Solarenergie gilt als einer der wesentlichen Lösungsansätze für die Herausforderungen des Klimawandels auf der Erde: Energieversorgung ohne Verbrennung fossiler Brennstoffe und mit wenigen negativen Umweltauswirkungen. Obwohl die Solarenergie in den letzten Jahren eine Art Revolution durchlaufen hat – mit zunehmender Akzeptanz, sinkenden Kosten und verbesserter Effizienz – hat sie auch einige bedeutende Nachteile.
Denn Solarenergie kann nur unter klaren, sonnigen Bedingungen effektiv erzeugt werden, und selbst an solchen Tagen ist die Stromerzeugung durch die Ausrichtung der Solarzelle begrenzt. Zudem sind die meisten Solarstromzellen statisch, d.h. sie fangen nur für einen kurzen Zeitraum des Tages die stärksten Sonnenstrahlen ein. Sobald sich die Sonne über den Himmel bewegt, sinkt ihre Effizienz.
Ein Team der University of California in Los Angeles hat nun jedoch die erste Solarzelle mit phototropen Eigenschaften entwickelt – also mit der Fähigkeit, die Sonne auf ihrer täglichen Reise über den Himmel zu verfolgen. Um dies zu erreichen, entwickelten die Forschenden Ximin He und Xiaoshi Qian ein neues Polymer und ließen sich direkt von der natürlichen Pflanzenwelt inspirieren. In der Natur wird der Photo- und Heliotropismus durch den Stamm einer Pflanze oder Blume ermöglicht, die als Reaktion auf das Vorhandensein oder Fehlen von Sonnenlicht wächst oder sich zusammenzieht. Die Schöpfung, von ihren Erfindern getauft auf den Namen SunBOT (für Sunflower-like Biomimetic Omnidirectional Tracker), verwendet eine ähnliche Methode.
Der SunBOT besteht aus einem etwa einen Millimeter dicken „Stiel“, der mit einer mit Photovoltaikmaterialien beschichteten „Blume“ gekrönt ist. Um den Stiel herum befindet sich ein Nanomaterial-Polymer, das in der Lage ist, Licht in Wärme umzuwandeln. Die erwärmten Abschnitte des Stammes ziehen sich zurück, so dass sich die Blume der Mini-Solarzelle in Richtung der Lichtquelle bewegen und deren Bewegung verfolgen kann. Außerhalb des Sonnenlichts kühlt der erwärmte Bereich ab wodurch verhindert wird, dass er sich zu weit zusammenzieht. Diese ständige Erwärmung und Kühlung ermöglicht es dem SunBOT, die Bewegung der Lichtquelle kontinuierlich zu verfolgen. In dem Video unten sind der Winkelbereich und Geschwindigkeit zu sehen, in denen sich der SunBOT bewegen kann:
Für den Bau des Prototyps verwendete das Team eine Kombination aus Goldnanopartikeln und einem Hydrogel. Bei späteren Tests stellte sich jedoch heraus, dass auch andere Materialien, wie z.B. reduziertes Graphenoxid und flüssigkristalline Polymere, hierfür potenziell eingesetzt werden können. Hierdurch tun sich Möglichkeiten zur Verfeinerung des Prozesses, zur Kostensenkung und zur Massenproduktion auf.
Laut He können traditionelle Solarmodule lediglich bis zu 24 Prozent der Sonneneinstrahlung an einem durchschnittlichen Tag einfangen. Der SunBOT könnte jedoch bis zu 90 Prozent erfassen und damit die Effizienz von Solarmodulen enorm steigern. Eine zukünftige mögliche Anwendung wäre es, SunBOTs in Reihen anzuordnen, um Oberflächen wie Solarmodule zu bedecken. Zwar gibt es bereits Solar-Tracking-Systeme, die Solarmodule entsprechend den Bewegungen der Sonne schwenken, allerdings haben diese Systeme oft hohe Vorlaufkosten, sind sehr schwer und damit nicht für Dachsolaranlagen geeignet und benötigen viel Energie für ihren Betrieb. SunBOTs hingegen bewegen sich von selbst dem Licht entgegen – ohne zusätzlichen Energieaufwand.
Um die Erfindung zu testen, brachte das Team der University of California mehrere SunBOTs in Wasser ein, wobei nur deren „Blumen“ aus dem Wasser ragten. Anschließend setzten die Forschenden die SunBOTs dem Sonnenlicht aus und erfassten die Menge an Wasserdampf, die durch die Erwärmung der „Stiele“ entstand. Sie entdeckten, dass die SunBOTs über 400 Prozent mehr Dampf erzeugten als statische Solarmodule – was darauf hindeutet, dass sie viel effektiver bei der Erzeugung von Wärme und damit von Strom sind.
Den Forschenden haben vor allem Felder von SunBOTs im Sinn, die zur Stromerzeugung für Gebäude genutzt werden, doch es gibt noch weitere Einsatzmöglichkeiten. Eine solche phototrope Technologie könnte in vielen verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, wie es in dem in Nature Nanotechnology veröffentlichten Forschungspapier heißt:
„Diese Arbeit kann nützlich sein für verbesserte Solargeneratoren, adaptive Signalempfänger, intelligente Fenster, autarke Robotik, Sonnensegel für Raumschiffe, geführte Chirurgie, selbstregulierende optische Geräte und intelligente Energieerzeugung (z.B. Solarzellen und Biokraftstoffe) sowie die Erkennung und Verfolgung energetischer Emissionen mit Teleskopen, Radaren und Hydrophonen.“
Viele Wissenschaftler*innen lassen sich für Zukunftstechnologien von der Natur inspirieren. So haben wir bei RESET bereits von einer Erfindung berichtet, die den Prozess der Photosynthese nachbildet und sogar von der Idee, Pflanzen selbst zur Energieversorgung von elektronischen Geräten zu nutzen.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.