„Wetterextreme schlagen in Europa mittlerweile deutlich härter zu, als die Klimaforschung es sich hätte träumen lassen“, stellt nicht nur das Wuppertal Institut fest. An kaum jemandem dürften die in ihrer Frequenz sich erhöhenden Bilder brennender Wälder, überfluteter Landschaften und von Stürmen zerlegter Häuser vorbeigegangen sein. Und in vielen Ländern des Globalen Südens fallen die Wetterextreme noch viel heftiger aus. Wir sind schon mitten im Klimawandel - und es ist höchste Zeit zu handeln. Leider hinken fast alle Länder beim Klimaschutz hinter den eigenen Zielen hinterher. Auch für Deutschland ist das schon ziemlich zeitnahe EU-Emissionsreduktionsziel, bis 2030 40 Prozent weniger CO2 in die Atmosphäre zu emittieren, mit dem aktuellen Kurs der Bundesregierung schier unerreichbar.
Die gute Nachricht: Die Ursachen des Klimawandels sind bekannt und die Wege aus der Krise auch. In der Forschung wurden über die letzten Jahrzehnte sehr konkrete Transformationspfade erarbeitet. Die Studie Klimaneutrales Deutschland 2045 zeichnet zum Beispiel ein Szenario, mit dem Klimaneutralität bereits 2045 möglich ist - mit dem heutigen Stand der Technik.
Einer der größter Hebel auf dem Weg zu Klimaneutralität in Deutschland ist es, bei der Energiewirtschaft und Industrie anzusetzen. Aktuell verursacht dieser Sektor die meisten CO2-Emissionen: Die Erzeugung von Strom und Fernwärme in öffentlichen Kraftwerken und die Herstellung von Kohle- und Mineralölprodukten ist für mehr als ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich.
Mit dem RESET Greenbook „Energiewende- Die Zukunft ist vernetzt" hat sich das Redaktionsteam von RESET.org daher auf die Suche nach Antworten auf die Frage begeben, wie die Transformation hin zu einem klimaneutralen Energiesystem vorangetrieben werden kann. Der Schwerpunkt lag dabei auf digitalen Lösungen und technische Innovationen in der Energiewirtschaft und neuen Impulsen in der Industrie. Das Greenbook ist Teil des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekts „Mission Klimaneutralität“. Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse zusammengefasst.
Bereits heute sind Wind, Sonne, Biomasse und Wasser wichtige Energiequellen; ihr Anteil am Stromverbrauch stieg von gerade mal 6,5 Prozent im Jahr 2000 auf 41,1 Prozent im Jahr 2021.
In einem Gutachten des Öko-Instituts gehen die Autor*innen davon aus, dass die Energiewirtschaft ihr Sektorziel der im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimamaßnahmen für 2030 tatsächlich unterschreiten könnte (andere zentrale Sektoren wie Verkehr, Industrie und Gebäude leider nicht!). Allerdings nur dann, wenn der Kohleausstieg tatsächlich bis 2030 gelingt, erneuerbare Energien ab sofort massiv ausgebaut werden und sich die CO2-Preise des europäischen Emissionshandelssystems erhöhen.
Vergessen werden sollte jedoch nicht, dass der Stromverbrauch in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach weiter steigt, da auch die Mobilität und andere Sektoren nach und nach auf Strom umgestellt werden sollen.
Hoffnung auf einen sich in den nächsten Jahren beschleunigenden Ausbau erneuerbarer Energien macht nicht nur, dass die Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie immer kostengünstiger wird, sondern auch, dass sich bereits bestehende Technologien stetig weiterentwickeln. Beispiele sind Entwicklungsschübe bei der Herstellung von Wasserstoff, der Energiegewinnung aus Abwärme oder der Agro-Photovoltaik.
Zudem sind in den letzten Jahren verschiedene neue Speichertechnologien hinzugekommen. Effiziente und kostengünstige Speicher sind ein wesentlicher Baustein für die Transformation unseres Energiesystems, da die Ausbeute aus Sonnen- und Windenergie schwankt. Speicher helfen den Strombedarf zu bedienen, indem sie Strom einlagern, wenn es einen Überschuss gibt, und wieder abgeben, wenn Flaute herrscht. Welche Technologien sich durchsetzen werden, wird sich noch zeigen müssen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über verschiedene Speichermöglichkeiten: Energiespeichersysteme - Der Dreh- und Angelpunkt der Energiewende.
Daneben sind wesentliche Aspekte zur fossilen Unabhängigkeit Intelligenz und Effizienz im Netz. Ein Energiesystem, das sich aus erneuerbaren Energien speist, bedeutet eine zunehmende Dezentralisierung der Energiequellen und die Beteiligung von einer steigenden Anzahl an Akteur*innen am Markt. Die dadurch steigende Komplexität des Energiesystems erfordert neue Steuerungs- und Regelungsmechanismen: Lastflüsse und Netze müssen intelligent gesteuert werden und gleichzeitig Verbräuche durch mehr Effizienz sinken. Genau hier setzen digitale Technologien an und schaffen so eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende.
Für das komplexer werdende Energiesystem der Zukunft, in das mehr und mehr kleine und mittlere Erneuerbare-Energien-Anlagen integriert werden, sind neue, intelligente Mess- und Kommunikationstechnologien gefragt. Das Ziel ist es, damit ein „Smart Grid“, also ein intelligentes Stromnetz, aufzubauen, innerhalb dessen nicht nur Energie, sondern auch Daten transportiert werden, die es u.a. Netzbetreiber*innen ermöglichen, zeitnah Informationen zu Stromproduktion, -transport, -speicherung und -verbrauch zu erhalten, auszuwerten und auf dieser Basis Stromflüsse zu steuern. Algorithmen und digitale Tools können dabei unterstützen.
Intelligenz im Energiesystem bedeutet daneben aber auch, den Verbrauch zu flexibilisieren. „Das ist ein relativ neuer Gedanke, also dass man sagt, dass die Verbraucher nicht mehr linear einfach weiter verbrauchen, sondern dass sie dann mehr verbrauchen, wenn mehr Strom vorhanden ist, und weniger, wenn weniger Strom erzeugt wird“, sagt Severin Beucker, Mitgründer des Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit. Das bedeutet zum Beispiel, ein Elektroauto dann zu betanken oder in einem Haus Warmwasser zu erzeugen, wenn die Wind- und Sonnenenergieproduktion gerade auf Hochtouren läuft oder nachts, wenn das Energieniveau insgesamt niedrig ist. „Das ist Digitalisierung, denn alles, was wir dazu brauchen, ist fein verteilte Intelligenz. Ich muss wissen, wann wo wie viel Energie gebraucht wird und wann wo viel Energie erzeugt wird. Und diesen Bedarf und die Produktion, die muss ich aufeinander abstimmen.“
Die intelligente Vernetzung ermöglicht aber auch, den Strom zwischen verschiedenen Akteuren bzw. Sektoren hin- und herzuschieben, die sogenannte „Sektorkopplung“.
Wie das intelligente, klimaneutrale Quartier der Zukunft aussehen kann, wird zum Beispiel auf dem ehemaligen Pfaff-Betriebsgelände erprobt: Gründächer mit Photovoltaik (PV) und gebäudeintegrierte Solarpaneele an Fassaden und im öffentlichen Raum sollen einen Großteil des Energiebedarfs vor Ort erzeugen. Dezentrale Lithium-Ionen-Batterien innerhalb von Gebäuden und eine zentrale Redox-Flow-Batterie sorgen dafür, dass der lokal produzierte Strom auch vor Ort genutzt werden kann. Gleichzeitig sind alle Sektoren miteinander verbunden, so dass Strom und Wärme zwischen den verschiedenen Produzenten und Konsumenten –Solaranlagen, Wärmepumpen, Stromspeichern, Elektroautos, Haushalten – fließen können. Über einen elektrischen Smart Grid sind alle Stromverbrauchszähler und sonstigen Komponenten des Stromnetzes mit einem Datennetz verbunden und Strom und Wärme werden über ein digitales Energiemanagementsystems verteilt und lokal optimiert.
Auch in kleineren und mittleren Energiegemeinschaften, seien es Mietergemeinschaften, lokale Netzwerke aus Solaranlagenbetreibenden und Verbraucher*innen oder ganze Dörfer, können digitale Technologien den Peer-to-Peer-Handel und Energy-Sharing erleichtern. Hier geht es vor allem darum, Lösungen zu finden, wie Strom zwischen den verschiedenen „Zellen“ gehandelt werden kann. Ihr digitales Abbild können diese Energiegemeinschaften zum Beispiel in Virtuellen Kraftwerken (VPP) finden. Im Wesentlichen wird dazu der zentrale Kontrollraum großer, fossiler Kraftwerke durch den Einsatz von Software nachgebildet. Zusätzlich zum Energiehandel, dem Energieausgleich und der Nachfragesteuerung – die Anpassung der erzeugten Strommenge an die Nachfrage – können über VPPs die aktuellen Verbrauchsdaten mit Wetter- und Prognoseinformationen kombiniert werden, so dass eine sehr feine Netzsteuerung- und Planung möglich ist.
Auch wenn Pilotprojekte wie das Pfaff-Quartier und verschiedene Ansätze Virtueller Kraftwerke den Weg weisen, so sind in Deutschland noch nicht die wesentlichen Voraussetzungen für intelligente, dezentrale Netze und die Einbindung und Flexibilisierung aller Akteur*innen geschaffen. Sowohl bei der Digitalisierung der eigentlichen Energienetze - zum Beispiel Transformatoren und Umspannwerke - als auch auf Ebene der Haushalte bzw. Verbrauchsgemeinschaften stehen wir am Anfang: Erst jetzt werden nach und nach digitale Messeinrichtungen wie zum Beispiel Smart Meter (intelligente Zähler) eingebaut.
Gleichzeitig ist die Effizienz ein wichtiger Aspekt, damit die Transformation zu 100 Prozent Erneuerbaren gelingt. „Wir denken immer, wir würden die Probleme lösen, indem wir alles erneuerbar machen. Aber wir kommen von einem viel zu hohen Energieniveau. Auch für die erneuerbaren Energien sind die Flächen und die Möglichkeiten sehr begrenzt“, so Beucker. Soll die Energiewende also schnell umgesetzt werden, geht es darum, das Energieniveau insgesamt zu senken. Nur durch die Reduktion um 50 Prozent bis 2050 ist eine vollständige Umstellung auf Erneuerbare Energien überhaupt realistisch (vgl. Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut 2020).
Eine wichtiger Schritt, um die Effizienz in der Energiewirtschaft zu erhöhen, ist ein Netzausbau, der sich am tatsächlichen Bedarf orientiert, also Leitungen, Transformatoren und Umspannwerke so zu bauen, dass sie ein Gebiet optimal versorgen. Unter anderem Simulationen eines Energienetzes bzw. einer Energiegemeinschaft können dabei helfen, die Infrastruktur passgenau planen zu können. Ein Bespiel dafür ist PowerTAC. Das Open-Source-Projekt nutzt maschinelles Lernen für Simulationen und Prognosen und hilft so, ein besseres Verständnis für die Gestaltung des komplexen Energiemarkts zu erhalten.
Zusätzlich ist unverzichtbar, Energiesparpotenziale zu erkennen und sämtliche Prozesse durch eine intelligente Steuerung zu optimieren. Ein erster wichtiger Schritt ist dabei die Analyse des Systems, also zu prüfen, wo wie viel Energie für was verbraucht wird. Das interdisziplinäre Team von Etalytics beispielweise hat dazu eine ausgeklügelte Software auf Basis von Künstlicher Intelligenz entwickelt. Zahlreiche Sensoren innerhalb der Energiesysteme - das kann ein Heiz-oder Kühlsystem in einem Unternehmen oder eine Produktionsstrecke in einem industriellen Betrieb sein - erheben permanent Informationen über die Produktivität und den Zustand der Anlagen. Die KI von Etalytics führt diese Daten zusammen und berechnet dann in Echtzeit, wie die Betriebsstrategie innerhalb der Systeme so optimiert werden kann, dass möglichst wenig Energie aufgewendet werden muss. Schließlich werden die optimierten Daten in einzelne umsetzbare Schritte umgewandelt. Neben der Erhöhung der Energieeffizienz kann Etalytics die Systeme auch daraufhin optimieren, die Energieflexibilität zu erhöhen.
