Es gibt einen Ausschaltknopf für´s Internet. Glaubst du nicht? Das Internet einfach mal abzuschalten ist für uns kaum vorstellbar, in anderen Ländern aber durchaus politische Praxis. Indien ging allein dieses Jahr 54 Mal komplett offline. Auch in Ägypten, dem Irak, in Bangladesch oder Kamerun wurde der Bevölkerung zeitweise der Stecker gezogen. Laut dem Anfang der Woche vorgestellten Unesco-Bericht „Weltweite Trends – Meinungsfreiheit und Medienentwicklung“ haben Regierungen in den vergangenen zwei Jahren immer häufiger das Internet blockiert; 2017 wurden bisher weltweit 61 Blockaden des Internets gezählt – 43 mehr als im Jahr 2015. Warum? An erster Stelle wollen Regierungen so die Verbreitung von unruhestiftenden Nachrichten und Videos verhindern, Proteste unterdrücken oder Negativpresse stumm schalten. Den digitalen Blackout möglich machen Internetanbieter vor Ort, die die Wünsche der Regierungen ausführen, um nicht wertvolle staatliche Lizenzen zu verlieren. Denn an vielen Orten wird das Internet von einigen wenigen Anbietern betrieben und ist damit ein äußerst manipulierbares Machtinstrument.
Es gibt aber auch andere Gründe für eine fehlende Internetverbindung. (Noch) nicht jede Region dieser Erde ist an das World Wide Web angeschlossen und auch nach Naturkatastrophen und Kriegen kann eine bereits bestehende Infrastruktur zusammenbrechen.
Das kann fatale Folgen haben: Das Internet ermöglicht uns, wichtige Informationen zu übertragen, Transaktionen zu tätigen und die Kommunikation zu weit entfernten Menschen aufrecht zu erhalten. Es kann im Krisenfall aber auch ein lebensrettendes Tool sein, um z.B. zügig Informationen über die Situation vor Ort zu erhalten, Hilfe an die richtigen Orte zu leiten und Maßnahmen zu koordinieren.
Peer-to Peer: Nachrichten von Smartphone zu Smartphone
Der syrische Software-Ingenieur Abdul Rahman AlAshraf hat mit FreeCom eine Lösung entwickelt, die dann einspringt, wenn es keine Internetverbindung (mehr) gibt. Die Idee ist ganz einfach: Mit der Technologie von FreeCom wird jedes Smartphone in einen Sender verwandelt, der Daten zum nächsten Smartphone in der Nähe überträgt – so lange, bis diese bei dem Empfänger ankommen. Die Übertragung findet dabei über jede verfügbare Technologie statt, egal ob Lichtsignale oder Niedrigfrequenz-Schallwellen. Durch diese Kettenreaktion von Gerät zu Gerät entsteht ein Notfall-Netzwerk, das komplett ohne Internet auskommt. Highspeed ist die Verbindung nicht, dafür aber sicher vor Fehlern und verschlüsselt.
Mit FreeCom hat Abdul Rahman AlAshraf bereits den European Youth Award 2016 gewonnen. Aktuell ist der junge Syrer noch bei der Entwicklung des Protypen, aber erste Tests haben gezeigt, dass die Technologie sogar auf alten Handymodellen funktioniert. Seine Vision ist es, dass Technologien wie FreeCom standardmäßig in die neuen Smartphone-Generationen mitgeliefert werden. Daher soll seine Technologie zukünftig auch frei und Open Source zur Verfügung stehen.
Abschaltern das Handwerk legen
Während FreeCom eine technische Lösung stellt, die es Regierungen erschwert, jegliche digitale Kommunikation zu unterbinden, muss für eine politische Handhabe noch der Weg geebnet werden. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Jahr 2016 zwar eine Resolution verabschiedet, die den Zugang zum Internet zu einem Menschenrecht erklärt, da ein Abschalten im Widerspruch zum Menschenrecht der Redefreiheit steht. Aber Beschlüsse der Vereinten Nationen sind erst verbindlich, wenn sie in die Gesetze eines jeweiligen Landes übertragen werden. In Deutschland ist das längst passiert, doch andere Länder müssen nachziehen, um den „Abschaltern“ das Handwerk zu legen. Immerhin haben 70 weitere Länder die Resolution unterschrieben…