Wer kennt das nicht: Das Smartphone hat kleinere Schäden und anstatt es reparieren zu lassen, besorgen wir uns schnell ein neues. Dabei lassen sich viele Geräte reparieren. Um die Zahl der Reparaturen zu erhöhen, hat Berlin Mitte September 2024 einen Reparaturbonus eingeführt. In Sachsen und Thüringen gibt es den Bonus schon seit einigen Jahren – mit großem Erfolg.
Warum es sich lohnt, Geräte zu reparieren
Ist ein elektrisches Gerät kaputt, landet es meist im Müll – auch wenn der Schaden leicht zu beheben wäre. Denn vielen ist eine Reparatur zu teuer oder zu umständlich. Damit ist Elektroschrott laut dem Baker Institute der Rice University zu dem am schnellsten wachsenden Abfallstrom weltweit geworden. Ganze 7,3 Kilogramm Elektroschrott produziert durchschnittlich jede Person pro Jahr.
Obwohl sie viele wertvolle Rohstoffe enthalten, werden die ausrangierten Geräte in den wenigsten Fällen recycelt. Die Recyclingquoten für Elektronik liegen in Europa und den USA bei unter 20 Prozent. Stattdessen landet der Elektroschrott auf Mülldeponien. Und diese Elektroschrott-Deponien gehören zu den giftigsten Orten der Welt.
Aus ökologischen Gesichtspunkten lohnen sich Reparaturen schnell: Nach Angaben von Global 2000 rechnet sich beispielsweise bei einer alten Waschmaschine der Ersatz frühestens nach 17 bis 23 Jahren. Selbst wenn das neue Elektrogerät einen geringeren Energieverbrauch hat, wiegt das die Emissionen der Rohstoffe und der Produktion für ein neues Gerät erst nach langer Zeit auf. Würde man die Lebensdauer aller Waschmaschinen, Notebooks, Staubsauger und Smartphones im EU-Raum um nur ein einziges Jahr verlängern, kommt man auf die beeindruckende Zahl von rund vier Millionen Tonnen eingesparte CO2-Emissionen. Das entspricht der Einsparung, die durch zwei Millionen Autos weniger auf den Straßen erreicht werden könnte.
Um dieses Problem anzugehen, gibt es mittlerweile das EU-weite Recht auf Reparatur. Die Umsetzung liegt allerdings bei den Ländern. Und während einige Länder mit dem Reparaturbonus vorangehen, ist in großen Teilen der EU noch wenig passiert.
Der Reparaturbonus als Alternative zum Neukauf
„Reparatur muss für Verbraucher:innen zu einer sinnvollen Alternative gegenüber dem Neukauf werden“, sagt Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). „Oft entscheidet der Preis, ob ein Produkt repariert wird. Verbraucher:innen müssen daher finanziell unterstützt werden, wenn sie sich für eine Reparatur entscheiden.“
Um diesen Preis niedriger zu halten, werden in Berlin und Sachsen bis zu einer Summe von 200 Euro die Hälfte der Kosten für Reparaturen erstattet. In Thüringen werden ebenfalls 50 Prozent der Kosten übernommen, aber bei der Summe von 100 Euro jährlich pro Person gedeckelt. Im Bonus inbegriffen sind eigentlich sämtliche elektronische Geräte, also von Smartphones über Laptops bis hin zu „Weißware“ wie Kühlschränke und Waschmaschinen.
Den Reparaturbonus gibt es, egal ob die Elektrogeräte in einem Handwerksbetrieb oder in einem Repair-Café repariert wurden. Bei der Reparatur im Repair-Café werden Kosten der Ersatzteile übernommen.
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Bei der Abholung des Geräts müssen Kund:innen erst mal die Kosten selbst tragen. Den Bonus erhalten sie zurück, sobald ein Antrag eingereicht wird. (Achtung, Bürokratie: Es braucht doch etwas Geduld, bis alle Unterlagen vollständig hochgeladen sind!)
Hier kannst du den Reparaturbonus beantragen:
Vorbild Frankreich: Ein bundesweiter Reparaturbonus
In Thüringen gibt es den Bonus seit 2021, in Sachsen seit 2023. Allein in Sachsen wurden innerhalb des ersten Halbjahres 2024 bereits rund 10.000 Elektrogeräte repariert, darunter vor allem Mobiltelefone und „weiße Ware“, also Waschmaschinen, Geschirrspüler und Backöfen. Und beim Thüringer Reparaturbonus, der im Mai 2024 in die vierte Runde ging, sind in den vergangenen Jahren rund 30.000 Anträge bewilligt worden.