In einem Rechenzentrum konnte Etalytics mit seiner intelligenten Software 50 Prozent der Energie zum Kühlen der Server (was den Großteil des Energiebedarfs von Rechenzentren ausmacht) einsparen. Die intelligente Software des Startups soll jedoch nicht nur in Unternehmen und Produktionsanlagen eingesetzt werden können, sondern auch in Gebäudekomplexen, bei Energieversorgern – und vielleicht auch in den „Smart Cities“ der Zukunft.
Auf der Suche nach Lösungen für eine Dekarbonisierung der Energiewirtschaft ist die Industrie der Elefant im Raum. 26 Prozent des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs - wobei der Primärenergieverbrauch sogar noch höher liegt - gehen auf die Industrie zurück. Vor allem die chemische Industrie, aber auch die Metall- und die Mineralölindustrie, tragen erheblich dazu bei. Das hat damit zu tun, dass hier viele energieintensive thermische Prozesse betrieben werden, d.h. große Mengen an Rohstoffen oder Zwischenerzeugnissen werden stark erhitzt oder abgekühlt.
Grischa Beier, der am Institute For Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam zu Industrie 4.0 forscht, sieht durchaus Bewegung in der Entwicklung von Verfahren, die thermische Verfahren mit den existierenden Schwachstellen - allen voran ihre schwankenden Erträge - von erneuerbaren Energien zusammenbringen. Aufwärm-Prozesse werden zum Beispiel genutzt, um Energie zu speichern. „Wenn metallische Werkstoffe erhitzt werden müssen, kann man die Schlacke stärker erhitzen als eigentlich notwendig, wenn sehr viel erneuerbarer Strom im Energiesystem ist. So kann man das Metall dann für eine bestimmte Zeitspanne abkühlen lassen, wenn Energie gerade knapp ist.“ Gleichzeitig wird daran geforscht, wie energieintensive Prozesse ressourceneffizienter werden können. Neue Verfahren in der Zementindustrie sind ein Beispiel dafür.
Digitale Technologie kommen in der Industrie vor allem dann zum Einsatz, wenn es um Ressourceneffizienz geht, also darum, wie Produkte mit so wenig wie möglich Energie und anderen Ressourcen hergestellt werden können. Dazu gibt es unterschiedliche Ansätze, zum Beispiel die verbesserte Wartbarkeit und ein verbesserter Support durch intelligente Software, wodurch letztlich Material eingespart werden soll.
Gleichzeitig gibt es auch viele Möglichkeiten, Produktionsprozesse auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Netz verfügbare Energiemengen abzustimmen, das sogenannte „Demand Response Management“. „Zu den Zeitpunkten, wo durch Sonne und Wind viel erneuerbare Energie verfügbar ist, wird verstärkt produziert. Und andererseits können Produktionsprozesse zu den Zeitpunkten, wo Energie knapp ist, runtergefahren werden. So wird insgesamt – systemisch gedacht – weniger Energie verschwendet und die verfügbare Energie optimal genutzt“, sagt Grischa Beier. Wie so eine intelligente Steuerung umgesetzt werden kann, wurde bereits mit der Software von Etalytics gezeigt.
Auch wenn weniger aus Klimaschutzgründen, sondern meistens eher mit dem Gedanken der Prozessoptimierung und Gewinnmaximierung, ist die Industrie laut Grischa Beier effizienter geworden: „Die Verbräuche an Energie bleiben relativ konstant über die Jahre, obwohl der Output – also das, was produziert wird-, eigentlich zunimmt. Die Schlussfolgerung für mich daraus ist, dass die Verfahren effizienter werden.“ Welchen Anteil die Digitalisierung bzw. die Industrie 4.0 daran hat ist eine Frage, die in der Forschung noch nicht abschließend geklärt ist. Was aber klar ist: Die CO2-Emissionen der Industrie sind nach wie vor zu hoch und neben der Umstellung auf erneuerbare Energien sind weitere, massive Effizienzsteigerungen nötig. Große Chancen stecken in der Kreislaufwirtschaft.
Der Kerngedanke der Kreislaufwirtschaft, auch Circular Economy genannt, ist, Ressourcen möglichst lange in einem geschlossenen Kreislauf zu halten. Ausgediente Produkte, deren Komponenten oder die recycelten Rohstoffe werden so zum Ausgangspunkt für neue Produkte. Insbesondere in der Industrie können geschlossene Kreisläufe dafür sorgen, dass von vorneherein weniger Rohstoffe zugeführt und weniger neue Produkte produziert werden. Wie digitale Technologien darin unterstützen zeigen die Projekte EIBA und DIBIChain.
Ob ein Produkt recycelt oder wiederaufbereitet werden kann oder entsorgt werden muss, darüber entscheidet die Art und der konkrete Zustand. Dazu gilt es zu klären, woraus ein Produkt besteht und was davon noch brauchbar ist. Aktuell ist dieser Prozess kompliziert und zeitaufwändig. Das liegt vor allem daran, dass wenig Informationen zu den Produkten mitgeliefert werden als auch die Identifikation einzelner Komponenten oft schwierig ist. Im Projekt EIBA wird eine KI entwickelt, die Alt-Teile identifiziert, damit sie schneller erkannt und leichter wiederverwertet werden können. Dazu werden sensorisch erfasste Daten und weitere Informationen mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet und zu einer Entscheidungsempfehlung formuliert. Aktuell wird das System auf gebrauchte Fahrzeugaltteile in der Industrie trainiert, doch in Zukunft soll es die EIBA-Technologie auch als App geben, so dass der „Alt-Teil-Detektor“ genauso von kleinen Unternehmen und Werkstätten oder Privatpersonen ohne spezielle Hardware eingesetzt werden kann.
Ausgangspunkt im Projekt EIBA sind Alt-Teile, über die keine weiteren Informationen vorliegen und die im Nachhinein aufwändig identifiziert werden müssen. Ein wesentlicher Schritt für die Kreislaufwirtschaft der Zukunft ist es, sämtliche relevante Produktdaten von Anfang an zu erfassen. Das Tracking der Materialien, deren Veredelung und Verarbeitung entlang der gesamten Lieferkette - von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Rückführung in die Stoffkreisläufe - erleichtert deren Kreislaufführung. Doch nicht nur das: Transparente Lieferketten können auch dabei helfen, faire Arbeitsbedingungen umzusetzen. Das Forschungsprojekt DIBIChain erprobt dazu eine Blockchain-Anwendung, in die alle Teilnehmer*innen einer Lieferkette die für das Lifecycle Assessment relevanten Daten verschlüsselt eingeben können.
Eine klimaneutrale Industrie – wie im übrigen auch ein klimaneutrales Energiesystem insgesamt - ist mit einer intelligenten Steuerung und effizienten Produktionsprozessen allein jedoch kaum zu erreichen. Solange Menschen möglichst viel besitzen wollen und stetiges Wirtschaftswachstum das oberste Ziel ist, muss auch immer mehr produziert werden - und die CO2-Emissionen bleiben auf einem hohen Niveau. Gefragt ist Suffizienz und damit gemeint ist nicht weniger als ein gesellschaftlicher Wandel hin zu einem Konsumverhalten und Wirtschaftsgebaren, das auch die Begriffe „weniger“ und „ausreichend“ kennt. Suffizienzstrategien umzusetzen ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die ein Umdenken auf kultureller, politischer und ökonomischer Ebene erfordert.
Bei der Nutzung digitaler Technologien lassen sich durchaus Suffizienzstrategien umsetzen, zum Beispiel, indem nur dort digitalisiert wird, wo Technologien wirklich eine nachhaltige Verbesserung erzielen, und nur so viele Daten wie nötig erhoben werden.
Auch wenn eine ganze Reihe von positiven Beispielen zeigen, dass der Energieverbrauch mithilfe digitaler Technologien sinken kann, gibt es viele Fälle, in denen der Einspareffekt nicht den Energieverbrauch des Entwicklungsprozesses und der Nutzung ausgleicht, denn: Auch digitale Technologien sind energiehungrig. Jeder Prozess, der digitalisiert wird, benötigt als erstes Material - Sensoren, Prozessoren, Datenleitungen - und Energie für die Programmierung, das Training und später im Betrieb.
Forschende haben beispielweise errechnet, dass das Antrainieren einer KI ungefähr so viel CO2 erzeugt wie fünf PKW über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg, also von der Produktion über den Betrieb bis zur Entsorgung. Die Zahlen wurden in diesem Fall für eine ziemlich komplexe Spracherkennungs-KI berechnet und dürften relativ hoch angesetzt sein. Dennoch geben sie einen Eindruck davon, wie energieintensiv die Entwicklung von KI ist.
Auch die Herstellung und Entsorgung der Hardware der digitalen Infrastrukturen tragen zu dem erheblichen Fußabdruck der Digitalisierung bei. Vergleicht man beispielsweise eine moderne Messeinrichtung (IMS) (ohne Smart-Meter-Gateway) mit einem klassischen Ferraris-Zähler (aktuelles Zähler-Modell in Haushalten), verursacht die Herstellung einer IMS 91 kg CO2-Äquivalente, während ein Ferraris-Zähler bei ca. 8 kg CO2-Äquivalenten liegt. Zusätzlich steigt der Stromverbrauch im Betrieb einer IMS, sobald ein Smart-Meter-Gateway dazu kommt.
Das Bottleneck der Digitalisierung sind Rechenzentren, da sämtliche Datenflüsse letztlich hier verarbeitet werden. Alleine im Jahr 2021 verbrauchten Rechenzentren in Deutschland 17 Mrd. Kilowattstunden Strom - und die Tendenz ist steigend.
Bei der Bewertung des Impacts digitaler Technologien muss daher immer genau betrachtet werden, in welchem Verhältnis Ressourcen- und Energieaufwand in der Produktions- und Nutzungsphase zu den tatsächlichen Einsparungen in einem System stehen.
Digitale Technologien gelten als „Enabler“ des zügigen Ausbaus der Erneuerbaren Energien, wie auch eine Studie von Germanwatch feststellt. Dabei kommt ihnen eine Schlüsselfunktion bei Lösungen für die Herausforderungen der Dezentralisierung, Flexibilisierung und effizienten Nutzung von Energie zu, wie auch die von uns vorgestellten innovativen Forschungsprojekte und Startups illustrieren:
Digitale Technologien können Stromangebot und -nachfrage aufeinander abstimmen, indem sie Produktion und Verbrauch zeitnah erfassen. Sie schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Energie zwischen Produzent*innen, Verbraucher*innen und Stromspeichern intelligent verteilt werden kann und so die Stromnetze stabil bleiben und möglichst wenig Energie ungenutzt verpufft. Mit ihnen ist ein Energieaustausch über Sektorgrenzen hinweg möglich und sie versetzen Verbraucher*innen in die Lage, auf variable Versorgungstarife zu reagieren.
Damit können digitale Technologien zu einem Energiesystem beitragen, dass mit Intelligenz und Flexibilität die durch erneuerbare Energien bereitgestellte Energie bestmöglich nutzt, Peaks und Flauten ausgleicht und durch Effizienz Verbräuche reduziert. Fossile Energieträger wie Kohle und Gas werden in einem solchen Energiesystem verzichtbar.
Zudem steckt in einer intelligent vernetzten Energiewelt die Chance, dass sich neue Geschäftsmodelle jenseits der Big-Player des Energiemarkts etablieren und Demokratisierungsprozesse in Gang gesetzt werden. Gute Beispiele sind der Peer-to-Peer-Handel und Energy-Sharing-Modelle; hier bilden sich neue Energie-Gemeinschaften, die sich dezentral und lokal aus Solaranlagen und Windrädern versorgen.
Allerdings ist ein intelligentes und effizientes Energiesystem noch längst nicht Realität. Im Moment sind es hauptsächlich kleine Bereiche, die digitalisiert werden, ein durchgängiger Austausch über das gesamte Energiesystem besteht nicht. Damit sind die Potenziale, mithilfe digitaler Technologien die Energiewende voranzutreiben, derzeit noch weitaus größer als die Akzeptanz und Nachfrage seitens der Bevölkerung, Unternehmen und Industrie.
