TATENDRANG: D-Rev – Design Thinking für die Gesundheit

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D-Rev, eine NGO, die lebenswichtige Medizintechnik für jene Menschen entwickelt, die von weniger als vier Dollar pro Tag leben müssen, haben wir euch schon vorgestellt. Die Hightech-Tüftler verbinden Design Thinking-Prinzipien mit kluger Planung und Entwicklung. Jetzt haben wir mit CEO Krista Donaldson gesprochen, um mehr über die innovativen Ansätze zu erfahren.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 01.01.15

Am Anfang steht ein Missstand, für den es bisher keine oder eine nur unzureichende Lösung gibt. Dies können z.B. fehlende Prothesen sein für Menschen mit einem sehr niedrigen Einkommen oder mangelnde finanzierbare Geräte für die Behandlung von Gelbsucht bei Neugeborenen. Darüber gilt es in einem ersten Schritt möglichst viel herauszufinden – mit allen Beteiligten, also den Betroffenen selbst, Ärzten, Herstellern und vielen mehr. Dann geht es weiter mit der Entwicklung eines Konzepts, der Herstellung eines Prototypen – und sehr vielen Tests. Denn schließlich sollen die lebenswichtigen Geräte und Prothesen auch wirklich die Menschen erreichen, für die sie bestimmt sind. Wichtig dazu ist eine einfache Handhabung, die Finanzierbarkeit für Krankenhäuser in armen Teilen der Welt und die Anpassung an teilweise extreme klimatische Bedingungen.

Mit diesem Vorgehen, das sich den Design Thinking-Prozess zu Nutze macht, hat das kleine Nonprofit-Unternehmen D-Rev bereits Blaulichtlampen entwickelt, um Neugeborene mit Gelbsucht in Ländern wie Afrika und Asien zu behandeln, und Knieprothesen für Patienten in Indien. Was es zur Entwicklung braucht? Drehbank, Fräsmaschine, Laserschneidmaschine, 3D-Drucker, die aus einem Weinkühlschrank gebastelte Klimakammer, um Auswirkungen von Feuchtigkeit, Temperatur oder Sand auf die Prototypen zu testen – und die Bereitschaft, nicht einfach nur neue Technologien auf den Markt zu werfen, sondern einen kollektiven Entwicklungsprozess einzugehen.

Das macht Sinn – und funktioniert: Die Organisation hat mittlerweile 6000 Knieprothesen und 510 Blaulichtlampen gegen Neugeborenen-Gelbsucht ausgeliefert.

Wie kamst du zu D-Rev?

Krista Donaldson (rechts) spricht mit einem Arzt.

D-Rev wurde 2007 von Kurt Kuhlmann und Paul Polak gegründet. Ich kam 2009 dazu durch Jim Patell, einem langjährigen D-Rev Vorstandsmitglied und Gründer des Programms d.school Entrepreneurial Design for Extreme Affordability. Angelockt bei D-Rev hat mich die Verbindung aus dem user-zentrierten Ansatz und der Einsatz marktbasierter Modelle für Produktdesign und Vergabe.

Wie identifiziert ihr die Lösungen, die ihr mit D-Rev entwickelt?

D-Rev nutzt ein Set an Tools, um die Projekte herauszufiltern. Das wichtigste ist: Wir starten niemals mit einer Lösung – wir starten mit einem von Nutzern definierten Problem. Zum Beispiel ist unser Brilliance Produkt daraus entstanden, dass ein Arzt in Indien eine Lücke identifizierte in der günstigen, hochwertigen Behandlung von Gelbsucht bei Neugeborenen. Daraufhin hat D-Rev mit allen Beteiligten zusammengearbeitet – Ärzten, Pflegepersonal, Müttern, Händlern, Herstellern – um ein Gerät zu entwickeln, das am besten zum Bedarf passt.

Nachdem ihr einen Prototypen entwickelt habt – was sind die nächsten Schritte?

Ist der Prototyp fertig beginnen Feldtests, um Feedback von den Usern zu erhalten. Danach machen wir uns daran, eine Einschätzung des Marktes zu erhalten.

Was waren die größten Herausforderungen bis jetzt und wie habt ihr sie überwunden?

Dazu fallen mir zwei Sachen ein:

Die erste: D-Revs Modell ist knifflig, da wir ein non-profit Unternehmen sind, das sich in seinem Vorgehen, marktbasierte Verkäufe zu erzielen und durch den Einsatz von innovativen Technologien und strategischen Partnerschaften teilweise wie ein for-profit verhält. Wir sehen es so: Wir machen uns die besten Praktiken aus beiden Welten zunutze, aber ein Ergebnis ist, dass wir unter Druck geraten, wenn wir philanthropisches Geld nehmen, um einen for-profit Ansatz umzusetzen.

Das zweite ist, dass wir oft in Bereichen arbeiten, in denen es eine große Unsicherheit gibt. Wir müssen flexibel bleiben weil sich Sicherheit und politische Lage schnell wandeln können.

Wie waren die Reaktionen bisher?

Die Reaktion waren sehr unterstützend. Ich konzentriere mich auf die Social Impact Community – D-Rev wird hier wirklich gefeiert für seinen Impact und seine Transparenz. Wir haben z.B. sehr viel Unterstützung für unser öffentliches Impact Dashboards erhalten, aber nicht für die Darstellung der Informationen, sondern auch für die Handbücher, die dazu gehören und die dazu da sind, dass unsere Community versteht, wie die Zahlen jeweils zustande kommen und alle von unserem schrittweisen Ansatz lernen können.

Was denkst du, welche Rolle Design und Technologie in Zukunft im sozialen und Umweltbereich spielen werden?

Ich denke, dass es wichtig ist, daran im Zusammenhang des Designs von Systemen zu denken, nicht an Produkte. Wenn ein Designer niemals seinen anvisierten User erreicht, dann haben wir keinen Einfluss. In Bezug auf die Umwelt z.B. gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Umweltschutz und der Lebensgrundlage der Menschen in den betroffenen Gebieten. Dies zeigt z.B. ein Blick auf Health in Harmony: Die NGO hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen im indonesischen Regenwald eine gute Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, was dazu führt, dass sie keine Bäume mehr fällen müssen, um Ärzte etc. zu finanzieren.

Mehr über D-Rev erfährst du auf ihrer Webseite.

Das Interview führte Anna Rees für RESET International.

TATENDRANG ist das Interviewformat von RESET. Wir wollen wissen, wie unsere Interviewpartner zu ihren spannenden, innovativen und einzigartigen Projekten und Ideen aus den Bereichen Umwelt und globale Gerechtigkeit kamen, warum sie sich für genau das Thema einsetzen und wie schwer oder einfach sich das Projekt durchführen ließ. Damit wollen wir Ideen streuen, Projekte präsentieren und zu Aktionen anregen. Wir denken: Die Welt verändern kann jeder! Alle Interviews findest du hier: TATENDRANG

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