Lebensmittelverschwendung ist ein viel größeres Thema, als den meisten von uns bewusst ist. Denn Nahrungsmittel werden in einem weit größeren Umfang verschwendet, als bei uns im Mülleimer landet. Laut den neuesten Zahlen des Welternährungsprogramms geht weltweit ein Fünftel der für den menschlichen Verzehr produzierten Lebensmittel verloren oder wird verschwendet. Die Gesamtkosten der Lebensmittelverschwendung für die Weltwirtschaft werden auf etwa 1 Billion US-Dollar geschätzt.
Aber der finanzielle Verlust ist nur ein Teil der Geschichte. Verschwendete Lebensmittel sind für etwa 8-10 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ein erheblicher Teil dieser Verschwendung entsteht, bevor die Lebensmittel überhaupt bei uns auf den Tisch kommen. Ein Teil verdirbt bereits auf den Feldern, während des Transports oder in den Verkaufsregalen. Wie aber können wir verhindern, dass frische Produkte verderben, ohne auf synthetische Chemikalien oder verschwenderische Verpackungen zurückzugreifen?
Eine natürliche Lösung: Essbare Beschichtungen von AgroSustain
Das Schweizer Startup AgroSustain hat die Antwort auf diese Herausforderung in der Natur selbst gesucht. Daraus entstanden ist Afondo, eine essbare Beschichtung aus natürlichen Emulgatoren und Pflanzenölen. Wird diese unsichtbare, geschmacksneutrale Schicht auf frische Produkte aufgetragen, verlangsamt sie das Austrocknen und den Verfall. Damit verlängert die unsichtbare Hülle die Haltbarkeit, ohne den Geschmack oder die Textur zu verändern. Außerdem ist sie im Gegensatz zu herkömmlichen chemischen Konservierungsmitteln biologisch abbaubar und einfach anzuwenden. Afondo kann direkt auf die Produkte gesprüht werden.
Neben essbaren Verpackungen entwickelt AgroSustain auch Biostimulanzien für die Zeit vor der Ernte, die Pflanzen wie Trauben, Erdbeeren und Tomaten helfen, Umweltbelastungen standzuhalten. Ziel ist es, Verderb zu verhindern, bevor er einsetzt, und so Lebensmittelverschwendung auf mehreren Stufen der Lieferkette zu bekämpfen.
Die Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung ist auch eine Frage der öffentlichen Wahrnehmung
AgroSustain ist nicht das einzige Unternehmen, das essbare Beschichtungen auf pflanzlicher Basis einsetzt, um Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen. Das in Kalifornien ansässige Unternehmen Apeel Sciences verfolgt seit Jahren eine ähnliche Mission. Dazu setzt Apeel auf Umhüllungen auf Lipidbasis, die aus Obst- und Gemüseschalen gewonnen werden. Beide Unternehmen wollen zwar die Frische von Produkten länger erhalten, verfolgen jedoch unterschiedliche Ansätze. Apeel konzentriert sich auf die Schaffung einer Barriere, die Feuchtigkeitsverlust und Oxidation reduziert. AgroSustain stellt dagegen neben der Feuchtigkeitsspeicherung den Schutz vor Pilzen in den Vordergrund.
Was beide Unternehmen betonen ist die wachsende Nachfrage nach Alternativen zu Kunststoffverpackungen und chemischen Konservierungsstoffen. Und sie stehen beide vor einer gemeinsamen Hürde: Die Wahrnehmung durch die Verbraucher:innen. Viele Käufer:innen sind gegenüber unsichtbaren Beschichtungen auf ihren Lebensmitteln skeptisch und assoziieren sie eher mit künstlichen Konservierungsstoffen als mit natürlichem Schutz.
Die Herausforderung besteht darin, Vertrauen zu gewinnen
Trotz der vielversprechenden Eigenschaften steht AgroSustain – und die Branche der essbaren Beschichtungen insgesamt – vor einigen Hürden. Erstens: Skalierbarkeit. Die Entwicklung natürlicher Beschichtungen, die für eine Vielzahl von Produkten geeignet sind, erfordert umfangreiche Tests. Behördliche Genehmigungen können dabei den Markteintritt verlangsamen. Zweitens: Kosten. Die essbaren Beschichtungen haben zwar das Potenzial, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Aber sie müssen für Landwirt:innen und Einzelhändler erschwinglich genug sein, damit sie in großem Maßstab eingesetzt werden. Auf jeden Fall eine Herausforderung, da Großbetriebe auf der ganzen Welt bereits geringe Gewinnspannen haben.
Schließlich stellt sich noch die Frage der Transparenz. Ohne klare Kommunikation besteht die Gefahr, dass selbst die beste Technologie zur Lebensmittelrettung missverstanden oder gänzlich abgelehnt wird.
Letztendlich könnte der Ansatz von AgroSustain zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung jedoch eine dringend benötigte, nachhaltige Lösungen sein. Der Erfolg wird jedoch von der Finanzierbarkeit abhängen und davon, ob es gelingt, Regulierungsbehörden, Unternehmen und skeptische Verbraucher:innen zu überzeugen.