Es ist davon auszugehen, dass die großen Energieunternehmen die Digitalisierung des Netzes vorantreiben, da sie selbst ein Interesse an den Daten und der intelligenten Steuerung haben. Um Datenmonopole zu vermeiden, möglichst vielen Akteur*innen die Teilhabe am Energiemarkt zu ermöglichen und einen hohen Datenschutz zu gewährleisten sollte diese Entwicklung jedoch nicht allein der Energiewirtschaft überlassen bleiben.
Dazu kommt: Digitale Technologien schaffen zwar wichtige Voraussetzung für die Energiewende. Dass sie aber tatsächlich zu mehr Effizienz beitragen und Stromverbräuche reduzieren, ist kein Selbstläufer. Auch die Produktion der Hardware, die Programmierung – und bei Anwendungen auf Basis Künstlicher Intelligenz das Training – und der Betrieb digitale Technologien benötigen erhebliche Mengen Energie und Ressourcen. Schon heute macht die Herstellung und Nutzung digitaler Geräte und Dienstleistungen 8 bis 10 Prozent der weltweiten Stromnachfrage aus - und verschiedene Szenarien rechnen mit einem weiteren nutzungsbedingten Anstieg um 50 bis 80 Prozent bis 2030.
Eine wichtige Voraussetzungen für eine zügige Energiewende ist es, die Produktion erneuerbarer Energien und deren dezentralen Austausch zu erleichtern. Dazu gilt es entsprechenden Rahmenbedingungen auf politischer Ebene zu schaffen, u.a. die Beseitigung der bürokratischen Hürden für die Gründung von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, die Förderung regionaler Kraftwerke für erneuerbare Energien zur Unterstützung kommunaler Netze, die Flexibilisierung der Energietarife, um den Verbrauch an die Verfügbarkeit von erneuerbaren Strom zu koppeln und die Förderung von Bürgerbeteiligung und Mitgestaltung, um die Akzeptanz zu erhöhen.
Zudem muss die technische Infrastruktur geschaffen werden, damit sich ein vernetztes, intelligentes und effizientes Energiesystem entwickeln kann. Dazu gehört unter anderem eine Digitalisierung der Netze und der Einbau intelligenter Zähler (Smart Meter) insbesondere bei Großverbraucher*innen. Smart Meter können Verbrauchsdaten in regelmäßigen Abständen ermitteln, automatisch übermitteln und Zugriffsrechte verwalten. Indem sie Energieversorger, Verbrauchsgeräte und Stromnetz miteinander verbinden, bilden sie eine wichtige Schnittstelle zur Steuerung dezentraler Stromerzeuger wie Photovoltaik- oder Windenergieanlagen, aber auch zur Organisation von Energie-Gemeinschaften. Zudem können mithilfe der intelligenter Zähler flexible Stromtarife eingeführt werden, die Preisschwankungen und Stromnachfrage berücksichtigen.
Andererseits gilt es, die Digitalisierung selbst nachhaltig zu gestalten und den Klima- und Ressourcenschutz, Datenschutz und soziale Gerechtigkeit im Blick zu behalten. Dafür sind entsprechende politische Rahmenbedingungen und Leitplanken nötig:
Eine derart aktiv gestaltete Digitalisierung kann dazu beitragen, dass die Dekarbonisierung unseres Energiesystems bis 2050 gelingt. Wirksame Lieferkettengesetze und Maßnahmen wie der digitale Produktpass und der Blaue Engel für Rechenzentren und Software, wie sie in der Digitalagenda des BMU angelegt sind und sich teilweise schon in der Umsetzung befinden, sind erste wichtige Schritte auf diesem Weg - aber noch lange nicht ausreichend.
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Um dem entgegenzuwirken, hat die Europäische Kommission den REPowerEU-Plan vorgestellt, der 2021 von der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC), dem Wissenschafts- und Wissensdienst der Europäischen Kommission, ins Leben gerufen wurde. Das Projekt skizziert Maßnahmen zur Energieeinsparung, zur Diversifizierung der Energieversorgung und zum beschleunigten Ausbau von Solaranlagen und Windparks. Seit März 2022 kartieren die EU-Mitgliedstaaten geeignete Land- und Meeresgebiete für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien.
Digitale Karten spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die optimalen Standorte für solche Anlagen zu ermitteln. Das Energy and Industry Geography Lab (EIGL) nutzt zu diesem Zweck interaktive Karten zur Darstellung von Energie-, Industrie- und Infrastrukturdaten. Mit diesem Instrument können die Länder das Potenzial für erneuerbare Energien bewerten und die besten Gebiete für Anlagen ermitteln. Dabei werden Gebiete berücksichtigt, die für erneuerbare Energiesysteme geeignet sind. Ökologisch wertvolle Gebiete wie Lebensräume für Wildtiere werden ausgeschlossen.
Verschiedene öffentlich zugängliche Datensätze bilden derzeit die Grundlage für die Arbeit des EIGL. In Zukunft sollen weitere relevante Datensätze hinzugefügt werden. Das Kartierungsinstrument dient dazu, nationale und regionale Behörden bei fundierten Planungsentscheidungen in Bezug auf erneuerbare Energien zu unterstützen und einen gemeinsamen Austausch zu fördern.
"Wissenschaft und Technologie werden uns dabei helfen, die aktuellen globalen Bedrohungen und Herausforderungen, wie den grünen und digitalen Wandel, konkret anzugehen. Zum ersten Mal wurden Daten zur Energie- und Industrieinfrastruktur in einer einzigen Karte kostenlos zusammengefasst, um die Dekarbonisierung besser planen zu können, die wir alle brauchen – um den europäischen Green Deal zu erreichen", so Mariya Gabriel, Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend.
Die im Energy and Industry Geography Lab enthaltenen Informationen können auf vielfältige Weise verwendet werden. Die Nutzer*innen können Daten filtern, sortieren und exportieren. Außerdem können die Karten in verschiedenen Formaten geteilt werden. Die Suchleiste ermöglicht es den Nutzer*innen, alle Datenebenen zu erkunden und nach geografischen Merkmalen wie Städten, Provinzen, Gewässern und Bergen zu suchen.
Das System des EIGL hat aktuell noch gewisse Schwächen beziehungsweise sind die eingespeisten Daten noch unvollständig. So werden beispielsweise viele der Datenpunkte nur jährlich aktualisiert – wobei einige beispielsweise einen Stichtag im Dezember haben, andere im März. Dies könnte die Daten verfälschen und dazu führen, dass die darauf aufbauende Karte nicht vollständig korrekt ist. Allerdings sind solche Auswirkungen verhältnismäßig gering.
Auch wenn das Kartierungstool den Mitgliedstaaten hilft, indem es Zugang zu relevanten Datensätzen in ganz Europa auf einer einheitlichen Plattform bietet, liegt die Identifizierung von Schlüsselgebieten in der Verantwortung von Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträger*innen.
Der verstärkte Druck der EU auf ihre Mitgliedstaaten, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, ist eine positive Triebkraft, um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und die Treibhausgasemissionen zu senken. Letztendlich sind es jedoch nicht die Werkzeuge, die die Arbeit machen – sondern die Menschen, die sie nutzen.
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Eine neue Studie der Universität Oxford legt jedoch nahe, dass das so nicht stimmt. Dass fossile Brennstoffe schmutzig sind, steht auch hier außer Frage, aber sie sie sind keinesfalls billig.
Das Oxford Institute for New Economic Thinking untersuchte historische Preisdaten sowohl für erneuerbare als auch für fossile Energieträger, um einen Langzeitvergleich zu erstellen. Die Daten für fossile Brennstoffe reichten bis zum Höhepunkt der industriellen Revolution in den 1880er Jahren zurück. Über den gesamten Zeitraum von 140 Jahren und inflationsbereinigt kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass die Preise für fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas stark schwanken und erhebliche Steigerungen und Rückgänge aufweisen. Ein langfristiger Trend wäre dabei nicht erkennbar. Wichtig ist jedoch, dass die Preise für fossile Brennstoffe heute weitgehend die gleichen sind wie 1880, in den meisten Fällen sind sie sogar teurer.
Gleichzeitig werden erneuerbare Energien immer günstiger. Obwohl sie ursprünglich viel teurer waren, sind sie heute auf dem gleichen Preisniveau wie Öl und nähern sich Kohle und Gas an. Im Durchschnitt sind die Kosten für erneuerbare Technologien wie Solar- und Windenergie und Akkumulatoren seit ihrer Markteinführung um etwa zehn Prozent pro Jahr gesunken – und sinken weiter.
Hinzu kommt, dass die fossilen Brennstoffe zwar derzeit mehr Energie liefern, ihre Produktionsmenge aber seit 1880 nur geringfügig zugenommen hat. In vielen Fällen ist sie auf einem Plateau angelangt. Erneuerbare Energien hingegen haben an Effizienz gewonnen und nähern sich nun dem Produktionsniveau der fossilen Brennstoffe an.
Auf der Grundlage dieser Daten entwickelte das Team mithilfe probabilistischer Modelle drei Zukunftsszenarien (schneller Übergang, langsamer Übergang und kein Übergang) für den Übergang von nicht erneuerbaren zu erneuerbaren Energiequellen und bewertete die voraussichtlichen Kosten für den Zeitraum von 2020 bis 2070. Dabei legt ihre Analyse nahe, dass ein schneller Übergang zu erneuerbaren Energien (bis 2050) deutlich günstiger ist als das Modell "Langsam" und "Kein Übergang". Sie kamen zu dem Schluss, dass die jährlichen Energiesystemkosten für das Modell des schnellen Übergangs bis 2050 um 514 Milliarden USD niedriger sind als bei dem Szenario ohne Übergang. Berücksichtigt man Änderungen bei den Zinssätzen und die zusätzlichen Kosten, die fossile Brennstoffe in anderen Bereichen der Gesellschaft verursachen würden, kommt das Team zu dem Schluss, dass die Einsparungen letztlich bis zu 12 Billionen USD betragen könnten.
Das Szenario "Schneller Übergang" ist besonders vorteilhaft, da verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien die Technologien nur weiter verbessern, die Kosten wahrscheinlich senken und die Leistung erhöhen werden.
Letztendlich sieht das Oxford-Team die Behauptung, dass eine Umstellung auf erneuerbare Energien zu einem Rückgang des BIP und astronomischen Preisen führen würde, mit Skepsis. Stattdessen könnte die Umstellung in nur relativ kurzer Zeit zu massiven Einsparungen führen. Und hier mit eingerechnet sind noch nicht einmal die Kosten, die uns der Klimakollaps kosten würde, wenn uns der Umstieg auf erneuerbare Energien nicht unverzüglich gelingt.
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Biomimikry - also Lösungen aus der Natur auf menschliche Designprobleme zu übertragen - hat schon viele Innovationen hervorgebracht. Neoprenanzüge sind eine Nachahmung von Biberfellen, die natürliche Vorlage des Klettverschlusses waren Kletten und das Geheimnis der U-Boot-Tarnung ist in der Haut von Tintenfischen zu finden. Außerdem haben wir auf Reset über einen der Haut von Haifischen nachempfundene Beschichtung berichtet, die zu Kerosineinsparungen bei Flugzeugen führen könnte.
Und zurück zur Windkraft: Einige der aerodynamischsten Windturbinenkonstruktionen sind von Walflossen inspiriert. Allerdings: Aerodynamisch bedeutet nicht unbedingt leise.
Bei der Kopie von Eulenflügeln geht es darum, den Lärm zu unterdrücken, der entsteht, wenn die über und unter einem Objekt strömende Luft an der Hinterkante des Objekts zusammentrifft. Wissenschaftlich wird dies treffend als „Hinterkantengeräusch“ bezeichnet. Am besten verstehen lässt sich dieser Effekt, wenn man sich eine Fahne vorstellt, die im Wind flattert. Das Geräusch, das dabei entsteht, entsteht nicht durch Luft, die sich am Mast teilt, sondern durch die Luft-Kollision an der Hinterkante der Fahne. Für Eulen in der freien Wildbahn würde solch eine Aerodynamik das Überleben fast unmöglich machen, da ihre Beute schon beim Anflug gewarnt wäre. Daher haben Eulenflügel einen Schalldämpfungsmechanismus entwickelt: asymmetrische Hinterkantenzacken. Oder, einfacher ausgedrückt, gefranste Federn am hinteren Teil des Flügels. Der vordere Rand des Flügels ist dagegen wie ein Kamm geformt, der die Luft sanft in die Fransen leitet.
