Sturzfluten aufgrund heftiger Niederschläge, Naturschäden und Gesundheitsprobleme durch lange Hitzephasen – vor allem urbane Gebiete sind anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. Die Infrastruktur, Ökosysteme und Bewohner unserer Städte geraten dadurch zunehmend unter Druck. Es gilt daher, wirkungsvolle Maßnahmen zu finden und umzusetzen, die das Leben in urbanen Räumen auf Dauer schützen. Die europäische Initiative „Urban Innovative Actions“ (UIA) will hier mit dem Projekt RESILIO ansetzen.
RESILIO steht für „Resilience nEtwork of Smart Innovative cLImate-adapative rOoftops“ und testet einen Lösungsansatz, der die positiven Effekte einer bepflanzten Dachoberfläche mit einem darunter installierten Wasserspeicher kombiniert. Diese blau-grünen Dächer sollen auf aktuelle und zukünftige Wetterereignisse adaptiv reagieren und untereinander kommunizieren können. Die Auswirkungen von Extremwetterereignissen sollen somit besser abgefedert und das Wohlbefinden der Stadtbewohner gesteigert werden.
Das Konzept blau-grüner Dächer wird zunächst in Einzelprojekten getestet, nach Angaben von Nika Haspels von der Stadtverwaltung Amsterdam wird das erste Testdach voraussichtlich Ende 2019 bzw. Anfang 2020 an der Hogeschool of Amsterdam entstehen und offen für Interessierte sein. Anfang 2020 sollen weitere intelligente Dächer als interagierendes Netzwerk installiert werden. Die ausgewählten Projektstandorte hierfür liegen in vier von 96 stark von Flutschäden bedrohten Zonen Amsterdams, die in den Sommermonaten zugleich von einem innerstädtischen Wärmeinsel-Effekt betroffen sind. Die Umbaumaßnahmen finden zum Großteil auf renovierungsbedürftigen Dächern städtischer Sozialwohnungen statt. Die positiven Effekte sollen etwa 1.500 Bewohnern in den Projektgebäuden und anliegenden Nachbarschaften zugutekommen.
Auf den neu installierten Dächern können bis zu 5.600 Kubikmeter Wasser gespeichert werden. Dieses neue und über eine 10.000 Quadratmeter große Fläche verteilte Wasserreservoir sorgt dafür, kritische Extrembelastungen auf Gullys und weitere Nadelöhre des Abwassersystems zu reduzieren und verringert bei anhaltender Hitze auch das Aufwärmen der Gebäude. Intelligente Sensoren und ein Kommunikationsnetzwerk ergänzen das System, damit eine optimale Wasseraufnahme und -abgabe über die Dächer reguliert werden kann. Durch den darunter liegenden Wasserspeicher ist auch in Dürrephasen ausreichend Wasser für die Versorgung der begrünten Dachflächen vorhanden, was eine größere Vielfalt an Pflanzen ermöglicht und so die Biodiversität in der Stadt fördert.
Die Wasserschicht auf den Dächern verbessert außerdem die Isolationseigenschaften der Gebäude, zusätzlich wird durch die natürlich auftretende Wasserverdunstung die Luft in der Nähe gekühlt. Dadurch kann der Einsatz von Klimaanlagen und anderen aktiven Kühlungssystemen reduziert werden. Die blau-grünen Dächer sparen damit Energie und Geld und reduzieren den Wärmeinsel-Effekt, der besonders in wenig begrünten Stadtteilen zu spüren ist.
Resilienz durch smarte Vernetzung
Die Dächer des RESILIO-Projektes sind in der Lage, über verschiedene Sensoren eigene Daten zu generieren und mit externen Diensten sowie untereinander zu kommunizieren. Wettervorhersagen werden in das Kommunikationsnetzwerk eingespeist und ermöglichen eine adäquate Reaktion auf wahrscheinlich eintretende Wetterereignisse. Um auf Starkregen reagieren zu können, werden die Wasserspeicher im Vorhinein komplett geleert; bei drohender Trockenheit dagegen speichern die Bassins so viel Wasser wie möglich. Die erhofften Vorteile sind eine bessere Risikoplanung, geringere private und öffentliche Schäden infolge von extremem Wetter und damit eine gesteigerte Resilienz gefährdeter städtischer Areale.
Der Erfolg des Projektes wird von einem Expertenteam der Fachrichtungen Urban Technology, Urban Management, Water and Climate Risk und Environmental Policy Analysis begleitet und analysiert. Die Hogeschool van Amsterdam und die Vrije Universiteit Amsterdam sind offizielle Partner des Projektes und untersuchen dessen effektiven Nutzen. Das Augenmerk liegt dabei nicht nur auf den offensichtlichen Faktoren, wie z.B. die tatsächliche Reduktion von Flutschäden in den vier Stadtteilen, sondern auch auf sozio-ökonomischen Faktoren. Untersucht werden dabei Fragen wie: Ist die Erweiterung auf das gesamte Stadtgebiet ökonomisch, organisatorisch und ökologisch sinnvoll? Wie sind die Erfahrungen der intelligenten blau-grünen Dächer aus Sicht der Bevölkerung, der Architekten oder der Stadtverantwortlichen? Entstehen durch die Wasserspeicherung auf Dächern andere hydrologische oder ökologische Probleme, die vorher nicht absehbar waren?
Auch wenn es all diese Fragen noch zu beantworten gilt, erscheint das RESILIO-Projekt bereits jetzt als aussichtsreicher Ansatz für die Städte der Zukunft.