Woran denkst du, wenn du Wort „Sand“ hörst? Meine erste Assoziation: Sandburgen, Strand und ein Grund für den Handfeger beim Zelten. Doch Sand kann deutlich mehr, als als Matschepampe zu kippeligen Türmen gekleckert zu werden. Ob beim Bremsen von Zügen, als Bestandteil von Computerchips und Geldkarten, Zahnpasta, Reinigungsmitteln oder Solarzellen – Sand umgibt uns in scheinbar allen Lebensbereichen, ohne das wir davon Notiz nehmen. Doch am wichtigsten ist Sand für die vier Wände, die uns umgeben, denn die gesamte Bauindustrie ist wortwörtlich auf Sand gebaut. Fenster, Beton, Estriche – alle diese Elemente bestehen zu großen Teilen aus Sand. Der meistens für den Gebäudebau eingesetzte Stahlbeton besteht zu rund einem Drittel aus Zement und rund zwei Dritteln aus Sand. Für ein mittelgroßes Haus sind so ungefähr 200 Tonnen Sand nötig.
Das Problem: Sand ist zwar in großer Menge natürlich vorhanden und entsteht durch die Verwitterung von Gesteinen permanent neu, doch der Bauboom – beispielsweise in den Arabischen Staaten, Singapur oder China – fordert Unmengen des körnigen Rohstoffs. Und einmal zu Beton gemischt, lässt sich der Sand nicht mehr aus dem Element heraustrennen und kann daher nicht wiederverarbeitet werden.
Der Sand wird knapp
Für den immensen Bedarf an dem Material werden nach Schätzungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) jährlich zwischen 47 und 59 Milliarden Tonnen Material abgebaut, wobei diese Schätzung Sand und Kies gleichermaßen umfasst. Die größten Teile des Sandvolumens werden vom Meeresboden oder aus Strandregionen gewonnen. Der zuhauf vorkommende Wüstensand ist bisher aufgrund seiner Feinkörnigkeit meist nicht für die Verarbeitung geeignet, wird jedoch teilweise genutzt, um abrutschende Strände aufzuschütten. Nur einige der vielen Folgen dieser maßlosen Gier nach dem gelben Gold: Flussbetten verändern sich und Strände erodieren, die Biodiversität leidet unter dem Abbau natürlicher mariner Lebensräume, in Indonesien verschwanden ganze Inseln durch das Absinken des Bodens durch übermäßige Sandförderung, die Lebensgrundlage von Fischern wird zerstört.
Trotz großer natürlicher Vorräte ist bereits jetzt erkennbar, dass die natürliche Ressource Sand den Bedarf in absehbarer Zeit nicht mehr decken kann. Professor Dirk Hebel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) beschreibt in seinem Zukunftsblog, dass heute rund 50 Prozent der Sande, die ursprünglich unsere Meere erreichten, bereits auf dem Weg dorthin in Flussläufen abgegriffen werden.
Viele Länder, wie beispielsweise Indonesien, Kambodscha und Vietnam, haben den kritischen Status der Ressource erkannt und die Ausfuhr von Sand verboten. Die Verknappung der Ressource hat in den letzten Jahrzehnten so zu einem starken Anstieg des Preises geführt: während eine Tonne importierten Sandes in Singapur um die Jahrtausendwende noch durchschnittlich drei Dollar pro Tonne kostete, beträgt der Preis heute etwa rund 60 Dollar pro Tonne. Es überrascht daher nicht, dass das Geschäft mit dem Sand von Raubbau, Schmuggel und mafiösen Strukturen durchsetzt ist. Gerade in Entwicklungsländern wird Sand illegal abgebaut und über den Schwarzmarkt verkauft.
Alternativen zum Sand
Angesichts dieser bedenklichen Situation ist es an der Zeit, über nachhaltige Alternativen zu Sand, gerade in der Bauindustrie, nachzudenken. Laut Hebel von der ETH könnten beispielsweise Pilzwurzeln als nachwachsender und ökologisch verträglicher Baustoff eingesetzt werden.
Auch das kürzlich bei den GreenTec Awards in der Kategorie „Recycling & Ressourcen by Veolia“ausgezeichnete Startup Neocomp verfolgt einen Ansatz, um Sand durch andere Materialien zu setzen – wenn auch eher als Begleiterscheinung. Das Unternehmen hat einen neuartigen Weg gefunden, alte Rotorenblätter von Windkraftanlagen zu recyceln. Das Recyceln der mit Glasfaser verstärkten Kunststoffteile war bisher das Sorgenkind der Windindustrie, da das Recycling der Rotorenblätter nur schwierig und unter Aufwendung hoher Kosten möglich war. Neocomp hat nun ein neues Verfahren zum Zerkleinern der Blätter und zum Trennen der einzelnen Bestandteile entwickelt. Der glasfaserverstärkte Kunststoff wird so verarbeitet, dass er im Anschluss in der Zementindustrie als Sandersatz eingesetzt werden kann. Dieser Zement könnte beispielsweise für das Fundament neuer Windräder eingesetzt werden – ganz ohne den Einsatz von Sand vom Meeresboden.
Wer sich näher mit dem Thema Sand befassen möchte, dem sei diese Dokumentation über Sand, Bauboom und Sandhandel des französischen Filemmchers Denis Delestrac empfohlen.