Genau auf diese Kamm-Fransen-Kombination setzte Siemens bei der Entwicklung eines Flügelzusatzes, mit dem bestehende Anlagen nachgerüstet werden können. Das war im Jahr 2017. Jetzt untersuchen Forscher*innen, wie sie das gezackte Schaufeldesign weiter verbessern können – und unternehmen dabei zudem auch das erste Mal den Versuch, die Lärmminderung zu quantifizieren, die sich aus solchen Designs ergibt.
Genau zu benennen, wie viel leiser die Turbinen wären, wenn sie Eulenflügeln nachempfunden wären, ist schwierig. Nach Angaben von Siemens haben die Messungen im Windkanal und bei Feldversuchen eine "erhebliche Verringerung der Geräusche von Windkraftanlagen bei allen Windgeschwindigkeiten" ergeben. Unter Berufung auf den 2020 erschienenen Annual Review of Fluid Mechanics berichtet das Magazin Smithsonian, dass solche von Eulen inspirierten Flügel den Lärm um bis zu 10 Dezibel reduzieren können. Das entspricht in etwa dem Geräuschunterschied eines vorbeifahrenden Lkws im Gegensatz zu einem vorbeifahrenden Pkw.
Auf jeden Fall gibt es aber noch mehr zu tun. Wie das Smithsonian hervorhebt, wissen wir noch immer nicht genug über speziellen Eigenschaften von Eulenflügeln. Dazu gehört zum Beispiel auch die Rolle, die die individuelle Federmorphologie bei der Lärmreduzierung spielt. Und was wäre, wenn wir diesen Prozess doch verstehen würden? Die Entwicklung eines stationären Anhängsels wie das sogenannten „DinoTail“ von Siemens ist eine Sache, die Konstruktion von Turbinen mit flatternden Federn eine andere (trotz des Namens gibt Siemens an, dass das DinoTail-Design von Eulen inspiriert wurde).
Obwohl die Belastung durch Lärm nicht die gleiche Aufmerksamkeit erhält wie die Luftverschmutzung, hat sie doch erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität vieler Lebewesen. Erhöhter Stress und Schlafstörungen gehören zu den häufigsten Nebenwirkungen von dauerhaften Geräuschen, die sich in der Umwelt ausbreiten. Und das gilt nicht nur für den Menschen. Es hat sich auch gezeigt, dass anthropogener Lärm auch natürliche Lebensräume verkleinert, zerstückelt oder verschlechtert, die Fortpflanzungszyklen von Tieren stören und das Aussterben bestimmter Arten beschleunigen kann. Offshore-Windparks zum Beispiel erzeugen Schalldruck und akustische Partikelbewegungen im Wasser und auf dem Meeresboden und können damit der Meeresfauna schaden. Da der Bau von Offshore-Windparks in Zukunft weltweit zunehmen wird, ist es daher also dringend nötig, wildtierfreundliche Turbinen zu entwickeln.
Zudem könnte die Entwicklung leiserer Turbinen die Akzeptanz der Windenergie in der Öffentlichkeit erhöhen. Die Sorge um die Lärmbelästigung durch Windräder ist zwar in den meisten Fällen unbegründet, behindert aber immer wieder den dringend nötigen Ausbau der Windenergie für eine umfassende Energiewende. Aber wenn irgendwann vielleicht noch als einziges Gegenargument bleibt, dass Windparks hässlich sind, dann können wir uns sicherlich bei der Natur nach Schönheitstipps umsehen.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.
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Dass viele erneuerbare Energien Schwankungen unterliegen, ist klar und lässt sich gut anhand der Sonnenenergie nachvollziehen: Die Produktion von Solarstrom ist insbesondere in den Mittagsstunden des Sommerhalbjahres hoch, in den Abendstunden des Winterhalbjahres dagegen sehr gering - also genau dann, wenn der Strombedarf der Bevölkerung am höchsten ist. Von solchen Schwankungen sind neben der Photovoltaik auch die Solarthermie, die Wind- sowie die Wellenenergie betroffen. Die höchste Verfügbarkeit innerhalb der regenerativen Energiequellen haben dagegen Biomasse, Geothermie und Wasserkraft.
Dennoch kann mit erneuerbaren Energiequellen eine zuverlässige Stromversorgung gewährleistet werden, und zwar unter folgenden Voraussetzungen:
Tatsächlich gibt es im Bereich Energiespeicherung schon etliche Lösungen.
In Deutschland, aber auch global, sind Pumpspeicherkraftwerke als bewährte Speicher nach wie vor am weitesten verbreitet, da sie vergleichsweise kostengünstig und bislang die einzige Möglichkeit sind, Strom im großen Maßstab zu speichern. Pumpspeicher zählen neben Druckluft- und Hubspeichern zu den mechanischen Energiespeichern, die mit insgesamt 90 Prozent den größten Marktanteil unter den Energiespeichersystemen haben.
Die Funktionsweise von Pumpspeichern ist im Prinzip sehr einfach: Pumpspeicher befördern Wasser mithilfe der überschüssigen Energie aus regenerativen Quellen einen Hang hinauf in einen Stausee hinein. Bei Bedarf lässt man das Wasser durch die Schwerkraft wieder nach unten fließen, wodurch über Turbinen Energie erzeugt wird.
Bislang ging man davon aus, dass das Ausbaupotenzial der Technologie aufgrund ihrer speziellen Erfordernisse begrenzt ist. Australische Forschende sind dagegen zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen: Mit Hilfe einer Analyse des geografischen Informationssystems (GIS) haben sie weltweit 616.000 potenziell geeignete Standorte gefunden, die zusammen etwa hundertmal mehr Energie speichern könnten, als für ein rein erneuerbares Stromsystem erforderlich wäre. Brachliegende Standorte - bestehende Stauseen, alte Bergbaustandorte - wurden dabei noch nicht miteinbezogen.
Auch wenn es demnach noch geeignete Orte für neue Pumpspeicherkraftwerke gibt, sollte der Neubau dieser Speichertechnologie aus ökologischer Perspektive gut abgewogen werden. Jede Anlage ist ein erheblicher Eingriff in die Natur und die Ökosysteme. Wasserläufe werden aufgestaut und umgeleitet und die Speicherbecken sind teilweise betoniert oder asphaltiert, um der regelmäßigen Beanspruchung und Erosion durch die wechselnden Wasserstände standhalten zu können. Brachliegende Orte umzunutzen könnte dagegen ökologisch verträglicher sein.
Hoffnung kommt auch von neuen, weniger invasiven Ansätzen: Das Fraunhofer-Institut hat vor wenigen Jahren ein Pumpspeichersystem getestet, bei dem riesige Betonkugeln am Meeresgrund zum Einsatz kommen. Das Projekt, das zunächst am Bodensee durchgeführt wurde, ist mittlerweile ausgelaufen und müsste nun unter realen Bedingungen, sprich im Ozean, erprobt werden.
Batteriespeicher wie Lithium-Ionen-Akkus, Blei-Säure-Batterien und Redox-Flow-Batterien zählen zu den elektrochemischen Speichern. Insbesondere Lithium-Ionen Batterien sind heute weit verbreitet, kaum ein Smartphone, Laptop oder E-Auto kommt ohne sie aus. Die Batteriespeicher werden aber auch zur Speicherung von Strom aus Solar- und Windanlagen eingesetzt, bisher jedoch vor allem in kleiner ausgelegten Stromsystemen wie Ein- und Zweifamilienhäusern.
Die Gesamtkosten für diese Energiespeicher sind noch relativ hoch, da mit ihnen nur eine begrenzte Zahl an Ladezyklen möglich ist. Zudem verringert sich die Speicherkapazität wegen des häufigen Be- und Entladens relativ schnell, was die Einsatzmöglichkeiten erheblich einschränkt.
Nichtsdestotrotz werden Batteriespeicher zunehmend auch in größerem Stil, wie zum Beispiel in Quartieren, erprobt. Bei einem solchen „Quartiersspeicher“ werden eine Vielzahl an dezentralen Energiequellen und Haushalten über ein Smart Grid zusammengeschlossen, die die Batterie gemeinsam als regionalen Puffer nutzen. Das Fraunhofer ISE untersucht beispielsweise die Möglichkeiten von Quartiersspeichern in verschiedenen Forschungsprojekten.
In Zukunft könnten auch die Batterien von Elektroautos als temporäre Speicher genutzt werden. Bei der sogenannten Vehicle-to-Grid-Lösung wird überschüssige Energie in den Batterien von Elektroautos gespeichert und bei Bedarf wieder eingespeist.
Eine solche Lösung verfolgt zum Beispiel das Münchner Unternehmen The Mobility House. Über bidirektionale Wallboxen können Besitzer*innen von Solaranlagen die Autobatterie als riesige Powerbank nutzen und den überschüssigen Strom vom heimischen Dach in ihr E-Auto einspeisen und bei Bedarf wieder ins Hausnetz abgeben. Damit Autobatterien jedoch als „Schwarmspeicher“ funktionieren, die Stromüberschüsse in größerem Stil aus dem Energienetz aufnehmen können, muss noch eine entsprechende Infrastruktur geschaffen werden - und natürlich die Zahl der Elektroautos deutlich ansteigen.
Insbesondere Lithium-Ionen-Batterien sind aus Nachhaltigkeitsperspektive nicht unumstritten. Sowohl der Abbau der für eine Batterie nötigen Rohstoffe als auch die Entsorgung sind umweltbelastend und ethisch bedenklich.
Eine Lösung, die Ökobilanz der Batterien zu verbessern, ist ihnen ein „zweites Leben“ einzuhauchen. Akkus, die nicht mehr die für den Einsatz im Elektroauto erforderliche Leistung bringen, besitzen immer noch mehr als 70 bis 80 Prozent Energieinhalt und können in stationäre Stromspeicher umgewandelt werden. Im Amsterdamer Fußballstadion, der Johan-Cruyff-Arena, fängt ein solcher „Second-Life-Speicher“ zum Beispiel die Energielastspitzen bei Großveranstaltungen auf.
Das größte Potenzial, um die Nachhaltigkeit von Batterien zu erhöhen, liegt laut einer Studie des VDE jedoch in den Materialien. Dabei gelten Festkörperbatterien, in denen anstelle eines flüssigen Elektrolyts ein Elektrolyt aus festem Material verwendet wird, als die wahrscheinlichste Alternative zu Lithium-Metall-Batterien. Im Labormaßstab haben sich Batterien aus festen Elektrolyten schon bewährt, wie zum Beispiel die Lithium-Schwefel-Batterie. Ihre Vorteile: Der Rohstoff Schwefel ist preiswert und als industrielles Abfallprodukt in großen Mengen vorhanden. Zudem sind die Rohstoffkosten einer Metall-Schwefel-Batterie bei gleicher Kapazität geringer als bei einem vergleichbaren Lithium-Ionen-System.
Auch Lithium lässt sich ersetzen, eine Alternative sind Natrium-Ionen-Batterien. In den Ozeanen und auch in der Erdkruste ist reichlich Natrium vorhanden und das Material kann kostengünstiger und umweltfreundlicher gewonnen werden als Lithium. Zudem kommen die Batterien ohne Cobalt, Kupfer und Nickel aus und die bereits etablierten Fertigungsmethoden können genauso für die Produktion verwendet werden. Allerdings haben Natrium-Ionen-Batterien aktuell eine geringere Energiedichte als Lithium-Ionen-Batterien. Damit sind Natrium-Ionen-Batterien überall dort eine vielversprechende Alternative, wo es nicht auf das Gewicht und die Größe ankommt - also als potenzielle Kandidaten für stationäre Batterie-Speicherkraftwerke für Windenergie und Solarenergie.
Was das Speichermaterial anbelangt, kommen Forschende auch auf ungewöhnliche Ideen; Eierschalen, die normalerweise im Biomüll landen, eignen sich beispielsweise hervorragend für die Herstellung von kostengünstigen Lithium-Ionen-Kondensatoren.
Weitere Möglichkeiten, den ökologischen Fußabdruck von Batterien zu verkleinern, sind eine Produktion, die sich aus erneuerbaren Energien speist, aber auch eine Circular Economy für Batterien mit einem intensiven Recycling.
