Sind Pilzplatinen der Schlüssel zu einem besseren Recycling von E-Schrott?

Pilze halten das "Recycling" in unseren Wäldern am Laufen. Können sie auch zu höheren Recyclingsquoten bei Elektroschrott beitragen?

Autor Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 19.12.22

Mit der nahenden Geschenkeflut an Weihnachten ist zu erwarten, dass mal wieder unzählige Geräte – Telefone, Laptops, Spielkonsolen usw. – auf Nimmerwiedersehen in Schubladen und Schränken verschwinden werden oder anderweitig „entsorgt“ werden.

Überall auf der Welt verstauben riesige Mengen an Elektronikgeräten in dunklen Ecken, und wenn sie doch entsorgt werden, dann auf oft auf unverantwortliche Weise. Laut einer Umfrage von Nokia bleiben rund 44 Prozent der alten Telefone im Haushalt liegen, vier Prozent werden auf der Mülldeponie entsorgt und nur drei Prozent landen tatsächlich im Recycling.

Diese Zahlen verdeutlichen das Problem des Recyclings elektronischer Güter. Nicht nur müssen die Geräte richtig entsorgt werden. Da die Geräte sehr komplex sind und viele verschiedene Materialien verbaut sind, ist es oft einfach nicht kosteneffizient genug, sie ordnungsgemäß zu zerlegen und zu recyceln – der Weg auf die Müllkippe ist damit geebnet.

Ein Team der Johannes Kepler Universität in Österreich hat sich eine Lösung bei der Natur abgeschaut. In einer kürzlich in Science Advances veröffentlichten Studie haben sie ein neues Material aus einem Waldpilz entwickelt, das als Ersatz für Plastikplatinen in bestimmten elektronischen Geräten verwendet werden könnte.

Platinen sind Kunststoffplatten, die eine komplexe Anordnung von Mikrochips, Transistoren und anderen Bauteilen enthalten. Beim Recycling sind diese Kunststoffplatinen ein großes Hindernis und viele werden einfach verbrannt. Eine Platine auf Pilzbasis könnte sich dagegen nicht nur selbst zersetzen, sondern dabei auch andere nützliche Komponenten für das Recycling freilegen.

Die Entdeckung der Pilzplatine stammt eigentlich aus einer anderen Forschungsarbeit. Darin untersuchte das Team, inwieweit Holz-Pilz-Verbundwerkstoffen als Isolierung einsetzbar sind. Ähnliche Methoden wurden in der Vergangenheit bereits zur Herstellung von nachhaltigem Leder und Styropor-ähnlichen Verpackungsmaterialien angewandt. Dabei fanden die Forschenden heraus, dass der ungenießbare Glänzende Lackporling (Ganoderma lucidum) eine kompakte Schutzhaut um das Holz bildet, auf dem er wächst. Wird diese dünne Schicht entfernt, ähnelt sie einem Blatt Papier.

Die „Haut“ wird dann einem Produktionsprozess unterzogen, um das Material zu stärken. Nach dem Trocknen kann es bis zu 2.000 Mal gefaltet und gebogen werden, ohne seine Festigkeit, Flexibilität oder Strom- und Hitzebeständigkeit zu beeinträchtigen. Elektronische Schaltkreise und Komponenten könnten auf der Haut installiert werden, was sie insgesamt zu einem idealen Schaltungssubstrat macht.

Der Glänzende Lackporling (Ganoderma lucidum) ist in Europa, China und den USA nur begrenzt verbreitet, kann aber auf verrottendem Hartholz angebaut werden.

Solange das jeweilige Pilzprodukt einigermaßen trocken gelagert wird, bleibt es lange funktionsfähig, wird es jedoch in einen normalen Haushaltskompost gegeben, wird es in zwei Wochen oder weniger abgebaut. Damit sind für den Abbau des Materials keine besonderen Einrichtungen, Chemikalien oder Verfahren erforderlich.

Bisher wurden andere biologisch abbaubare Schaltkreissubstrate aus Papier und Seide hergestellt, doch das Team von Johannes Kepler weist darauf hin, dass diese auch Nachteile haben. Die Züchtung und Verarbeitung der Materialien ist aufwändig sowie energie- und wasserintensiv. Die Pilze hingegen lassen sich leicht auf Holzabfällen züchten und müssen nicht aufwendig verarbeitet werden.

Ein Nachteil ist jedoch, dass die auf Pilzen basierende Platine nicht so langlebig ist wie eine herkömmliche Kunststoffplatte. Aus diesem Grund schlägt das Team vor, dass die Pilzplatinen am besten für bestimmte kurzlebige Quasi-Wegwerf-Elektronik wie Sensoren, elektronische Etiketten und Geräte zur Gesundheitsüberwachung verwendet werden.

Aber das sind noch nicht alle Anwendungsmöglichkeiten. Das Team hat die Pilze auch für die Herstellung einer biologisch abbaubaren Einwegbatterie verwendet. Die Pilzhaut wurde mit einem leitfähigen flüssigen Elektrolyt getränkt, während auf beiden Seiten Metallelektroden angebracht wurden. In einer trockenen Pilzhaut eingeschlossen, könnte die Batterie kleine Geräte wie ein Bluetooth-Modul oder einen Feuchtigkeitssensor mit Strom versorgen.

Nicht nur, dass nicht wiederverwertbare Elektronik umweltschädlich ist, sie ist auch eine Verschwendung von potenziellen Ressourcen. Smartphones und andere Geräte enthalten wertvolle Mineralien wie Lithium, Kobalt und Gold. Anstatt einfach mehr von diesen Materialien in groß angelegten Bergbaubetrieben – oftmals in Ländern mit schlechten Arbeitnehmerrechten und -schutz – zu gewinnen, könnten diese Mineralien im so genannten „Urban Mining“ abgebaut werden. Auch mit Bakterien wurde in diesem Zusammenhang schon geforscht. Um die seltenen Erden mithilfe von Bakterien zurückzugewinnen, wird Elektroschrott in einer Flüssigkeit aufgelöst und Mikroorganismen hinzugefügt. So entsteht eine Biomasse, aus der die seltenen Erden gewonnen und wieder eingesetzt werden können.

Der beste Weg zur Verringerung des Elektroschrotts besteht natürlich darin, ihn an der Quelle zu bekämpfen, zum Beispiel, indem die Verwendung von Modellen mit längerer Lebensdauer und der Support für ältere Geräte gefördert wird.

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