Ernteroboter sehen wir auf Feldern schon seit einigen Jahrzehnten. Allerdings düngen, pflücken und jäten sie erntereife Lebensmittel eher mit dem Holzhammer als mit dem Samthandschuh. Herkömmliche Agrarroboter eignen sich daher bislang eher für robuste Lebensmittel wie Kartoffeln, Getreide oder Rüben. Pilotprojekte zeigen aber eindrucksvoll: Die moderne Robotik wird das in den nächsten Jahren allerdings ändern.
Die neuste Generation Roboter nutzt Sensoren, Kameras und KI-Software, um ausschließlich reife Früchte behutsam von der Pflanze zu trennen. Der Pflückroboter von Floating Robotics schafft es dabei etwa, Tomaten zu pflücken, ohne sie im Prozess zu beschädigen. Gleichzeitig hat er genug Kraft, um Obstkisten aufzufalten und für die weitere Verarbeitung abzutransportieren. Sein britischer Bruder von Fieldwork Robotics kann sogar Himbeeren pflücken, was selbst für Menschen eine Herausforderung ist. Und ein Gärtner-Roboter konnte den Wasserbedarf seiner Schützlinge halbieren.
Mit dem Einsatz von maschinellen Helfern in Gewächshäusern und auf Feldern lässt sich sowohl der CO2-Fußabdruck der Landwirtschaft als auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringern. Zudem wollen Forscher*innen mit ihnen auch für den Fall gewappnet sein, dass sich die Erderwärmung nicht ausreichend aufhalten lässt.
Wo sind die Unterschiede zu herkömmlichen Ernterobotern?
Um zu verstehen, warum herkömmliche Agraffahrzeuge zu grobmotorisch für Himbeeren und Tomaten sind, müssen wir erst einmal auf unsere Felder schauen. Eine Erntemaschine für Kartoffeln nennt sich Kartoffelroder und schleudert Kartoffeln nach dem Umpflügen des Ackers in eine Auffangvorrichtung. Moderne Varianten können die Kartoffeln anschließend umgehend von Pflanzenresten befreien und reinigen. Und auch hier kommen bereits Kameras und Sensoren zum Einsatz.
Felder auf diese Art abzuernten, gelingt mit landwirtschaftlichen Maschinen bereits seit Jahrzehnten. Die Entwicklung ging von anfänglichen, rein maschinellen Erntewerkzeugen hin zu computergestützten Maschinen. Diese konnten bislang aber weder gefühlvoll mit Pflanzen umgehen noch überprüfen, ob diese überhaupt schon bereit sind, um geerntet zu werden.
Der Ernteroboter eines Tochterunternehmens der ETH Zürich hingegen verarbeitet die Daten des Kamerabildes mit mithilfe einer KI-Software. Diese kann anhand von Farbunterschieden erkennen, welche Früchte eines Strauches bereits erntereif sind. Gleichzeitig identifizieren die Kameras die Position der Tomaten präzise genug, um die Früchte knapp über dem Stiel abzuschneiden. Der Pflückroboter schont dadurch nicht nur die Früchte, sondern stellt auch die Gesundheit der Pflanze sicher. Die gepflückten Tomaten legt der autonome Mitarbeiter dann in einem Auffangkorb ab und nimmt sich die nächste Staude vor.
Einsatz im Gewächshaus und auf dem Feld
Das Unternehmen möchte derartige Maschinen auch auf Feldern einsetzen. Damit sollen sich die Roboter sowohl für einen Einsatz an der freien Luft als auch für das Vertical Farming eignen.
In Gewächshäusern setzt Floating Robotics seine Pflückroboter auf Schienen. Dort fährt der Roboterarm inklusive Auffangkorb und benötigter Elektronik von Pflanze zu Pflanze und entnimmt die reifen Früchte. Die Identifikation reifer Früchte und das anschließende Pflücken dauert bei Tomaten aktuell zehn Sekunden. Bei Kirschen, so Floating Robotics auf einer Infoseite, ließe sich der Vorgang auf acht Sekunden verkürzen. Ein schnelleres System führe jedoch dazu, dass die Pflanzen beschädigt würden.
