragen kann, sondern wollte auch anderen in ähnlichen Situationen helfen. Beides kann er auf Wefugees!

Wie genau funktioniert die Plattform?

Für die Plattform nutzen wir die Fragen- und Antworten-Community-Software von Enabee, an deren Weiterentwicklung ich jahrelang selbst mitgewirkt habe. Jeder hat sofort Einblicke in bereits gestellte Fragen und Antworten. Über die Suchfunktion findet man sich schnell zurecht und kann die Community nach bestimmten Themen und Stichworten durchforsten. Um eigene Fragen zu stellen meldet man sich ganz einfach mit seiner Email-Adresse an und kann loslegen. Die gesamte Community wird natürlich moderiert und von uns gepflegt.

An wen richtet sich Wefugees?

Es profitieren die verschiedensten Gruppen von Wefugees. Angefangen haben wir mit “Geflüchteten” und “Helfern”, haben dann aber schnell gemerkt, dass beide Gruppen Fragen stellen und beantworten. Unsere Neu-Bürger haben natürlich hunderte Fragen, möchten aber auch oft helfen, wenn sie schon ein paar  Monate hier sind und auf Grund ihres ungeklärten Status oftmals unterbeschäftigt sind.

Die ehrenamtlichen Helfer, die schon mit Geflüchteten in Kontakt stehen, sind oft die erste Anlaufstelle für Fragen aller Art. Diese können aber gar nicht alle Fragen beantworten und wenden sich deshalb an die Community. Und dann gibt es natürlich noch die deutschsprachigen Helfer, die oft besser und schneller an die nötigen Informationen kommen. Es entwickelt sich also eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft und unterstützt. Hinter Wefugees steckt also viel mehr als Fragen und Antworten!

Einige Experten haben wir schon in der Community. Der nächste Schritt ist nun auf der einen Seite Beratungsstellen die Arbeit zu erleichtern, in dem wir ihnen eine Plattform bieten, auf der bereits viele Antworten gebündelt sind. Zum anderen wollen wir sie auch als Experten mit in die Wefugee-Community aufnehmen. So bieten wir ihnen einen interaktiven Kanal und übernehmen gleichzeitig Moderation, PR, Marketing, Events und alles drum herum.

Was waren und sind die größten Herausforderungen?

Wir haben viel vor! Wir wollen Geflüchteten, Helfern und Beratungsstellen das Leben leichter machen und Einheimischen und Geflüchteten den Zugang untereinander erleichtern. Das alles schaffen wir nicht alleine. Wir arbeiten an der Finanzierung, müssen dafür aber erst offiziell gegründet sein. Die größte Herausforderung ist es jetzt, Leute zu finden, die ohne Bezahlung Vollzeit an einem sozialen Projekt arbeiten können. Sobald Geld da ist, sollen sie natürlich auch bezahlt werden. Ich habe mittlerweile ein tolles Team von neun Leuten, die sich für Wefugees mehr Zeit frei schaufeln, als für manche andere, eigentlich wichtige Tätigkeit . Noch ein, zwei Leute, die Vollzeit mitmachen, wären ein Traum. Gerade für PR, Events und Partnermanagement.

Was sind die nächsten Schritte?

Die letzten paar Wochen waren wir viel damit beschäftigt, Wefugees langfristig aufzustellen. Jetzt sind wir soweit, dass wir uns wieder um die wichtigen Dinge kümmern können.

Wir werden die Community weiter ausbauen und vergrößern, um möglichst vielen gleichzeitig helfen zu können. Auch offline werden wir in Zukunft aktiv. Geplant sind Wefugees-Events, bei denen sich die Community Mitglieder kennenlernen können. Darauf freuen wir uns jetzt schon riesig.

Wie kann man Wefugees unterstützen?

Mundpropaganda! Erzählt so vielen Leuten wie möglich von Wefugees. Geflüchteten, Leuten, die helfen möchten und nur wenig Zeit haben, Leuten, die Geld haben und das sinnvoll einsetzen möchten…. Schreibt uns über Facebook, wenn ihr gute Kontakte habt, mit denen wir mal sprechen sollten. Oder meldet euch einfach in der Community an und helft, Fragen zu beantworten. Wir suchen auch noch jemanden, der die Bereiche Marketing und Eventmanagement bei uns übernehmen kann. Wer sich also angesprochen fühlt, darf sich gerne bei uns melden.

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