Sozialer Wohnungsbau aus dem 3D-Drucker

Der neue soziale Wohungsbau könnte aus dem 3D-Drucker stammen

Was wie eine Utopie klingt, wird in Frankreich und den Niederlanden bereits Realität: In wenigen Tagen fertigen überdimensionale Drucker ganze Häuser im 3D-Druckverfahren. Die Häuser sollen schnell beziehbaren sozialen Wohnraum schaffen.

Autor*in Laura Wagener, 13.06.18

Übersetzung Laura Wagener:

Wohnungsknappheit und überteuerte Mieten – Themen, die so omnipräsent sind, dass man sie trotz des eigenen Ärgers darüber trotzdem fast schon nicht mehr hören kann. Egal ob Paris, New York, Singapur oder Berlin: Das Problem ist so gut wie allen Großstädten der Welt gemein. Die Städte platzen aus allen Nähten, Wohnraum wird zum Spekulationsobjekt und eine bezahlbare Wohnung in Innenstadtnähe fühlt sich an wie ein Sechser im Lotto.

Das Gegenmittel gegen die wachsende Frustration der Bürger sind in aller Regel die Versprechen nach neuem sozialem Wohnbestand. Doch neu bauen ist teilweise gar nicht so einfach, denn auch qualifizierte Bauarbeiter gibt es nicht wie Sand am Meer. Zudem scheint auch die Bauindustrie ein Stück vom Kuchen abhaben zu wollen: Laut Statistischem Bundesamt sind die Preise für den Bau neuer Gebäude in den letzten zehn Jahren massiv angestiegen. Die steigenden Preise im Bau kommen wiederum nicht unbedingt gemäßigten Mieten entgegen. In Pilotprojekten in den Niederlanden und Frankreich wird daher gerade etwas getestet, das durchaus weltweit für eine Revolution im Bausektor sorgen könnte: Ein schneller, kostengünstiger und sozialer Wohnungsbau aus dem 3D-Drucker.

Stylish und energieeffizient: Häuser aus dem 3D-Drucker

Der Anfang wurde im französischen Nantes gemacht: Mit Unterstützung der Wohnungsbaubehörde der Stadt sowie zwei Baufirmen fertigten Forscher der Universität Nantes im April dieses Jahres das erste im 3D-Verfahren gedruckte Haus an, das langfristig bezogen werden soll. In nur 18 Tagen druckte der 3D-Drucker Batiprint3D ein 95 Quadratmeter großes Haus mit fünf Zimmern.

Damit die Betriebskosten in dem gedruckten Haus nicht durch schlechte Dämmung in die Höhe schnellen, wurde das Haus in drei Lagen gefertigt: Innen und außen fertigte der Drucker jeweils zunächst eine Mauer aus aushärtendem Bauschaum an. Der Innenbereich zwischen den Schichten wurde anschließend mit Beton gefüllt. Der Schaum ist zunächst eine Verschalung des Betons, sorgt aber auch für eine angemessene Wärmeisolierung des Gebäudes. Diese Bauweise hat außerdem den Vorteil, dass die Form des Gebäudes weitgehend frei gestaltet werden kann. Das Haus in Nantes hat beispielsweise die Form eines Ypsilons. Das Haus soll bereits diesen Monat (Juni 2018) dauerhaft von einer Familie mit sozialem Vorzugsstatus bezogen werden und möglicher Weise das erste Haus einer 3D-Druck-Sozialsiedlung sein.

Häuser aus 3D-Drucker sind besser für den Klimaschutz

Und auch in Holland entsteht eine erste Siedlung aus dem 3D-Drucker. Das sogenannte „Project Milestone“ steht unter der Feder der TU Eindhoven und der Baufirma Van Wijnen und wird in den nächsten Jahren fünf dauerhaft bewohnbare Häuser im Stadtteil Meerhoven 3D-drucken. Das erste der Häuser soll Mitte 2019 bezugsfertig sein. Beim Druck der weiteren Häuser sollen die Erfahrungswerte aus dem Bau des ersten Hauses berücksichtigt werden.

Auch in Holland nutzen die Architekten der Siedlung die speziellen Möglichkeiten der 3D-Druck-Bauweise und geben ihren Häusern unkonventionelle Formen. Die 3D-gedruckten Häuser in Meerhoven sind von Findlingen inspiriert und sollen mit ihrem Äußeren an natürliche Formen erinnern. Und nicht nur ihr Äußeres soll im Einklang mit der Natur stehen: Beim Druck eines Hauses im 3D-Verfahren wird im Vergleich zu konventioneller Bauweise deutlich weniger Beton verbraucht.

Das hat gleich zwei Vorteile: Einer der Hauptbestandteile von Beton und Zement ist Sand. Durch den internationalen Bauboom gehört Sand zu den immer knapper werdenden natürlichen Ressourcen und wird vielerorts ohne Rücksicht auf die Umwelt im Raubbau abgebaut. Zum anderen wird bei der Herstellung von Zement extrem viel CO2 freigesetzt. Die Produktion des Baumaterials verursacht zwischen fünf und acht Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes weltweit. Zum Vergleich: Ganz Deutschland ist lediglich für gut zwei Prozent verantwortlich. Eine Bauweise, die den klimaschädlichen Rohstoff zumindest effizienter einsetzt, ist also dringend von Nöten.

Ob der 3D-Druck tatsächlich eine geeignete Möglichkeit ist, um den Wohnungsmarkt schnell um qualitativ hochwertigen, energieeffizienten und klimafreundlichen Wohnraum zu bereichern, werden wohl erst die Erfahrungsberichte der Pilotprojekte zeigen. In jedem Fall lohnt es sich aber, die Entwicklungen dieser Projekte zu verfolgen und aus den Erfahrungswerten zu lernen. Denn ein bezahlbares Haus mit fünf Zimmern in 18 Tagen zu bauen klingt zunächst einmal tatsächlich nach einer ziemlich guten Geschichte.

Der 3D-Druck könnte nicht nur eine Revolution für Produktionsprozesse bedeuten, sondern auch im Kontext von Umweltschutz und humanitärer Hilfe ein großes Potenzial entfalten. Hier erfährst du mehr dazu!

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