Gleichzeitig ist der Roboterarm aber stark genug, um Pflanzenkisten aufzuklappen. Menschliche Arbeitskräfte müssen somit lediglich den Abtransport und die Qualitätssicherung der Früchte übernehmen und regelmäßig leere Kisten für den Roboter bereit stellen.
Auf dem Feld wechselt der Pflückroboter von der Schiene auf gespannte Seile. Das System erinnert dabei stark an sogenannte „Spider-Cams“, wie man sie aus Fußballstadien kennt. Floating Robotics errichtet hierfür Masten rund um ein Feld und spannt die Hardware dann an Stahlseilen zwischen diesen ein. Die Bewegungsfreiheit erfolgt anschließend in drei Dimensionen und soll den Roboter sicher und präzise an den benötigten Einsatzort bringen.
Neben dieser Lösung bringt die moderne Agrarroboterforschung aber auch ausgefallene Lösungen hervor. Der autonome Roboter von Tevel Aerobotics Technologies vertraut auf kabelgebundene Drohnen, die Äpfel über Saugnäpfe pflücken können. Obwohl deren Propeller mithilfe von Gittern geschützt sind, wirkt die Konstruktion ein wenig fragiler als die Kabeltechnik.
Aber egal, ob über Drohnen oder auf dem Hochseil – die Roboter auf dem Feld zu nutzen, könnte einen großen Vorteil bringen.
Moderne Roboter vermindern Schutzmitteleinsatz
Denn dank verschiedener Aufsätze können Ernteroboter weitere Tätigkeiten in der Landwirtschaft übernehmen. Ihre Kameras erkennen bereits Krankheiten von Pflanzen und könnten dem Roboter dadurch anweisen, diese zeitnah von anderen Ablegern zu isolieren oder gezielt zu behandeln. Der Einsatz von Pestiziden soll durch die präzisen Maschinen zudem deutlich gezielter erfolgen als bisher. Statt Felder also flächendeckend mit Pflanzenschutzmitteln zu besprühen, spritzen Düsen diese direkt auf Blätter auf oder injizieren sie in den Nährboden der Pflanzen. Oder kleine, autonome Roboter vernichten Unkraut gezielt per Stromschlag.
Hierdurch sollen Agrarroboter die Landwirtschaft zukünftig nachhaltiger machen. Dem Umweltbundesamt zufolge liegt im flächendeckenden Gebrauch von Pestiziden die Gefahr, dass diese durch Abschwemmung oder durch Verdriftung in naheliegende Gewässer gelangen können. Darüber hinaus führe der intensive Einsatz von Herbiziden dazu, dass die Pflanzenwelt verarme und vielen Tierarten die Nahrungsgrundlage entzogen würde. Ferner konnten Studien nachweisen, dass “Pflanzenschutzmittel über die Nahrungskette eine der Hauptursachen für den Rückgang verschiedener Feldvogelarten, wie zum Beispiel der Feldlerche, der Goldammer oder des Rebhuhns” seien.
Roboter könnten vielerorts zur Notwendigkeit werden
In Mitteleuropa konnten wir in den letztern Jahren immer wieder Temperaturrekorde in den Sommermonaten messen. Darüber hinaus nehmen Extremwetterphänomene wie Dürreperioden oder Überschwemmungen zu. In Ländern des globlen Südens sind die Auswirkungen der Erderwärmung noch deutlicher zu spüren. Für Landwirt*innen sowie Feldarbeiter*innen macht das die Arbeit zunehmend unerträglich, mitunter sogar lebensgefährlich.
Solarbetriebene Agrarroboter wie der FD 20 des Unternehmens FarmDroid hingegen profitieren von direkter Sonneneinstrahlung. Dank eines integrierten Akkus, der eine Nacht lang hält, können Landwirt*innen sie rund um die Uhr für die Feldarbeit einsetzen. Sie selbst können die Roboter bequem vom Smartphone aus steuern und müssen lediglich bei Ausfällen oder Problemen selbst aufs Feld. Dasselbe gilt für die präzisen Pflückroboter in Gewächshäusern.