Die Umwandlung von Strom zu verschiedenen Produkten (Power-to-X) nimmt seit einigen Jahren an Fahrt auf. „Power“ steht hier für Stromüberschüsse, die in verschiedene andere Energieformen („X“) umgewandelt werden, zum Beispiel Power-to-Gas (Erzeugung von Gas aus Strom) oder Power-to-Heat (Erzeugung von Wärme aus Strom).
Unter den Power-to-Gas-Verfahren gewinnt vor allem die Herstellung von Wasserstoff enorm an Bedeutung. Wasserstoff wird mittels einer Wasserelektrolyse und unter Einsatz elektrischen Stroms hergestellt. Durch eine chemische Umwandlung kann das Gas auch noch in Chemikalien und Kraftstoffe wie Ammoniak und Methanol umgewandelt werden. Dieses Verfahren ist unter Power-to-Liquid bekannt. Egal ob als Gas oder Flüssigkeit, beides ermöglicht die Umwandlung von Strom in Produkte mit hohen Energiedichten, in denen erneuerbarer Strom auch über längere Zeitabschnitte gespeichert und über weite Strecken transportiert werden kann.
Das Ziel von Power-to-Heat ist es, Strom aus erneuerbaren Energien in den Wärmesektor zu integrieren. Dazu sollen beispielsweise großtechnische Durchlauferhitzer oder elektrische Industrieöfen und Elektrodenkessel, aber auch Stromdirekt- und Speicherheizungen sowie elektrische Wärmepumpen mit erneuerbarem Strom angetrieben werden. So würden sich nicht nur einzelne Gebäude, sondern auch ganze Stadtteile mit Wärme und Warmwasser erneuerbar versorgen lassen. Wirtschaftlich ist das bisher allerdings noch nicht realisierbar.
Auch Power-to-Gas-Verfahren sind in den meisten Fällen noch nicht wirtschaftlich genug und nur dann CO2-arm – und damit nachhaltig-, wenn zur Gewinnung Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wird (vgl. Fraunhofer ISE). Daher ist davon auszugehen, dass diese Technologien erst dann ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll einsetzbar sind, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix bei mindestens 60, wenn nicht sogar 80 Prozent liegt. Bis dahin ist es effektiver, mit überschüssigem erneuerbaren Strom Wärmepumpenheizungen und Elektroautos zu speisen, Smart Grids weiter auszubauen und Kurzfristspeicher wie Batterie- und Pumpspeicherkraftwerke einzusetzen. Das aktuell noch kostbare Gut Wasserstoff empfehlen Expert*innen industriellen Verfahren vorzubehalten, in denen hohe Temperaturen nötig sind, die nicht mit elektrischer Energie erreicht werden können.
Nichtsdestotrotz gibt es immer wieder auch technologische Durchbrüche, die einen wettbewerbsfähigen, erneuerbaren Wasserstoff in greifbare Nähe rücken.
Wie die bisher genannten Technologien zeigen, steht bei Energiespeichersystemen die Wirtschaftlichkeit meist im Vordergrund und aus Nachhaltigkeitsperspektive deren ökologischer und sozialer Fußabdruck. Immer neue Innovationen im Bereich Energiespeicherung zeigen, dass Bewegung in der Sache ist.
Eine Methode, um erneuerbare Energien für die spätere Nutzung parat zu haben, ist deren Speicherung in Form von Wärmeenergie. Bei den sogenannten Carnot-Batterien wird Strom in einem Hochtemperaturspeicher in Wärme umgewandelt, die dann in Flüssigsalz, Steinen oder Flüssigmetallen nahezu verlustfrei gespeichert werden kann.
Ein spannender Ansatz ist die Speicherung der Wärmeenergie in geschmolzenem Salz. Dieses Konzept existiert seit Jahrzehnten in Salzschmelzen, wurde nun aber weiterentwickelt: Mithilfe der überschüssigen Energie aus erneuerbaren Quellen wird eine Temperaturdifferenz geschaffen. Die Wärme wird dabei in geschmolzenem Salz und die Kälte in einer frostschutzähnlichen Flüssigkeit gespeichert. Bei Bedarf wird die thermische Energie in elektrische Energie zurückverwandelt.
Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das europäische CHESTER-Konsortium haben einen Prototypen der Carnot-Batterie auf Basis von Dampfkraft-Prozessen gebaut. Mittels einer elektrischen Wärmepumpe wandelt die Batterie überschüssigen, erneuerbaren Strom in Wärme um. Diese wird in einem kostengünstigen Medium - wie Wasser oder Flüssigsalz – zwischengespeichert und bei Bedarf über eine Wärmekraftmaschine wieder in Strom umgewandelt.
"Carnot-Batterien haben das Potenzial, ein wichtiger Baustein für die Energiewende zu werden", erläutert Prof. André Thess, Direktor des Instituts für Technische Thermodynamik. "Denn solche Wärmespeicher lassen sich gezielt in die Netze und Energiesysteme von morgen einbinden, um die zeitlich und örtlich schwankende Stromgewinnung aus Sonnen- und Windenergie auszugleichen sowie Lastspitzen abzudecken." Carnot-Batterien besitzen Speicherkapazitäten von bis zu tausend Megawattstunden elektrischer Energie und könnten damit eine Stadt wie Stuttgart stabil mit Strom versorgen. Ein weiterer großer Pluspunkt: Aufgrund der verwendeten Materialien sind Carnot-Batterien umweltfreundlicher als konventionelle Batterien.
In den nächsten Jahren wollen die Wissenschaftler*innen des DLR und des CHESTER-Konsortiums das Konzept in größerem Maßstab testen.
Ein anderer Ansatz stammt von einem Forscherteam der schwedischen Technischen Hochschule Chalmers, genannt Molecular Solar Thermal Energy Storage (MOST). Hier wird ein eigens konzipiertes Molekül, bestehend aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff, zu einem energiereichen Isomer, sobald es mit Sonnenenergie bestrahlt wird. Das Isomer befindet sich also in der Solarzelle selbst und kann in einem kreisförmigen Prozess vom Dach an die Heizungsanlage des Hauses weitergegeben werden. Die Energie ist in dieser Form theoretisch bis zu 18 Jahre lang speicherbar.
Auch unter den sogenannten Schwungmassenspeichern gibt es neuartige Ansätze. Diese Systeme speichern elektrische Energie als Rotationsenergie. Das Prinzip ist einfach: Die überschüssige Energie speist einen Motor, der ein Schwungrad in Bewegung bringt oder seine Drehzahl erhöht, wobei Energie gespeichert wird. Wird dann die gespeicherte Bewegungsenergie benötigt, wandelt ein Generator sie in elektrische Energie um.
Nach diesem Prinzip hat die Firma Adaptive Balancing Power zum Beispiel das Adaptive Flywheel entwickelt. Aufgrund seiner Bauform kann es an die jeweilige Anwendung angepasst und dennoch unter Serienbedingungen gefertigt werden. Der Wirkungsgrad von Schwungradspeichern liegt bei 95 Prozent, allerdings kann diese Art von Speicher die Energie nur für ein paar Minuten speichern, da die Ruheverluste sehr hoch sind. Daher sind Schwungrad-Speicher vor allem für den Ausgleich von Netzschwankungen von Bedeutung.
Doch auch hier stehen die Entwicklungen nicht still: Wissenschaftler*innen der TU Dresden haben kürzlich einen Schwungrad-Speicher entwickelt, der enorm hohe Kapazitäten aufweist. „Ziel war es, einen langlebigen, dynamischen und hocheffizienten Energiespeicher zu entwickeln, der direkt neben einem Windrad, also dort wo der Strom erzeugt und mit geringen Verlusten übertragen wird, errichtet werden kann“, so Dr. Thomas Breitenbach von der projektleitenden Stiftungsprofessur für Baumaschinen.
Und was passiert eigentlich mit der ganzen Infrastruktur für fossile Energien, wenn diese bald nicht mehr sind? Tatsächlich gibt es bereits Ansätze, den überholten Strukturen ein neues, nachhaltigeres Leben als Speichertechnologie einzuhauchen. Auf diese Weise lassen sich Kosten und Ressourcen sparen. So beschäftigt sich ein Startup in Schottland damit, stillgelegte Bergwerke als mechanische Energiespeicher nutzbar zu machen. In den alten Minenschächten werden Gewichte mittels Energie an Seilen nach oben bewegt und im Bedarfsfall zur Energieumwandlung wieder nach unten gelassen.
In Deutschland forscht das Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) außerdem daran, in wieweit sich alte Kohlekraftwerke eignen, um erneuerbare Energien thermisch zu speichern.
Der Mythos, dass eine vollständige Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen nicht möglich sei, kann mittlerweile getrost begraben werden. Es gibt bereits sowohl die entsprechenden Energiequellen, als auch eine Menge effizienter Speichertechnologien, die die Energiewende entscheidend vorantreiben könnten.
Trotz der vorhandenen Lösungen muss aber noch einiges passieren, damit die Sache richtig in Fahrt kommt. Das größte Problem sind vermutlich die fehlenden Anreize. Fossile Energien werden in Deutschland und der Welt weiterhin stark subventioniert. Jedes Jahr geben Regierungen weltweit rund eine halbe Billion US-Dollar aus – und halten so den Preis für fossile Brennstoffe künstlich niedrig. Das ist schätzungsweise mehr als dreimal so viel, wie in Subventionen in erneuerbare Energien und Speichertechnologien gesteckt wird. Außerdem erhalten diejenigen, die erneuerbare Energien ins Stromnetz einspeisen, eine bedarfsunabhängige, feste Vergütung. Damit sehen zum Beispiel Windkraftbetreibende keinen ausreichenden Nutzen darin, direkt in Speichertechnologien zu investieren.
Wie die genannten Beispiele zeigen, befinden sich viele Innovationen zudem noch in der Testphase. Mehr Unterstützung wäre nötig, um den Übergang solcher Entwicklungen in die Praxis zu beschleunigen. Da die Bereiche Energieerzeugung, Wärmeversorgung und Verkehrswesen aber zunehmend zusammenwachsen, dürfte das Thema Energiespeicherung künftig bedeutender werden denn je. Das Stichwort lautet hier „Sektorenkopplung“ und verstärkte Aufbau eines Smart Grids. Auch eine verstärkte Zusammenarbeit auf internationaler Ebene wäre im Energiesektor vonnöten.
Vor allem der Politik kommt daher eine tragende Rolle zu. Sie kann die richtigen Hebel und Gelder in Bewegung setzen, damit sinnvolle Maßnahmen und Förderungen die Energiewende voranbringen.
Autorin: Lena Strauß, RESET-Redaktion (Juni 2019). Letztes Update: Sarah-Indra Jungblut, RESET-Redaktion (Juni 2022)
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Aber einige der Lösungen für diese Probleme können vielleicht auch auf hoher See gefunden werden. Bei RESET haben wir in den letzten Wochen einige innovative Technologien vorgestellt, die eng mit unseren Ozeanen und Flüssen verbunden sind.
Fische möchten wandern und laichen – nur hat der Mensch ihnen dabei viele Hindernisse in den Weg gelegt. Ein neuer Fitnesssensor für Fische soll testen, wie anstrengend ihre Reisen wirklich sind. Jetzt lesen!
Walkot ist der Ausgangspunkt vieler Nahrungsketten im Meer und besonders wichtig für die sogenannte „biologische Pumpe“ in den Ozeanen. Doch dieser Mechanismus ist durch den extremen Walfang geschwächt. Forschende versuchen nun, mit Exkremente aus dem Labor diesen Kreislauf wiederherzustellen – und damit auch die CO2-Speicherung in den Ozeanen zu erhöhen. Jetzt lesen!
Getreideballen auf Feldern sind ein gewohntes Bild, aber könnten sie bald auch ein vertrauter Anblick auf dem Meeresboden werden? Ein neuer Ansatz experimentiert damit, landwirtschaftliche Abfälle, die in die Tiefen des Meeres eingebracht werden, zu einer günstigen und enorm skalierbaren Methode zur CO2-Bindung zu machen. Jetzt lesen!
Offshore-Windenergie könnte zu einer riesigen Energiequelle werden. Dem stellen sich aber viele Herausforderungen entgegen. Ein neues Design von Windturbinen soll dies ändern. Jetzt lesen!
