Manchmal sind die einfachsten Ideen die besten. Im März diesen Jahres hat eine Gruppe Sozialer Entrepreneure aus Brasilien Rangri gegründet, einen Lieferservice, der die Hälfte der Gewinne jeder Bestellung an lokale Projekte spendet, die sich im Kampf gegen den Hunger engagieren – ohne, dass dabei der Kunde extra zahlen muss. Der clevere Ansatz hat auch UNICEF und Brasiliens Organic Agriculture Association (AAO) überzeugt, beide sind mittlerweile Partner des Lieferservice mit Mission. Wir haben uns mit dem Gründer Flavio Masson über Rangri unterhalten und darüber, wie Unternehmen mit dem innovativen Einsatz von Technologien eine wichtige Rolle dabei spielen können, soziale und ökologische Probleme zu lösen.
Wie ist die Idee zu Rangri entstanden?
Hunger ist eine Konstante in den Straßen von Brasiliens großen und wohlhabenden Städten. Doch die meisten Brasilianer blenden das aus, da sie keinen sinnvollen Weg haben damit umzugehen. Es gibt viele NGOs, die sehr engagiert sind, aber trotz aktueller Programme, die Armut und Mangelernährung in Brasilien reduziert haben, gibt es noch immer 11,2 Millionen Menschen, die nicht genug zu Essen haben.
Eines Nachts habe ich Essen in mein Apartment in Brooklyn bestellt. Da kam mir die Idee: Was, wenn ich mein Essen, das ich mir fast jede Nacht bestellte, mit Menschen in Not teilen könnte? Und was, wenn alle meine Freunde das gleiche tun würden?
Mit all den aktuellen Möglichkeiten – kontinuierlicher technischer Fortschritt, dem Anstieg neuer Marken und Entrepreneurs, die die Grenzen zwischen For-Profit und Non-Profit-Welten verwischen – habe ich mich entschieden, einen Plan zu entwerfen, der zwei Probleme in einem angeht: den Hunger der Reichen und den Hunger der Armen.
So entstand der Online-Lieferservice Rangri – das bedeutet „Hunger“ auf brasilianisch. Das Konzept ist einfach: Rangri spendet 50 % seiner Einnahmen von jeder Bestellung an ausgewählte Organisationen, die den Hunger bekämpfen. Dabei kann der Kunde aus einer Liste auswählen. Wenn also ein Reicher isst, dann kann auch ein Armer essen. Die Einnahmen kommen aus einer Vermittlungsgebühr, die sich jedes teilnehmende Restaurant verpflichtet zu zahlen.
Wie ist der Kontakt zu UNICEF und AAO entstanden?
Wir haben uns mit denen getroffen, sobald wir unseren ersten Screens und einen Businessplan zusammen hatten. Beide Organisationen waren sofort begeistert von der Idee. Was ihnen am besten gefiel war, dass wir eine Lösung gefunden hatten, die kleine Spenden generiert ohne danach Fragen zu müssen. Außerdem sahen sie Rangri als einen Kanal, der einen Dialog mit den Nutzern ermöglicht.
Wie wählt ihr die Organisationen aus, an die die Spenden gehen?
Von Anfang an wussten wir, dass wir mit anerkannten Organisationen arbeiten wollen die sich wie wir dem Kampf gegen Hunger und Mangelernährung verpflichtet haben und die außerdem eine große Bandbreite an Wegen zeigen, um den Hunger zu reduzieren, die Qualität der Nahrungsmittel und die Effizienz erhöhen.
Wie ist das Feedback eurer Kunden bis jetzt?
Unsere Nutzer der Beta-Version in Curitiba – der Stadt, in der unser Prototyp gelaunched wurde – haben uns bisher sehr positives Feedback gegeben. Rangri passt wirklich gut zu der Essenskultur und der großen Auswahl an Restaurants dieser Stadt. Die Nutzer sind sehr überrascht, dass sie Teil einer Bewegung gegen Hunger einfach nur mit einer Bestellung bei einem Lieferservice werden können – und das, ohne einen extra Dime auszugeben.
Ist die Business-Community in Brasilien bereit und gewillt, um mehr sozialverantwortliche und umweltfreundliche Initiativen zu etablieren?
Ja. So funktioniert der Markt. Unternehmen werden genötigt sein, sich einer neuen Generation von Konsumenten anzupassen, die nach Marken schauen, die eine Mission haben und auf Nachhaltigkeit achten. Wir beobachten eine wachsende Anzahl an Initiativen, und die Entrepreneure dahinter helfen, einen neuen Markt zu schaffen, einen neuen Weg des Denkens zu etablieren, der sich deutlich von alten profit-first/profit-only-Haltungen unterscheidet.
Was waren eure größten Herausforderungen?
Wir wissen, dass große Ideen von schlechter Technologie ruiniert werden können. Daher haben wir bisher darauf fokussiert, eine funktionale Plattform zu entwickeln, die für Akquise und Erhaltung von Nutzern optimiert ist. Unsere nächste große Herausforderung wird der weitere Ausbau sein. Zuerst wollen wir in Curitiba einen positiven Beitrag leisten und mit gutem Beispiel vorangehen, bevor wir in andere Städte expandieren.
Welche Rolle können Unternehmen deiner Meinung nach für eine nachhaltige Entwicklung in Brasilien spielen?
Wir leben in einer intelligenteren und effizienteren Welt. Bahnbrechende Innovationen und Fortschritte im technologischen Bereich ermöglichen, werden sie richtig eingesetzt, Unternehmen mit neuen Modellen zu experimentieren. Diese neuen Modelle haben das Potential, einige unserer drängendsten Probleme in Angriff zu nehmen. Wir müssen nicht mehr länger auf Politiker und Regierung warten, um die Probleme anzugehen.
Wo siehst Du Rangri in 5-10 Jahren?
In 5-10 Jahren hoffen wir, Brasiliens größte Märkte erreicht zu haben. Es gibt noch so viel Potential. Wir denken, dass Partnerschaften zentral dabei sind, dieses Ziel zu erreichen. Wir hoffen, Brasilianer zunehmend zu ermächtigen, ihr Land positiv zu verändern.
Für uns ist Hunger erst der Anfang. Es hat sich natürlich angefühlt, mit dem Fundamentalsten zu starten – Essen um zu Überleben – aber wir haben ambitionierte Pläne, unser Modell auch auf andere Probleme in Brasilien zu übertragen – und vielleicht auch auf andere Länder. Rangri ist unser erster Schritt.
Bevor sich beim ersten Anpfiff der Weltmeisterschaft alle Blicke auf Brasilien richten wollen wir mit unserer Serie „Spotlight Brasilien“ schon jetzt Menschen, Organisationen und Bewegungen vorstellen, die sich jenseits des Stadiums mit innovativen Ansätzen für Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit engagieren. Weitere Artikel findest du hier: Spotlight Brasilien