Die Lebensmittelproduktion der Landwirtschaft ist für rund 14 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Unser Konsum und die Produktion von Lebensmitteln sind also ebenso notwendige wie wirkungsvolle Hebel, um effektiv Emissionen einzusparen. Einem Startup in Finnland reicht das nicht: Es will nicht nur CO2-Emissionen im Lebensmittelsektor einsparen, sondern sogar aktiv reduzieren. Und zwar, in dem es Proteine herstellt, die vollständig auf pflanzliche oder tierische Inhaltstoffe verzichtet. Woraus denn dann, mag man sich fragen? Die Antwort: aus Luft, Wasser und Solarstrom. Und so nennt sich das Startup auch: Solar Foods.
Gegründet wurde das Unternehmen 2017 von Pasi Vainikka, um die Forschungsergebnisse eines Projektes des Technical Research Centers of Finland (VTT) in die Tat umzusetzen und zu kommerzialisieren. Die wichtigste Annahme der Forschenden war, so erzählt es uns Gründer Pasi Vanikka, dass die Förderung fossiler Brennstoffe aus dem Boden, deren Verbrennung und die Freisetzung des gebildeten CO2 in die Atmosphäre „grundsätzlich eine schlechte Idee ist“. Daher wollte das Team eine Methode entwickeln, durch die mit Solarstrom aus der Luft entnommenes CO2 in essbare Kalorien umwandelt werden kann. „Um eine so komplexe Aufgabe zu erfüllen, wurde eine mikrobielle Zelle als die beste Struktur für diese Aufgabe identifiziert“, so Vainikka.
Das Ergebnis ist ein extrem proteinhaltiges gelbliches Pulver – getauft auf den Namen Solein. Dessen Herstellungsprozess ist vergleichbar mit der Produktion von Wein oder Bier: Die von Solar Foods genutzten Mikroben werden in eine Flüssigkeit in einem Bioreaktor gegeben, das sogenannte Wachstumsmedium. Laut Vainikka wird die Flüssigkeit kontinuierlich mit kleinen Blasen von Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid sowie einigen Nährstoffen versorgt. Das CO2 wird aus der Luft entnommen, während der Wasserstoff durch Elektrolyse aus Wasser unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energiequellen hinzukommt. Die Technologie ist dabei äußerst effektiv und verbraucht wenig Strom. Die Mikroben „essen“ die Zutaten, um zu wachsen und sich zu vermehren. Wenn die Flüssigkeit dicker wird, wird ein Teil davon entfernt und getrocknet. Das daraus resultierende Pulver besteht bis zu 65 Prozent aus Proteinen, ähnlich getrockneten Zellen von Soja oder Algen, sowie Aminosäuren, Kohlenhydraten, Fetten und Vitaminen.
Sparsame und nachhaltige Produktion
Die Produktion von Solein ist somit völlig unabhängig von landwirtschaftlichen Ressourcen. Der Prozess findet im Labor statt und benötigt fast keinen Platz. Bisher wurde davon ausgegangen, pflanzliche Proteine seien in ökologischer Hinsicht die nachhaltigste Quelle von Proteinen, der ökologische Fußabdruck der Solein-Produkte ist jedoch noch deutlich kleiner. Pro Kilo des Proteins werden nur zehn Liter Wasser benötigt. Im Vergleich dazu benötigt der Anbau von Soja, dem am weitesten verbreiteten pflanzlichen Protein, pro Kilo etwa 2.500 Liter. Die Fleischproduktion liegt noch meilenweit darüber: Rindfleisch benötigt beispielsweise pro Kilogramm rund 15.500 Liter.
Die Technik punktet nicht nur durch ihren geringen Verbrauch von Strom und Wasser, sondern ist auch klimaneutral: Sie verursacht keinerlei CO2-Emissionen. Sollte es gelingen, mit Solein die Produktion von landwirtschaftlich erzeugten Proteinen zu verringern, so könnten die weltweiten CO2-Emissionen sogar aktiv gesenkt werden.
Das Solein soll allerdings nicht in seiner Pulverform verzehrt werden, sondern wird noch weiterverarbeitet. Es soll künftig Lebensmitteln wie Brot, Pasta, pflanzlichen Milchalternativen oder Getränken als zusätzliche Proteinquelle hinzugefügt oder als Zutat für pflanzliche Fleischalternativen verwendet werden. „Unsere Technologie sollte als Plattformtechnologie zur strategischen Trennung der Lebensmittelproduktion von der Landwirtschaft und nicht nur zur Herstellung von Proteinbestandteilen betrachtet werden“, erklärt uns der Gründer von Solar Foods. Das finnische Startup erwartet einen Preis von 7 bis 10 Euro pro Kilo. Momentan arbeitet das Unternehmen an einer EU-Zulassung für sein Produkt, der Markteintritt ist für 2021 geplant.
Vielversprechend, aber zu aufwendig und teuer?
Die Idee ist technologisch höchst beeindruckend und sehr nachhaltig, jedoch bleiben einige Fragen offen. Unsicher ist, ob ein im Labor gefertigtes Nahrungsprodukt ausreichend nachgefragt wird, um auf dem Markt bestehen zu können. Zwar erleben Fleischalternativen wie der „Beyond Meat“-Burger gerade einen großen Aufschwung, jedoch sind viele Verbraucher*innen weiterhin skeptisch, wenn Lebensmittel völlig ohne pflanzliche oder tierische Zusatzstoffe auskommen. Auch ist die Skalierung des Projekts eine große Herausforderung: Der Herstellungsprozess ist aufwendig und das Endprodukt vergleichsweise teuer. Aktuell kann das Unternehmen nur ein Kilo Solein pro Tag produzieren. Der Wettbewerb mit konventionellen landwirtschaftlichen Produzent*innen verspricht eine große Herausforderung zu werden. Sollte es dem Unternehmen jedoch gelingen, eine günstigere Produktion bei hoher Nachfrage zu entwickeln, könnten Proteine aus Licht, Luft und Wasser zukünftig eine wichtige Nahrungsquelle werden.