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Aber die Speicherung erneuerbarer Energie ist möglich, sie erfordert oft nur ein wenig "blue-sky thinking" - oder im Fall des niederländischen Startups Ocean Grazer "blue-ocean thinking". Das Spin-off der Universität Groningen hat den Prototyp einer Batterie entwickelt, die auf dem Meeresboden ruht. Die Batterie besteht aus einem großen unterirdischen Reservoir, das Millionen von Litern Süßwasser enthält. Mit dem überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energiequellen an der Küste wird Wasser in eine Art Blase gepumpt, die auf dem Meeresboden befestigt ist. Wird die Energie wieder benötigt, drückt der Wasserdruck des umgebenden Meerwassers das Süßwasser über ein Turbinensystem zurück in das Reservoir und erzeugt - oder regeneriert – Strom, der dann ins Netz fließen kann.
Das System ahmt im Wesentlichen den Prozess eines hydroelektrischen Staudamms nach, indem es einen riesigen Pool an potenzieller Energie schafft, die in Strom umgewandelt werden kann. Im Fall von Ocean Grazer übernimmt der Wasserdruck die Rolle der Schwerkraft, die traditionell in einem Staudamm verwendet wird. Die Nutzung natürlich vorkommender - und kostenloser - Kräfte zur Umwandlung von Elektrizität von einem Zustand in einen anderen ist dabei der Schlüssel, um diese Art von Batterien für erneuerbare Energien herzustellen und ihre Effizienz zu verbessern.
Bei der Umwandlung von einem Zustand in einen anderen geht immer etwas Strom verloren - das gilt auch für herkömmliche Batterien. Doch laut Ocean Grazer reduziert die „Meerwasserbatterie“ Verluste auf ein Minimum und 70 bis 80 Prozent des in das System gepumpten Stroms sollen zurückgewonnen werden können. Das ist zwar weit weniger als der 99-prozentige Wirkungsgrad einer Lithium-Ionen-Batterie, aber im Vergleich zu anderen Energiespeichersystemen durchaus konkurrenzfähig. Die Ocean-Grazer-Batterie hat außerdem den Vorteil, dass sie unbegrenzt viele Zyklen durchführen kann (innerhalb einer geschätzten Lebensdauer von 20 Jahren) und mit größeren Reservoirs und zusätzlichen Blasen auch erweitert werden kann. Ein einziges Reservoir kann etwa 10 Megawattstunden fassen.
Derzeit gibt es keine Informationen über die Kosten eines solchen Projekts, aber es ist davon auszugehen, dass der Bau großer Unterwasserreservoirs nicht gerade billig sein wird. Allerdings kann mit dem Meerwasser-Batterie die Wasserkraft auf neue Regionen ausgedehnt werden. Dass diese Entwicklung aus den Niederlanden kommt - einem durchweg flachen Land mit einer Topographie, die für große traditionelle Wasserkraftwerke ungeeignet ist, ist daher nicht verwunderlich.
Bisher kommt die Idee von Ocean Grazer ganz gut an und das Unternehmen hat bereits eine Kofinanzierung von der EU und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung erhalten. Damit soll das Konzept weiterentwickelt werden.
Natürlich sind Unterwasserblasen und -speicher nicht die einzige Möglichkeit, erneuerbare Energie zu speichern. Wir haben uns bereits mit einer Reihe anderer innovativer Lösungen befasst, darunter die Umnutzung alter Bergwerke als Gravitationsbatterien, die Verwendung heißer Steine zur Speicherung von Wärmeenergie oder Eierschalen zur Senkung der Kosten von Lithium-Ionen-Batterien.
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Dass unsere Städte nachts nicht in Dunkelheit versinken, ist zweifellos aus vielen Gründen wichtig. Aber die Illumination hat ihren Preis, denn das künstliche Licht führt nicht nur zu Lichtverschmutzung, sondern der Energieverbrauch herkömmlicher Straßenlaternen, die jede Nacht brennen, trägt zur CO2-Bilanz der Städte bei. Dabei ließe sich mit Sicherheit in ruhigeren Straßen zu bestimmten Zeiten sogar ganz auf künstliche Lichtquellen verzichten.
Um einige dieser Probleme anzugehen, hat Tobias Trübenbacher, Designstudent an der Universität der Künste in Berlin, eine windbetriebene, bewegungsaktivierte Straßenlaterne entwickelt, die nicht nur Energie spart, sondern auch ein besseres Umfeld für die Artenvielfalt in der Stadt - und auch für Menschen - schaffen soll.
Seine Straßenbeleuchtung mit dem Namen Papilio verfügt über eine Windturbine in Form eines Nadelrads, das aus vier aerodynamischen Rotorblättern aus gefaltetem Blech besteht. Diese treiben einen 300-Watt-Generator an, der den Strom in einer wiederaufladbaren Batterie speichert. Die Rotorblätter sind so geformt, dass sie die komplexen und sich verändernden Luftströme in städtischen Umgebungen nutzen können, zum Beispiel natürliche Strömungen, von Gebäuden erzeugte Windkanäle und sogar den Luftstrom von Fahrzeugen. Idealerweise wird das Papilio-System in drei bis sechs Metern Höhe entweder an einem Mast oder an einer Wand montiert. Nach Angaben des Designers kann das Windrad so jederzeit etwa 12 Volt Strom erzeugen.
Der erzeugte Strom wird dann zum Betrieb der LED-Lampe sowie eines Bewegungssensors verwendet, damit die Lampe nur dann aktiviert wird, wenn jemand vorbeigeht. Das kleine Windrad könnte auch an das örtliche Netz angeschlossen werden, um überschüssige Energie in das Stromnetz zu speisen.
In Deutschland verbraucht die Beleuchtung von Straßen, Plätzen und Brücken derzeit so viel Strom wie etwa 1,2 Millionen Haushalte zusammen und stößt jährlich rund zwei Millionen Tonnen CO2 aus. Der Einsatz erneuerbarer Energien – wie eben auch Windenergie - könnte diese Emissionen aber deutlich reduzieren. Das Papilio-Windrad soll aber auch die andere Nebenwirkung der Straßenbeleuchtung eindämmen: die Lichtverschmutzung. Die Lampe selbst ist eine so genannte Full-Cutoff-Leuchte, d. h. sie ist gerade nach unten auf den Boden gerichtet und strahlt kein Licht nach oben ab. Gleichzeitig leuchtet sie in einer insektenfreundlichen Farbtemperatur von 2 800 Kelvin. Das könnte viele Insektenleben retten, denn angezogen vom hellen Schein der herkömmlichen Straßenlaternen werden sie dort zu einer leichten Beute oder es kommt zu tödlichen Zusammenstößen.
Die Lichtverschmutzung kann aber auch negative Auswirkungen auf andere Stadtbewohner haben. Nach Angaben von Globe at Night beeinträchtigt sie nachtaktive Tiere, Zugvögel und das Pflanzenwachstum und kann sich auch auf Menschen nachteilig auswirken. Künstliche Beleuchtung wird mit einer Störung der Melatoninproduktion in Verbindung gebracht, die den Schlaf behindert und zu Müdigkeit, Angstzuständen, Depressionen und sogar einigen Krebsarten führt.
Die nächtliche Illumination der Städte führt auch zu dem sogenannten "Skyglow", also der Aufhellung des Nachthimmels über städtischen Gebieten, wodurch Stadtbewohner*innen kaum mehr Sterne sehen können. Auch wenn die Lichtverschmutzung damit vielleicht nicht so stark ins Gewicht fällt wie die anderen schädliche Einflüsse, so mindert sie doch die Lebensqualität in Städten.
Natürlich spielen Straßenlaternen auch eine wichtige Rolle in unseren Städten, insbesondere wenn es um die öffentliche Sicherheit geht. Und sie unter Umständen weitaus weniger an der Lichtverschmutzung beteiligt als bisher angenommen. Dennoch bringt die effizientere und nachhaltigere Gestaltung der Stadtbeleuchtung fraglos viele Vorteilen mit sich.
Derzeit wird das Papilio-System an mehreren Standorten in Berlin getestet und Trübenbacher hofft, mit seinem Design, sollte es in großem Maßstab eingeführt werden, dazu beitragen zu können,
Dass erneuerbare Energien für die Straßenbeleuchtung eingesetzt werden, ist nicht das erste Mal und vielerorts werden Laternen erprobt, die sich ausschalten, wenn niemand in der Nähe ist. In einer japanischen Kleinstadt werden alte Batterien aus Elektroautos für den Betrieb der Straßenbeleuchtung verwendet, und insbesondere in ländlichen Gebieten werden Sonnenkollektoren eingesetzt - aber sie haben auch ihre Nachteile, denn sie sind oft teuer, anfällig für Regen, Schnee und Staub und ihre Batterien müssen ausgetauscht werden. Wie gut die Papilio-Windräder im Feldeinsatz abschneiden, bleibt jedoch noch abzuwarten.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original auf unserer englischsprachigen Webseite.
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„Wetterextreme schlagen in Europa mittlerweile deutlich härter zu, als die Klimaforschung es sich hätte träumen lassen“, stellt nicht nur das Wuppertal Institut fest. An kaum jemandem dürften die in ihrer Frequenz sich erhöhenden Bilder brennender Wälder, überfluteter Landschaften und von Stürmen zerlegter Häuser vorbeigegangen sein. Und in vielen Ländern des Globalen Südens fallen die Wetterextreme noch viel heftiger aus. Wir sind schon mitten im Klimawandel - und es ist höchste Zeit zu handeln. Leider hinken fast alle Länder beim Klimaschutz hinter den eigenen Zielen hinterher. Auch für Deutschland ist das schon ziemlich zeitnahe EU-Emissionsreduktionsziel, bis 2030 40 Prozent weniger CO2 in die Atmosphäre zu emittieren, mit dem aktuellen Kurs der Bundesregierung schier unerreichbar.
Die gute Nachricht: Die Ursachen des Klimawandels sind bekannt und die Wege aus der Krise auch. In der Forschung wurden über die letzten Jahrzehnte sehr konkrete Transformationspfade erarbeitet. Die Studie Klimaneutrales Deutschland 2045 zeichnet zum Beispiel ein Szenario, mit dem Klimaneutralität bereits 2045 möglich ist - mit dem heutigen Stand der Technik.
Einer der größter Hebel auf dem Weg zu Klimaneutralität in Deutschland ist es, bei der Energiewirtschaft und Industrie anzusetzen. Aktuell verursacht dieser Sektor die meisten CO2-Emissionen: Die Erzeugung von Strom und Fernwärme in öffentlichen Kraftwerken und die Herstellung von Kohle- und Mineralölprodukten ist für mehr als ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich.
Mit dem RESET Greenbook „Energiewende- Die Zukunft ist vernetzt" hat sich das Redaktionsteam von RESET.org daher auf die Suche nach Antworten auf die Frage begeben, wie die Transformation hin zu einem klimaneutralen Energiesystem vorangetrieben werden kann. Der Schwerpunkt lag dabei auf digitalen Lösungen und technische Innovationen in der Energiewirtschaft und neuen Impulsen in der Industrie. Das Greenbook ist Teil des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekts „Mission Klimaneutralität“. Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse zusammengefasst.
Bereits heute sind Wind, Sonne, Biomasse und Wasser wichtige Energiequellen; ihr Anteil am Stromverbrauch stieg von gerade mal 6,5 Prozent im Jahr 2000 auf 41,1 Prozent im Jahr 2021.
In einem Gutachten des Öko-Instituts gehen die Autor*innen davon aus, dass die Energiewirtschaft ihr Sektorziel der im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimamaßnahmen für 2030 tatsächlich unterschreiten könnte (andere zentrale Sektoren wie Verkehr, Industrie und Gebäude leider nicht!). Allerdings nur dann, wenn der Kohleausstieg tatsächlich bis 2030 gelingt, erneuerbare Energien ab sofort massiv ausgebaut werden und sich die CO2-Preise des europäischen Emissionshandelssystems erhöhen.
Vergessen werden sollte jedoch nicht, dass der Stromverbrauch in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach weiter steigt, da auch die Mobilität und andere Sektoren nach und nach auf Strom umgestellt werden sollen.
Hoffnung auf einen sich in den nächsten Jahren beschleunigenden Ausbau erneuerbarer Energien macht nicht nur, dass die Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie immer kostengünstiger wird, sondern auch, dass sich bereits bestehende Technologien stetig weiterentwickeln. Beispiele sind Entwicklungsschübe bei der Herstellung von Wasserstoff, der Energiegewinnung aus Abwärme oder der Agro-Photovoltaik.
