TATENDRANG: Der Ecoliner segelt in die Zukunft der Frachtschifffahrt

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Ein Team in Hamburg hat eine Vision: Ware aller Art völlig emissionsfrei über die Weltmeere zu schippern. Möglich werden soll das mit einem modernen Segelfrachtschiff, dem Ecoliner. Wir sprachen mit Uwe Köhler, verantwortlich für Strategy and Development bei der Sailing Cargo Schifffahrts- und Beteiligungsgesellschaft, über die Frachtschifffahrt der Zukunft.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 15.08.14

Mehr als 90 % der weltweit transportierten Waren werden auf ca. 90.000 Handelsschiffen befördert, laut Experten mit steigender Tendenz. Dabei verursachen alle Handelsschiffe weltweit zusammen jährlich einen CO2-Ausstoß von ca. einer Millarde Tonnen. Das entspricht ungefähr dem gesamten Emissionsvolumen Deutschlands pro Jahr (Quelle: Carbon Warroom 2014). Da sind neue Ideen mehr als gefragt!

Von A nach B mit Wind und Hightech

Die Vision: Ein General Cargo Carrier, der Waren emissionslos und nachhaltig über die Weltmeere transportiert. Das Ergebnis: Der Ecoliner One. Das aktuell innovativste Frachtschiff ist eigentlich ein Rückgriff auf eine jahrtausendalte Tradition: den Windantrieb. Der Ecoliner ist ein moderner Frachtsegler, der auf Windantrieb für den Gütertransport setzt und die Ladung unter Segeln über die Weltmeere transportieren soll. Federführend für das Projekt Ecoliner One ist die Sailing Cargo Schifffahrts- und Beteiligungsgesellschaft i.G. in Kooperation mit der Reederei Döhle. Das Schiffsarchitekturbüro Dykstra hat den Segelfrachter vor drei Jahren entworfen und in den Forschungszentren niederländischer Hochschulen zu einem Prototyp weiterentwickelt. Bereits nächstes Jahr soll der Hightech-Segler vom Stapel laufen.

Ecoliner One = 100% umweltfreundlich

Wie der Ecoliner funktioniert? Herz und Motor des Ecoliner sind die leistungsfähigen, sicheren und einfach zu handhabbaren Dyna-Rigg-Segel. Die Segel können von der Brücke aus kontrolliert werden und erfordern kein zusätzliches Personal. Für den Fall, dass die Windverhältnisse oder die Bedingungen der jeweiligen Wasserstraße (z.B. Ärmelkanal, Elbe) eine Fahrt unter Segeln nicht zulassen, kommen auf dem Ecoliner zwei diesel-elektrische Hilfsmotoren zum Einsatz. Parallel wird zusammen mit MAN der Einsatz einer Methanol- Antriebseinheit geprüft, womit der Ecoliner zu einem Null-Emissionsfrachtschiff werden soll.

Damit der Ecoliner auf einer optimalen Reiseroute mit den besten Windverhältnissen segelt und so den effizientesten Energie- und Kraftstoffverbrauch erzielt, werden intelligente Simulationsprogramme eingesetzt. Aufgrund von Echtdaten der vergangenen 10 Jahre können tages- und stundengenaue Berechnungen über das Verhalten der Winde angestellt werden.

Die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt und anstehende Veränderungen auf der Regulierungsebene geben dem Unterfangen zusätzlichen Rückenwind: Ab 2015 begrenzen Umweltauflagen der Internationalen Schifffahrts-Organisation (IMO) den Schwefelanteil im Sprit, was zu einer Senkung der Schadstoffwerte der Abgase führen soll, und die EU-Kommission will den maritimen Verkehr in den Emissionsrechtehandel einbeziehen, um den CO2-Ausstoß in den Griff zu bekommen. Die verschärften Umweltauflagen bedeuten für viele Reedereien Investitionen in Umrüstungen, die sie kaum finanzieren können. Gleichzeitig steigen die Treibstoffkosten kontinuierlich, so dass viele Schiffe schon jetzt die Geschwindigkeit drosseln, um Energie und Kraftstoff zu sparen.

Der erste Ecoliner wird aufgrund der aktuellen Verhandlungen mit einem führenden Automobilhersteller als Car Carrier gebaut. In Zukunft sollen Waren aller Art transportiert werden mit 100% positiver Ökobilanz: Ökologischer Anbau und faire Ernten werden kombiniert mit emissionslosem Transport, so dass erstmals Produkte verfügbar sind, die das Gütesiegel „fair trade“ tatsächlich verdienen.

Mit Highspeed über den Atlantik – Ein Interview mit Uwe Köhler

Gemeinhin gilt das Segeln als eine langsame, beschauliche Art der Fortbewegung auf dem Wasser, moderne Frachtschifffahrt hingegen wird mit starken Motoren assoziiert. Kann man daher von einer Rückbesinnung sprechen, wenn Frachtschiffe wieder mit Segeln gedacht werden?

Uwe Köhler: Genau das war in der Vergangenheit das Problem. Wir sind aber heute im 21. Jahrhundert, verfügen über detaillierte Kenntnisse aus dem Bereich Admirals Cup, Volvo Ocean Race, und Super Yachten. Für uns ist der Challenge die Geschwindigkeit der Rennyachten auf Frachtsegler zu übertragen. Und da reden wir über Geschwindigkeiten die denen der Motorschiffe deutlich überlegen sind. Modernste Materialien, bis zum Exzess ausgereifte Rumpf Designs, und genaue Kenntnis der Wetter-, Strömungs- und Wellendaten der letzten zehn Jahre im Atlantik lassen uns Segelfrachter bauen, die den Motorschiffen gleicher Länge deutlich überlegen sind. 

Wird der Segelantrieb eine Renaissance erleben? Wie zukunftsträchtig ist das wirklich?

Der Ecoliner One, der die alte Tradition der Segelschifffahrt mit modernster Technik verbindet, soll erst der Anfang sein. Wir sehen in den kommenden 10 Jahren eine realistische Chance ca. 1,5 bis 2% der vorhandenen Motorschiffe durch Segelfrachter zu ersetzen. Das sind 1200 bis 2200 Schiffe. 

Was sind eure Pläne für die Zukunft? Wo seht ihr euch in den nächsten 5 bis 10 Jahren?

Wenn der Ecoliner erst einmal vom Stapel gelaufen ist soll es weitergehen. Unsere Vision ist es, in den nächsten Jahren eine Flotte von 30 bis 50 eigenen Segelfrachtern unterschiedlichster Ausrichtung aufzubauen. 

TATENDRANG ist das Interviewformat von RESET. Wir wollen wissen, wie unsere Interviewpartner zu ihren spannenden, innovativen und einzigartigen Projekten und Ideen aus den Bereichen Umwelt und globale Gerechtigkeit kamen, warum sie sich für genau das Thema einsetzen und wie schwer oder einfach sich das Projekt durchführen ließ. Damit wollen wir Ideen streuen, Projekte präsentieren und zu Aktionen anregen. Wir denken: Die Welt verändern kann jeder! Alle Interviews findest du hier: TATENDRANG

MARKIERT MIT
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Mit Wind und Segel: „Greenshipping“ mit dem Ecoliner

Glaubt man den Worten von Jorne Langelaan produzieren die 16 größten Schiffe der Welt genauso viel CO2 wie alle Autos zusammen. Die Lösung ist nicht neu: Windkraft. Der Segelfrachter Ecoliner bringt altes Wissen mit Hightech zusammen und setzt neue Maßstäbe im umweltschonenden Transport.