„Der Reparaturbonus als Modell in Thüringen oder Sachsen war ein großer Erfolg. Das kann ein Vorbild für die bundesweite Einführung sein“, sagt Ramona Pop. Der vzbv fordert daher die Bundesregierung auf, einen bundesweiten Reparaturbonus einzuführen – und diesen auch auf mehr Produkte auszuweiten.
Wie ein unkomplizierter, bundesweiter Reparaturbonus aussehen könnte, macht Frankreich vor. Bei unserem französischen Nachbarn gibt es bereits seit Dezember 2022 einen Bonus für reparierte Elektrogeräte. Für Verbraucher:innen ist es maximal einfach, den Bonus zu erhalten: Den Betrag zieht der zugelassene Reparaturbetrieb direkt von der Rechnung ab, berichtet das Zentrum für europäischen Verbraucherschutz. Damit kommt der Bonus in Frankreich ohne Papierkram für die Nutzer:innen aus.
Im November wurde das System auch auf Schuhe und Kleidungsstücke ausgeweitet. Und das französische Anti-Wegwerf-Gesetz geht noch weiter: Nach und nach sollen zusätzliche Produktkategorien in das Bonussystem aufgenommen werden, darunter Möbel, Werkzeug, Sportartikel und Fahrräder.
Auch in Österreich gibt es für Reparaturen einen bundesweiten Zuschuss von der EU. Das Programm umfasst alle Elektrogeräte im Haushalt, übernommen wird die Hälfte der Reparaturkosten bis maximal 200 Euro pro Gerät. In Wien sind seit September 2020 nach Angaben der Stadtverwaltung mehr als 35.000 Gegenstände repariert und dadurch rund 850 Tonnen CO2 sowie rund 355 Tonnen Abfälle vermieden worden.
Eine Herausforderung in Österreich: Nur in bestimmten Partnerbetrieben, die sich zuvor auch dafür registriert haben, kann der Reparaturbonus eingelöst werden. Daher müssen Reparierwillige aufgrund weniger registrierter Betriebe mancherorts mit einer langen Wartezeit rechnen. Doch die Anzahl der teilnehmenden Betriebe soll durch gezieltes Anschreiben und Werbemaßnahmen der Wirtschaftskammern nun Stück für Stück gesteigert werden.
Wer trägt die Kosten für den Reparaturbonus?
- Die deutschen Systeme sind ausschließlich über Steuergelder finanziert.
- Österreich hingegen zahlt den Reparaturbonus mit EU-Geldern.
- In Frankreich werden mit dem Verursacherprinzip (pollueur-payeur) die Hersteller in die Verantwortung genommen. Wenn Unternehmen Produkte fertigen oder vertreiben, die unter die erweiterte Herstellerverantwortung fallen, müssen sie auch die Müllentsorgung oder das Recycling finanzieren bzw. organisieren. Diese Gelder fließen in Fonds, mit denen unter anderem der Reparaturbonus finanziert wird.
Mehr Tempo beim Recht auf Reparatur
Insgesamt ist der Reparaturbonus ein wichtiger Schritt, der Anreize zum Reparieren statt Wegwerfen setzt. Und neben dem Schutz von Ressourcen fördert eine Zunahme an Reparaturen auch Handwerker:innen vor Ort.
Allerdings ist die Kostenübernahme noch sehr niedrig angesetzt. Größere, aber unter Umständen lohnenswerte Reparaturen, sind damit nicht abgedeckt. In Deutschland kommt dazu ein nicht unerheblicher bürokratischer Aufwand, um den Bonus zu ergattern.
Zudem ist in Deutschland die Fortführung des Reparatur-Bonus im Jahr 2025 nicht garantiert. Doch es besteht Hoffnung: Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat für dieses Jahr die Vorlage eines nationalen Reparaturgesetzes angekündigt. Bisher liegt jedoch kein Entwurf vor.
Verbraucher:innen scheinen Reparaturen auf jeden Fall nicht abgeneigt. Wie eine vom BUND beauftragte Umfrage aus dem Jahr 2023 ergab, würden 62 Prozent der Befragten mehr reparieren lassen, wenn es einen nationalen Reparaturbonus gäbe.
Für den Weg in eine echte Kreislaufwirtschaft wäre eine Ausweitung der Förderung auf alle Produktgruppen sinnvoll. Ein weiterer Hebel könnten auch steuerliche Vorteile für Reparaturen sein. „Verbraucher:innen sollten ein Recht auf Reparatur all ihrer Produkte und Geräte haben“, sagt Ramona Pop dazu. „Meint die EU es ernst mit dem Recht auf Reparatur, sollte sie hier auf Tempo setzen.“
Bis dahin sind wir aber nicht hilflos. In diesem Artikel findest du Tipps, wie du deinen Elektroschrott reduzierst: Umweltproblem Elektroschrott – und was wir dagegen tun können