Zudem sind in den letzten Jahren verschiedene neue Speichertechnologien hinzugekommen. Effiziente und kostengünstige Speicher sind ein wesentlicher Baustein für die Transformation unseres Energiesystems, da die Ausbeute aus Sonnen- und Windenergie schwankt. Speicher helfen den Strombedarf zu bedienen, indem sie Strom einlagern, wenn es einen Überschuss gibt, und wieder abgeben, wenn Flaute herrscht. Welche Technologien sich durchsetzen werden, wird sich noch zeigen müssen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über verschiedene Speichermöglichkeiten: Energiespeichersysteme - Der Dreh- und Angelpunkt der Energiewende.
Daneben sind wesentliche Aspekte zur fossilen Unabhängigkeit Intelligenz und Effizienz im Netz. Ein Energiesystem, das sich aus erneuerbaren Energien speist, bedeutet eine zunehmende Dezentralisierung der Energiequellen und die Beteiligung von einer steigenden Anzahl an Akteur*innen am Markt. Die dadurch steigende Komplexität des Energiesystems erfordert neue Steuerungs- und Regelungsmechanismen: Lastflüsse und Netze müssen intelligent gesteuert werden und gleichzeitig Verbräuche durch mehr Effizienz sinken. Genau hier setzen digitale Technologien an und schaffen so eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende.
Für das komplexer werdende Energiesystem der Zukunft, in das mehr und mehr kleine und mittlere Erneuerbare-Energien-Anlagen integriert werden, sind neue, intelligente Mess- und Kommunikationstechnologien gefragt. Das Ziel ist es, damit ein „Smart Grid“, also ein intelligentes Stromnetz, aufzubauen, innerhalb dessen nicht nur Energie, sondern auch Daten transportiert werden, die es u.a. Netzbetreiber*innen ermöglichen, zeitnah Informationen zu Stromproduktion, -transport, -speicherung und -verbrauch zu erhalten, auszuwerten und auf dieser Basis Stromflüsse zu steuern. Algorithmen und digitale Tools können dabei unterstützen.
Intelligenz im Energiesystem bedeutet daneben aber auch, den Verbrauch zu flexibilisieren. „Das ist ein relativ neuer Gedanke, also dass man sagt, dass die Verbraucher nicht mehr linear einfach weiter verbrauchen, sondern dass sie dann mehr verbrauchen, wenn mehr Strom vorhanden ist, und weniger, wenn weniger Strom erzeugt wird“, sagt Severin Beucker, Mitgründer des Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit. Das bedeutet zum Beispiel, ein Elektroauto dann zu betanken oder in einem Haus Warmwasser zu erzeugen, wenn die Wind- und Sonnenenergieproduktion gerade auf Hochtouren läuft oder nachts, wenn das Energieniveau insgesamt niedrig ist. „Das ist Digitalisierung, denn alles, was wir dazu brauchen, ist fein verteilte Intelligenz. Ich muss wissen, wann wo wie viel Energie gebraucht wird und wann wo viel Energie erzeugt wird. Und diesen Bedarf und die Produktion, die muss ich aufeinander abstimmen.“
Die intelligente Vernetzung ermöglicht aber auch, den Strom zwischen verschiedenen Akteuren bzw. Sektoren hin- und herzuschieben, die sogenannte „Sektorkopplung“.
Wie das intelligente, klimaneutrale Quartier der Zukunft aussehen kann, wird zum Beispiel auf dem ehemaligen Pfaff-Betriebsgelände erprobt: Gründächer mit Photovoltaik (PV) und gebäudeintegrierte Solarpaneele an Fassaden und im öffentlichen Raum sollen einen Großteil des Energiebedarfs vor Ort erzeugen. Dezentrale Lithium-Ionen-Batterien innerhalb von Gebäuden und eine zentrale Redox-Flow-Batterie sorgen dafür, dass der lokal produzierte Strom auch vor Ort genutzt werden kann. Gleichzeitig sind alle Sektoren miteinander verbunden, so dass Strom und Wärme zwischen den verschiedenen Produzenten und Konsumenten –Solaranlagen, Wärmepumpen, Stromspeichern, Elektroautos, Haushalten – fließen können. Über einen elektrischen Smart Grid sind alle Stromverbrauchszähler und sonstigen Komponenten des Stromnetzes mit einem Datennetz verbunden und Strom und Wärme werden über ein digitales Energiemanagementsystems verteilt und lokal optimiert.
Auch in kleineren und mittleren Energiegemeinschaften, seien es Mietergemeinschaften, lokale Netzwerke aus Solaranlagenbetreibenden und Verbraucher*innen oder ganze Dörfer, können digitale Technologien den Peer-to-Peer-Handel und Energy-Sharing erleichtern. Hier geht es vor allem darum, Lösungen zu finden, wie Strom zwischen den verschiedenen „Zellen“ gehandelt werden kann. Ihr digitales Abbild können diese Energiegemeinschaften zum Beispiel in Virtuellen Kraftwerken (VPP) finden. Im Wesentlichen wird dazu der zentrale Kontrollraum großer, fossiler Kraftwerke durch den Einsatz von Software nachgebildet. Zusätzlich zum Energiehandel, dem Energieausgleich und der Nachfragesteuerung – die Anpassung der erzeugten Strommenge an die Nachfrage – können über VPPs die aktuellen Verbrauchsdaten mit Wetter- und Prognoseinformationen kombiniert werden, so dass eine sehr feine Netzsteuerung- und Planung möglich ist.
Auch wenn Pilotprojekte wie das Pfaff-Quartier und verschiedene Ansätze Virtueller Kraftwerke den Weg weisen, so sind in Deutschland noch nicht die wesentlichen Voraussetzungen für intelligente, dezentrale Netze und die Einbindung und Flexibilisierung aller Akteur*innen geschaffen. Sowohl bei der Digitalisierung der eigentlichen Energienetze - zum Beispiel Transformatoren und Umspannwerke - als auch auf Ebene der Haushalte bzw. Verbrauchsgemeinschaften stehen wir am Anfang: Erst jetzt werden nach und nach digitale Messeinrichtungen wie zum Beispiel Smart Meter (intelligente Zähler) eingebaut.
Gleichzeitig ist die Effizienz ein wichtiger Aspekt, damit die Transformation zu 100 Prozent Erneuerbaren gelingt. „Wir denken immer, wir würden die Probleme lösen, indem wir alles erneuerbar machen. Aber wir kommen von einem viel zu hohen Energieniveau. Auch für die erneuerbaren Energien sind die Flächen und die Möglichkeiten sehr begrenzt“, so Beucker. Soll die Energiewende also schnell umgesetzt werden, geht es darum, das Energieniveau insgesamt zu senken. Nur durch die Reduktion um 50 Prozent bis 2050 ist eine vollständige Umstellung auf Erneuerbare Energien überhaupt realistisch (vgl. Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut 2020).
Eine wichtiger Schritt, um die Effizienz in der Energiewirtschaft zu erhöhen, ist ein Netzausbau, der sich am tatsächlichen Bedarf orientiert, also Leitungen, Transformatoren und Umspannwerke so zu bauen, dass sie ein Gebiet optimal versorgen. Unter anderem Simulationen eines Energienetzes bzw. einer Energiegemeinschaft können dabei helfen, die Infrastruktur passgenau planen zu können. Ein Bespiel dafür ist PowerTAC. Das Open-Source-Projekt nutzt maschinelles Lernen für Simulationen und Prognosen und hilft so, ein besseres Verständnis für die Gestaltung des komplexen Energiemarkts zu erhalten.
Zusätzlich ist unverzichtbar, Energiesparpotenziale zu erkennen und sämtliche Prozesse durch eine intelligente Steuerung zu optimieren. Ein erster wichtiger Schritt ist dabei die Analyse des Systems, also zu prüfen, wo wie viel Energie für was verbraucht wird. Das interdisziplinäre Team von Etalytics beispielweise hat dazu eine ausgeklügelte Software auf Basis von Künstlicher Intelligenz entwickelt. Zahlreiche Sensoren innerhalb der Energiesysteme - das kann ein Heiz-oder Kühlsystem in einem Unternehmen oder eine Produktionsstrecke in einem industriellen Betrieb sein - erheben permanent Informationen über die Produktivität und den Zustand der Anlagen. Die KI von Etalytics führt diese Daten zusammen und berechnet dann in Echtzeit, wie die Betriebsstrategie innerhalb der Systeme so optimiert werden kann, dass möglichst wenig Energie aufgewendet werden muss. Schließlich werden die optimierten Daten in einzelne umsetzbare Schritte umgewandelt. Neben der Erhöhung der Energieeffizienz kann Etalytics die Systeme auch daraufhin optimieren, die Energieflexibilität zu erhöhen.
In einem Rechenzentrum konnte Etalytics mit seiner intelligenten Software 50 Prozent der Energie zum Kühlen der Server (was den Großteil des Energiebedarfs von Rechenzentren ausmacht) einsparen. Die intelligente Software des Startups soll jedoch nicht nur in Unternehmen und Produktionsanlagen eingesetzt werden können, sondern auch in Gebäudekomplexen, bei Energieversorgern – und vielleicht auch in den „Smart Cities“ der Zukunft.
Auf der Suche nach Lösungen für eine Dekarbonisierung der Energiewirtschaft ist die Industrie der Elefant im Raum. 26 Prozent des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs - wobei der Primärenergieverbrauch sogar noch höher liegt - gehen auf die Industrie zurück. Vor allem die chemische Industrie, aber auch die Metall- und die Mineralölindustrie, tragen erheblich dazu bei. Das hat damit zu tun, dass hier viele energieintensive thermische Prozesse betrieben werden, d.h. große Mengen an Rohstoffen oder Zwischenerzeugnissen werden stark erhitzt oder abgekühlt.
Grischa Beier, der am Institute For Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam zu Industrie 4.0 forscht, sieht durchaus Bewegung in der Entwicklung von Verfahren, die thermische Verfahren mit den existierenden Schwachstellen - allen voran ihre schwankenden Erträge - von erneuerbaren Energien zusammenbringen. Aufwärm-Prozesse werden zum Beispiel genutzt, um Energie zu speichern. „Wenn metallische Werkstoffe erhitzt werden müssen, kann man die Schlacke stärker erhitzen als eigentlich notwendig, wenn sehr viel erneuerbarer Strom im Energiesystem ist. So kann man das Metall dann für eine bestimmte Zeitspanne abkühlen lassen, wenn Energie gerade knapp ist.“ Gleichzeitig wird daran geforscht, wie energieintensive Prozesse ressourceneffizienter werden können. Neue Verfahren in der Zementindustrie sind ein Beispiel dafür.
Digitale Technologie kommen in der Industrie vor allem dann zum Einsatz, wenn es um Ressourceneffizienz geht, also darum, wie Produkte mit so wenig wie möglich Energie und anderen Ressourcen hergestellt werden können. Dazu gibt es unterschiedliche Ansätze, zum Beispiel die verbesserte Wartbarkeit und ein verbesserter Support durch intelligente Software, wodurch letztlich Material eingespart werden soll.
Gleichzeitig gibt es auch viele Möglichkeiten, Produktionsprozesse auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Netz verfügbare Energiemengen abzustimmen, das sogenannte „Demand Response Management“. „Zu den Zeitpunkten, wo durch Sonne und Wind viel erneuerbare Energie verfügbar ist, wird verstärkt produziert. Und andererseits können Produktionsprozesse zu den Zeitpunkten, wo Energie knapp ist, runtergefahren werden. So wird insgesamt – systemisch gedacht – weniger Energie verschwendet und die verfügbare Energie optimal genutzt“, sagt Grischa Beier. Wie so eine intelligente Steuerung umgesetzt werden kann, wurde bereits mit der Software von Etalytics gezeigt.
