Slum Mapping: Landkarten von unten

Kibera, Nairobi, ist der größte Slum Afrikas

In Deutschland lassen sich ganze Dörfer von Google StreetView löschen, in andere Weltgegenden fahren die Kamera-Autos des Konzerns gar nicht erst hin. Kartenmaterial von Slums ist selten. Die Slumbewohner schaffen selbst Abhilfe - mit digitaler Technologie.

Autor*in Helge Peters, 17.11.10

Martin Herrndorf hat sich die Mühe gemacht, mal nachzuschauen, welche Teile des urbanen Südafrikas eigentlich von Googles Kartendienst erfasst sind und welche nicht. Das Ergebnis: Die Nobelgegenden lassen sich digital erkunden, die Armutsviertel nicht. Selbst der erste Wohnort von Nelson Mandela, das Township Alexandria, ist nicht verzeichnet.

Viele Slums weltweit sind ein weißer Fleck auf Karten, weil sie ohne Planung errichtet werden und unkontrolliert wachsen. Dabei ist Kartenmaterial gerade dort wichtig, um zu verstehen, welche Infrastrukturbedürfnisse in Sachen Elektrizität, Wasser und Sanitäranlagen bestehen.

In Kibera, dem größten Slum Afrikas in Kenia, gibt es deshalb seit letztes Jahr das Projekt Map Kibera. Mit Unterstützung von OpenStreetMap nahmen Jugendliche vor Ort die Vermessung selbst in die Hand. Ausgerüstet mit GPS-Geräten verzeichneten sie auf einer digitalen Karte alle nützlichen Informationen für die Einwohner, z.B. Wasserpumpen, Latrinen, Schulen und Krankenhäuser. Die Initiatoren versprechen sich davon, dass die Slumbewohner ein vollständigeres Bild ihrer eigenen Situation und dadurch auch mehr Verhandlungsmacht gegenüber den Behörden bekommen. Außerdem soll damit mehr Transparenz geschaffen werden, wie effektiv NGOs tatsächlich sind, die in dem Slum arbeiten.

Die indische Regierung hat Anfang des Jahres das Megaprojekt verkündet, alle Slums des Subkontinents mit Satellitentechnologie zu vermessen. Für die Bewohner ein Grund zur Beunruhigung: Die Daten könnten dazu benutzt werden, illegale Siedlungen aufzulösen und die Bewohner zu vertreiben, wie es schon oft passiert ist. Dagegen mobilisieren Basis-Initiativen die ansässigen Communities, mithilfe von Google Earth eigene Karten ihrer Siedlungen herzustellen. Die so generierten Daten sollen ein Gegengewicht gegen die regierungsoffiziellen Karten darstellen und den Bewohnern helfen, ihre Rechte einzufordern.

Die benutzte Technologie illustriert so auch den Macht-Konflikt, der das Wissen um das Terrain bestimmt: Regierungsoffizielle Satellitenfotografie von oben gegen Slum-Mapping mit frei verfügbaren digitalen Tools von unten.

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