#showyourbudgets zeigt das CO2-Budget der Welt

Eine neue Webseite macht mit verschiedenen Grafiken das globale CO2-Budget aller Länder weltweit sichtbar. Um die Pariser Klimaziele einzuhalten, müsste Deutschland demnach schon 2026 klimaneutral sein.

Autor*in Leonie Asendorpf, 05.10.20

Übersetzung Leonie Asendorpf:

Im 2016 beschlossenen Pariser Klimaabkommen haben sich 194 Länder und die Europäische Union darauf geeinigt, die Klimaerwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen und „Anstrengungen zu unternehmen“, die Erderwärmung bei 1,5 Grad (gegenüber vorindustriellem Niveau) zu stoppen. Um diese Ziele erreichen zu können, müssen die weltweiten CO2-Emissionen massiv gekürzt werden. Der Weltklimarat IPCC hat berechnet, wie groß das globale CO2-Budget ist, also wie viel CO2 die Menschheit noch emittieren darf, wenn sie die Erderwärmung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bei 1,5 oder 1,8 stoppen will. Die #showyourbudgets-Grafik zeigt, bis wann die Welt und einzelne Staaten demnach die CO2-Emissionen auf null reduzieren müssten.

Was diese Grafik zeigt: Im besten Fall werden die weltweiten CO2-Emissionen bis 2036 mit einer 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit auf 1,5 Grad begrenzt. Der zweitbeste Fall: Eine Begrenzung der CO2-Emissionen auf 1,5 Grad bis 2042 mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent. Je später die Erderwärmung gestoppt wird, desto höher wird auch das Risiko, dass die Erderwärmung nicht mehr – oder erst ab einer höheren Temperatur – gestoppt werden kann. Für eine Begrenzung bis 2056 auf 1,8 Grad berechnet der Weltklimarat eine Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent, für eine Begrenzung auf 1,8 Grad bis 2068 nur 50 Prozent.

Grafik zeigt, wie das gesamte CO2-Budget auf einzelne Staaten aufgeteilt werden könnte

Der IPCC berechnet nur ein globales, aber keine nationalen CO2-Budgets. Und auch im Pariser Klimaabkommen ist nicht festgelegt, wie dieses Budget auf die einzelnen Länder aufgeteilt werden soll. Es wird sich lediglich sehr vage für eine „gemeinsame, aber jeweils unterschiedliche Verantwortung“ der Länder ausgesprochen und darauf geeinigt, dass Länder, in denen es viel Armut und Hunger gibt, mehr Zeit für den Klimaschutz bekommen sollen. Diese unkonkreten Abmachungen lassen vielen Staaten ein Schlupfloch, da sie sich nicht an jeweilige nationale CO2-Budgets halten müssen.

Die Entwickler*innen der #showyourbudgets-Grafik, die von einer Gruppe um Christian Mihatsch, Klimajournalist und Manager des Projekts, entwickelt wurde, haben das globale CO2-Budget nun gemäß ihrem Anteil an der Weltbevölkerung auf einzelne Länder aufgeteilt. Zusammen mit diesen daraus entstehenden nationalen CO2-Budgets und den aktuellen Emissionen lässt sich dann berechnen, wann ein Land Netto-Null-Emissionen erreichen und klimaneutral sein muss. Die Autor*innen der Grafik gehen dabei von einem linearen Reduktionspfad aus. „Wir folgen einem naheliegenden Ansatz: Jeder Mensch bekommt denselben Anteil am globalen CO2-Budget. Das Budget eines Landes entspricht dann seinem Anteil an der Weltbevölkerung“, so Mihatsch im Interview mit Klimareporter.