Auch wenn weniger aus Klimaschutzgründen, sondern meistens eher mit dem Gedanken der Prozessoptimierung und Gewinnmaximierung, ist die Industrie laut Grischa Beier effizienter geworden: „Die Verbräuche an Energie bleiben relativ konstant über die Jahre, obwohl der Output – also das, was produziert wird-, eigentlich zunimmt. Die Schlussfolgerung für mich daraus ist, dass die Verfahren effizienter werden.“ Welchen Anteil die Digitalisierung bzw. die Industrie 4.0 daran hat ist eine Frage, die in der Forschung noch nicht abschließend geklärt ist. Was aber klar ist: Die CO2-Emissionen der Industrie sind nach wie vor zu hoch und neben der Umstellung auf erneuerbare Energien sind weitere, massive Effizienzsteigerungen nötig. Große Chancen stecken in der Kreislaufwirtschaft.
Der Kerngedanke der Kreislaufwirtschaft, auch Circular Economy genannt, ist, Ressourcen möglichst lange in einem geschlossenen Kreislauf zu halten. Ausgediente Produkte, deren Komponenten oder die recycelten Rohstoffe werden so zum Ausgangspunkt für neue Produkte. Insbesondere in der Industrie können geschlossene Kreisläufe dafür sorgen, dass von vorneherein weniger Rohstoffe zugeführt und weniger neue Produkte produziert werden. Wie digitale Technologien darin unterstützen zeigen die Projekte EIBA und DIBIChain.
Ob ein Produkt recycelt oder wiederaufbereitet werden kann oder entsorgt werden muss, darüber entscheidet die Art und der konkrete Zustand. Dazu gilt es zu klären, woraus ein Produkt besteht und was davon noch brauchbar ist. Aktuell ist dieser Prozess kompliziert und zeitaufwändig. Das liegt vor allem daran, dass wenig Informationen zu den Produkten mitgeliefert werden als auch die Identifikation einzelner Komponenten oft schwierig ist. Im Projekt EIBA wird eine KI entwickelt, die Alt-Teile identifiziert, damit sie schneller erkannt und leichter wiederverwertet werden können. Dazu werden sensorisch erfasste Daten und weitere Informationen mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet und zu einer Entscheidungsempfehlung formuliert. Aktuell wird das System auf gebrauchte Fahrzeugaltteile in der Industrie trainiert, doch in Zukunft soll es die EIBA-Technologie auch als App geben, so dass der „Alt-Teil-Detektor“ genauso von kleinen Unternehmen und Werkstätten oder Privatpersonen ohne spezielle Hardware eingesetzt werden kann.
Ausgangspunkt im Projekt EIBA sind Alt-Teile, über die keine weiteren Informationen vorliegen und die im Nachhinein aufwändig identifiziert werden müssen. Ein wesentlicher Schritt für die Kreislaufwirtschaft der Zukunft ist es, sämtliche relevante Produktdaten von Anfang an zu erfassen. Das Tracking der Materialien, deren Veredelung und Verarbeitung entlang der gesamten Lieferkette - von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Rückführung in die Stoffkreisläufe - erleichtert deren Kreislaufführung. Doch nicht nur das: Transparente Lieferketten können auch dabei helfen, faire Arbeitsbedingungen umzusetzen. Das Forschungsprojekt DIBIChain erprobt dazu eine Blockchain-Anwendung, in die alle Teilnehmer*innen einer Lieferkette die für das Lifecycle Assessment relevanten Daten verschlüsselt eingeben können.
Eine klimaneutrale Industrie – wie im übrigen auch ein klimaneutrales Energiesystem insgesamt - ist mit einer intelligenten Steuerung und effizienten Produktionsprozessen allein jedoch kaum zu erreichen. Solange Menschen möglichst viel besitzen wollen und stetiges Wirtschaftswachstum das oberste Ziel ist, muss auch immer mehr produziert werden - und die CO2-Emissionen bleiben auf einem hohen Niveau. Gefragt ist Suffizienz und damit gemeint ist nicht weniger als ein gesellschaftlicher Wandel hin zu einem Konsumverhalten und Wirtschaftsgebaren, das auch die Begriffe „weniger“ und „ausreichend“ kennt. Suffizienzstrategien umzusetzen ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die ein Umdenken auf kultureller, politischer und ökonomischer Ebene erfordert.
Bei der Nutzung digitaler Technologien lassen sich durchaus Suffizienzstrategien umsetzen, zum Beispiel, indem nur dort digitalisiert wird, wo Technologien wirklich eine nachhaltige Verbesserung erzielen, und nur so viele Daten wie nötig erhoben werden.
Auch wenn eine ganze Reihe von positiven Beispielen zeigen, dass der Energieverbrauch mithilfe digitaler Technologien sinken kann, gibt es viele Fälle, in denen der Einspareffekt nicht den Energieverbrauch des Entwicklungsprozesses und der Nutzung ausgleicht, denn: Auch digitale Technologien sind energiehungrig. Jeder Prozess, der digitalisiert wird, benötigt als erstes Material - Sensoren, Prozessoren, Datenleitungen - und Energie für die Programmierung, das Training und später im Betrieb.
Forschende haben beispielweise errechnet, dass das Antrainieren einer KI ungefähr so viel CO2 erzeugt wie fünf PKW über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg, also von der Produktion über den Betrieb bis zur Entsorgung. Die Zahlen wurden in diesem Fall für eine ziemlich komplexe Spracherkennungs-KI berechnet und dürften relativ hoch angesetzt sein. Dennoch geben sie einen Eindruck davon, wie energieintensiv die Entwicklung von KI ist.
Auch die Herstellung und Entsorgung der Hardware der digitalen Infrastrukturen tragen zu dem erheblichen Fußabdruck der Digitalisierung bei. Vergleicht man beispielsweise eine moderne Messeinrichtung (IMS) (ohne Smart-Meter-Gateway) mit einem klassischen Ferraris-Zähler (aktuelles Zähler-Modell in Haushalten), verursacht die Herstellung einer IMS 91 kg CO2-Äquivalente, während ein Ferraris-Zähler bei ca. 8 kg CO2-Äquivalenten liegt. Zusätzlich steigt der Stromverbrauch im Betrieb einer IMS, sobald ein Smart-Meter-Gateway dazu kommt.
Das Bottleneck der Digitalisierung sind Rechenzentren, da sämtliche Datenflüsse letztlich hier verarbeitet werden. Alleine im Jahr 2021 verbrauchten Rechenzentren in Deutschland 17 Mrd. Kilowattstunden Strom - und die Tendenz ist steigend.
Bei der Bewertung des Impacts digitaler Technologien muss daher immer genau betrachtet werden, in welchem Verhältnis Ressourcen- und Energieaufwand in der Produktions- und Nutzungsphase zu den tatsächlichen Einsparungen in einem System stehen.
Digitale Technologien gelten als „Enabler“ des zügigen Ausbaus der Erneuerbaren Energien, wie auch eine Studie von Germanwatch feststellt. Dabei kommt ihnen eine Schlüsselfunktion bei Lösungen für die Herausforderungen der Dezentralisierung, Flexibilisierung und effizienten Nutzung von Energie zu, wie auch die von uns vorgestellten innovativen Forschungsprojekte und Startups illustrieren:
Digitale Technologien können Stromangebot und -nachfrage aufeinander abstimmen, indem sie Produktion und Verbrauch zeitnah erfassen. Sie schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Energie zwischen Produzent*innen, Verbraucher*innen und Stromspeichern intelligent verteilt werden kann und so die Stromnetze stabil bleiben und möglichst wenig Energie ungenutzt verpufft. Mit ihnen ist ein Energieaustausch über Sektorgrenzen hinweg möglich und sie versetzen Verbraucher*innen in die Lage, auf variable Versorgungstarife zu reagieren.
Damit können digitale Technologien zu einem Energiesystem beitragen, dass mit Intelligenz und Flexibilität die durch erneuerbare Energien bereitgestellte Energie bestmöglich nutzt, Peaks und Flauten ausgleicht und durch Effizienz Verbräuche reduziert. Fossile Energieträger wie Kohle und Gas werden in einem solchen Energiesystem verzichtbar.
Zudem steckt in einer intelligent vernetzten Energiewelt die Chance, dass sich neue Geschäftsmodelle jenseits der Big-Player des Energiemarkts etablieren und Demokratisierungsprozesse in Gang gesetzt werden. Gute Beispiele sind der Peer-to-Peer-Handel und Energy-Sharing-Modelle; hier bilden sich neue Energie-Gemeinschaften, die sich dezentral und lokal aus Solaranlagen und Windrädern versorgen.
Allerdings ist ein intelligentes und effizientes Energiesystem noch längst nicht Realität. Im Moment sind es hauptsächlich kleine Bereiche, die digitalisiert werden, ein durchgängiger Austausch über das gesamte Energiesystem besteht nicht. Damit sind die Potenziale, mithilfe digitaler Technologien die Energiewende voranzutreiben, derzeit noch weitaus größer als die Akzeptanz und Nachfrage seitens der Bevölkerung, Unternehmen und Industrie.
Es ist davon auszugehen, dass die großen Energieunternehmen die Digitalisierung des Netzes vorantreiben, da sie selbst ein Interesse an den Daten und der intelligenten Steuerung haben. Um Datenmonopole zu vermeiden, möglichst vielen Akteur*innen die Teilhabe am Energiemarkt zu ermöglichen und einen hohen Datenschutz zu gewährleisten sollte diese Entwicklung jedoch nicht allein der Energiewirtschaft überlassen bleiben.
Dazu kommt: Digitale Technologien schaffen zwar wichtige Voraussetzung für die Energiewende. Dass sie aber tatsächlich zu mehr Effizienz beitragen und Stromverbräuche reduzieren, ist kein Selbstläufer. Auch die Produktion der Hardware, die Programmierung – und bei Anwendungen auf Basis Künstlicher Intelligenz das Training – und der Betrieb digitale Technologien benötigen erhebliche Mengen Energie und Ressourcen. Schon heute macht die Herstellung und Nutzung digitaler Geräte und Dienstleistungen 8 bis 10 Prozent der weltweiten Stromnachfrage aus - und verschiedene Szenarien rechnen mit einem weiteren nutzungsbedingten Anstieg um 50 bis 80 Prozent bis 2030.
Eine wichtige Voraussetzungen für eine zügige Energiewende ist es, die Produktion erneuerbarer Energien und deren dezentralen Austausch zu erleichtern. Dazu gilt es entsprechenden Rahmenbedingungen auf politischer Ebene zu schaffen, u.a. die Beseitigung der bürokratischen Hürden für die Gründung von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, die Förderung regionaler Kraftwerke für erneuerbare Energien zur Unterstützung kommunaler Netze, die Flexibilisierung der Energietarife, um den Verbrauch an die Verfügbarkeit von erneuerbaren Strom zu koppeln und die Förderung von Bürgerbeteiligung und Mitgestaltung, um die Akzeptanz zu erhöhen.
Zudem muss die technische Infrastruktur geschaffen werden, damit sich ein vernetztes, intelligentes und effizientes Energiesystem entwickeln kann. Dazu gehört unter anderem eine Digitalisierung der Netze und der Einbau intelligenter Zähler (Smart Meter) insbesondere bei Großverbraucher*innen. Smart Meter können Verbrauchsdaten in regelmäßigen Abständen ermitteln, automatisch übermitteln und Zugriffsrechte verwalten. Indem sie Energieversorger, Verbrauchsgeräte und Stromnetz miteinander verbinden, bilden sie eine wichtige Schnittstelle zur Steuerung dezentraler Stromerzeuger wie Photovoltaik- oder Windenergieanlagen, aber auch zur Organisation von Energie-Gemeinschaften. Zudem können mithilfe der intelligenter Zähler flexible Stromtarife eingeführt werden, die Preisschwankungen und Stromnachfrage berücksichtigen.
Andererseits gilt es, die Digitalisierung selbst nachhaltig zu gestalten und den Klima- und Ressourcenschutz, Datenschutz und soziale Gerechtigkeit im Blick zu behalten. Dafür sind entsprechende politische Rahmenbedingungen und Leitplanken nötig:
Eine derart aktiv gestaltete Digitalisierung kann dazu beitragen, dass die Dekarbonisierung unseres Energiesystems bis 2050 gelingt. Wirksame Lieferkettengesetze und Maßnahmen wie der digitale Produktpass und der Blaue Engel für Rechenzentren und Software, wie sie in der Digitalagenda des BMU angelegt sind und sich teilweise schon in der Umsetzung befinden, sind erste wichtige Schritte auf diesem Weg - aber noch lange nicht ausreichend.
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