Hohe Temperaturen sind in Gewächshäusern eine besonders starke Belastung. Während ein heißes, feuchtes Klima für diverse Pflanzen die optimalen Wachstumsbedingungen ermöglicht, ist die Arbeit für Menschen hier besonders anstrengend. Körperliche Arbeit unter derartigen Bedingungen ist mühsam und kann nur mit ausreichend vielen Pausen und kurzen Arbeitszeiten erfolgen. Agrarroboter können in heißen Umgebungen jedoch effizient arbeiten – und das prinzipiell sogar rund um die Uhr.
Eine voranschreitende Automation in der Landwirtschaft beugt zudem einem weiteren Problem vor: Dem Mangel an Fachkräften, der in den nächsten Jahrzenten viele Wirtschaftszweige vor Herausforderungen stellen wird. Die Ursache hierfür sind vor allem demographische Entwicklungen, deren Effekte durch steigende Temperaturen verstärkt werden. Während es immer mehr alte Menschen geben wird, leidet diese Bevölkerungsgruppe besonders stark unter hohen Temperaturen.
Agrarroboter stehen noch vor einigen Hürden
Auch wenn die Entwicklungen in der Agrarrobotik stark voranschreiten, gibt es zukünftig noch einige Probleme, die es zu lösen gilt. Das wohl gravierendste ist eines, das in jeder Diskussion um automatisierte Fahrzeuge aufkommt.
Wer übernimmt die Verantwortung, wenn etwa ein Feldarbeiter durch einen autonomen Feldroboter zu Schaden kommt? Diese ethische Fragestellung, die in den letzten Jahren immer wieder im Zusammenhang mit selbstfahrenden Autos diskutiert wird, stellt sich zukünftig auch in der Landwirtschaft.
Landwirt*innen, die bereits mit derartigen Fahrzeugen arbeiten, kritisieren zudem die häufigen Ausfälle aufgrund der schlechten Netzabdeckung des Mobilfunknetzes. Sowohl der Mobilfunkempfang als auch GPS als Ortungssystem werden zudem von Bäumen oder Gebäuden eingeschränkt. Durch diese Technologien sind Agrarroboter aber vor allem von einer digitalen Infrastruktur im Einsatzgebiet abhängig. Und gerade das ist in vielen Ländern, die besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, nicht gegeben.
Entwicklungen interessant, aber auch gefährlich
Eines haben Pflanzen und Agrarroboter also in gewisser Weise gemeinsam: Sie profitieren von den kontrollierten Bedingungen, die sich in Gewächshäusern und vertikalen Farmen herstellen lassen. Da Expert*innen in ihnen ohnehin eine sinnvolle Möglichkeit sehen, Ernten auch in Gebieten mit Extremwetterbedingungen sicherzustellen, sind die neuen Entwicklungen in der Robotik essenziell.
Durch sie könnte der Betrieb von Gewächshäusern zukünftig fast vollständig autonom erfolgen. Mit einer gesteigerten Effizienz könnten sie dadurch Lebensmittel in Ballungsgebieten produzieren und ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die Nahrungsknappheit darstellen. Denn: Felder benötigen viel Platz und lassen sich deutlich schlechter gegen Umwelteinflüsse wie Hitze und Überschwemmungen abschirmen.
Open-Source gegen Monopolisierung
Projekte wie der Acorn von Taylor Alexander versuchen, moderne Agrarroboter auch für Kleinstbetriebe verfügbar zu machen.
Alexander setzt dabei auf Open-Source-Software und günstige Komponenten wie Einplatinencomputer und Elektromotoren. Diesen verkauft Alexander nicht etwa selbst, sondern Bäuer*innen sollen den Agrarroboter nachbauen.
Der Code lässt sich dabei über die Plattform Github beziehen, die benötigten Teile bietet Twisted Fields, eine US-amerikanische Forschungs-Farm, zum Kauf an.
Die robotergestützte Landwirtschaft geht aber auch mit einer weiteren Gefahr einher. Denn die Entwicklungen, die wir in diesem Artikel erwähnt haben, kosten in der Regel fünf- oder gar sechsstellige Beträge. Mit dem zunehmenden Einsatz von Agrarrobotern geht daher auch das Risiko einher, dass sie Ungleichheiten verstärken.
Es benötigt daher stattliche Förderungen, Subventionen und Programme, um zu vermeiden, dass in Zukunft nur noch reiche Unternehmen in der Lage sind, Lebensmittel herzustellen.