Die Grafik zeigt eine lineare Reduktion des CO2-Budgets. In der Praxis kann die Reduktion aber natürlich auch anders verlaufen. „Entscheidend ist die Fläche unter der Kurve. Die repräsentiert das Budget“, erklärt Mihatsch. „Wenn man ein deutlich späteres Endjahr für Klimaneutralität will, könnte man auch sagen: Wir machen am Anfang ganz viel und lassen die Emissionen dann langsam auslaufen.“

In das CO2-Budget sind alle entscheidenden Emissionen einberechnet. Dazu zählen Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas sowie aus der Zementproduktion. Außerdem werden Emissionen aus der Änderung der Bodennutzung, also beispielsweise durch Rodungen oder Urbanisierung mit einberechnet. Die Emissionen, die aus der internationalen Luft- und Schifffahrt entstehen werden den einzelnen Ländern, gemäß ihrem Anteil an der Weltwirtschaft angerechnet.

Deutschland: Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad bis 2026

Das verfügbare CO2-Budget für Deutschland ist nach dieser Berechnung ziemlich klein. „Um die Erwärmung mit Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit bei 1,5 Grad zu stoppen, müsste Deutschland bei linearer Reduktion der Emissionen Ende 2026 klimaneutral sein. Für 1,8 Grad mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit reicht das Budget noch bis 2046“, so Mihatsch. Im letzteren Fall steht die Wahrscheinlichkeit, dass das 1,8 Grad überschritten wird, also 50/50. Mehreren Studien zufolge werden zwischen einer Erderwärmung um 1,5 und um 1,8 Grad jedoch schon sogenannte Kipppunkte des Klimasystems erreicht. Sind diese „Tipping points“ erstmal eingetreten, rechnen Forschende damit, dass sich die folgende Erderwärmung nicht mehr stoppen lässt und die Veränderungen des Klimas unumkehrbar sind.

USA müsste nach der Grafik schon Ende dieses Jahres klimaneutral sein

Die USA müssten nach den Berechnungen der #showyourbudgets-Grafik bereits Ende dieses Jahrs klimaneutral sein. Nur dann könnten sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent innerhalb des Budgets für eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad bleiben – ein Szenario, das bei der aktuellen politischen Lage schwer vorstellbar ist. Selbst bei einer Begrenzung auf 1,8 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau und einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent blieben den USA nur noch zwölf Jahre. „Das zeigt, wie dramatisch die Situation mittlerweile ist“, so Mihatsch.

Kritik: soziale Ungerechtigkeiten nicht mit einberechnet

Besonders in letzten Jahren hat das Thema soziale Gerechtigkeit immer mehr Aufmerksamkeit in der Klima-Bewegung bekommen. Teil der Forderung dahinter ist, dass Anstrengungen, die weltweiten CO2-Emissionen zu verringern, insbesondere von den Ländern geleistet werden sollen, die den größten Anteil an den bisherigen Emissionen tragen. Also vor allem von Industrieländern und ehemalige Kolonialmächten, die Länder des globalen Südens ausgebeutet und um ihre natürliche Ressourcen beraubt haben.

Bei der Berechnung der #showyourbudgets-Grafik wurden diese Aspekte jedoch nicht mit einbezogen, denn die CO2-Budgets der einzelnen Länder werden, unabhängig von historischen Emissionen, nach dem Anteil an der Weltbevölkerung berechnet. Mihatsch ist sich der Kritik bewusst. Der Hintergrund der Entscheidung sei gewesen, dass Industriestaaten überhaupt kein Budget mehr hätten, wenn man alle Emissionen seit Beginn der industriellen Revolution berücksichtigen würde. „Darum können sich die Länder auch nicht auf die Aufteilung des Budgets einigen. Das kann man mit Recht unfair finden, wir haben aber nach einer pragmatischen Lösung gesucht“, so Mihatsch.

Reichere Länder haben im Vergleich zu ärmeren Ländern meist nicht nur mehr finanzielle, sondern auch mehr technologische Möglichkeiten, ihre CO2-Emissionen zu senken. Diese Ungleichheit geht indirekt auch in die Berechnung der Grafik mit ein, da Länder, deren Pro-Kopf-Emissionen über dem globalen Durchschnitt liegen, bei den Berechnungen schneller klimaneutral sein müssen.

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