Riesen-Lego aus Schadholz: Wie Triqbriq den Holzbau revolutionieren könnte

© TRIQBRIQ AG

Was, wenn es ein Baumaterial gäbe, das umweltfreundlich ist, sich schnell verarbeiten lässt und auch noch vollständig und rückstandslos zurückbaubar ist? Diese Vorstellung ist längst keine Utopie mehr, wie diese neuartigen „Ziegelsteine“ beweisen.

Autor*in Benjamin Lucks, 29.11.23

Übersetzung Lana O'Sullivan:

Das Stuttgarter Startup Triqbriq entwickelte ein vollautomatisches Verfahren, um modulare Holzbausteine herzustellen. Diese lassen sich anschließend zusammenbauen und eignen sich für den Gebäudebau. Der Clou: Dank einer besonderen Struktur können die „Briqs“ auch aus Altholz oder beschädigtem Recycling-Holz bestehen. Häuser können dadurch nicht nur nachhaltiger gebaut werden, sie binden zudem große Mengen an CO2 in ihren Wänden.

Wie entstehen neue Häuser aus altem Holz?

Viele Expert*innen sehen in Holz einen wichtigen Schlüssel zu einer erfolgreichen Gebäudewende. Denn Holz besitzt nicht nur die benötigte Tragkraft für den Häuserbau. Es hat zudem die Eigenschaft, CO2 über viele Jahre zu binden und ist beim richtigen Einsatz auch vollständig rückbaubar. Ein Frankfurter Wohnhaus, das aus den Bausteinen von Triqbriq gefertigt wurde, bindet etwa dauerhaft über 50.000 Kilogramm CO2. Darüber hinaus ist Holz von Natur aus wärme- und schalldämmend und auch beim Brandschutz unbedenklich.

© Quelle: TRIQBRIQ AG

Um Holz als Baumaterial für neue Häuser noch interessanter zu machen, stellt Triqbriq daraus Module her. Diese modularen Bauteile bestehen aus mehreren Einzelteilen, die das Unternehmen dreiaxial und über Holzdübel miteinander verbindet. Die einzelnen Komponenten halten so ganz ohne Leim oder Kleber und stützen sich gegenseitig.

Diese Fertigung ist es, die es Triqbriq ermöglicht, neben neuem Holz auch Altholz zu verwenden. Kalamitätsholz kommt für den Häuserbau eigentlich weniger in Frage, da es als Sturmholz, Käferholz oder Kernholz zu instabil ist. Dank der dreiaxialen Struktur schafft es Triqbriq allerdings, auch geschwächtes Holz oder rückläufiges Bauholz zu robusten Briqs zu verarbeiten. Unter anderem arbeitet das Unternehmen mit Concular zusammen, einem Unternehmen, das sich auf den zirkulären Rückbau von Gebäuden spezialisiert hat. Concular liefert Triqbriq bereits verwendete Holzbalken aus rückgebauten Gebäuden. Und obwohl dort Fräslöcher und weitere Beschädigungen vorhanden sind, bleibt das Holz für den Einsatz in den Briqs geeignet.

Der Fertigungsprozess der einzelnen Briqs funktioniert dabei vollautomatisch und mithilfe von Robotern. Diese sägen Holzbalken auf die benötigten Maße zu, fräsen die Dübellöcher und stecken die Briqs anschließend sogar zusammen. Wie Lewin Fricke, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Triqbriq im obigen Video verrät, ließe sich das roboterbasierte Fertigungsmodul an Sägewerke oder sonstige Infrastruktur anschließen.

Montage ganz ohne Leim und in Rekordzeit

Für die Verarbeitung der Briqs benötigen Handwerker*innen zudem keine Spezialausbildung. Die Module werden auf Paletten angeliefert und müssen anschließend nur ineinandergesteckt werden. Da Triqbriq auf Leime oder Kleber verzichtet, gibt es zudem keine Trockenzeiten oder sonstige Wartezeiten beim Hausbau. Das Unternehmen verspricht zudem einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil im Vergleich zum Bau mit Kalksandstein.

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Dass die einzelnen Briqs ganz ohne Leim zusammenhalten, ermöglicht zudem einen rückstandslosen Rückbau. Theoretisch ließe sich ein Haus, das aus Briqs gefertigt ist, also in 50 Jahren abbauen und an anderer Stelle oder in veränderter Form wieder aufbauen.

Sollten wir aus Kalamitätsholz Häuser bauen?

Ein Kritikpunkt an den Baumodulen von Triqbriq ist allerdings die Entnahme von Kalamitätsholz aus Ökosystemen. Denn Schad- und Totholz erfüllt in Wäldern wichtige Aufgaben und schafft etwa Lebensräume für Insekten. Laut Triqbriq sei das allerdings kein Problem, da die Menge an Kalamitätsholz in Wäldern zu groß sei.

Expert*innen wie etwa Forstamtleiter Klaus Velbecker betonen zudem die Wichtigkeit der Entnahme von Schadholz in deutschen Wäldern. Gründe dafür sind einerseits die steigende Hitze in den Sommermonaten. Andererseits hemmt das Abtragen von Totholz die Verbreitung des Borkenkäfers, der als Schädling immer mehr zum Problem wird. Kalamitätsholz sinnvoll weiterzuverwenden ist also auch eine Gelegenheit, die Gesundheit unserer Wälder bei steigender Erderwärmung zu schützen.

Gebäude sind ein CO2-Schwergewicht: Das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Häuser hat einen Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen Deutschlands. Unsere Klimaziele erreichen wir nur, wenn diese Emissionen massiv gesenkt werden.

Wie aber gelingt die nachhaltige Transformation der Gebäude und welche Rolle spielen digitale Lösungen dabei? Das RESET-Greenbook gibt Antworten: Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren

Die modularen Bausteine von Triqbriq bieten insgesamt große Chancen, um nachhaltiges Bauen einfacher zu machen. Damit der Holzbau sein wahres Potenzial ausschöpfen kann, müssen langfristig allerdings mehr Mehrfamilienhäuser gefertigt werden. Denn während bereits ein Fünftel der Einfamilienhäuser in Deutschland aus Holz gefertigt sind, ist der Anteil bei Mehrfamilenhäusern mit 1-2 Prozent deutlich geringer.

In Frankfurt konnte Triqbriq bereits seinen ersten mehrstöckigen Rohbau fertigstellen, dabei handelt es sich jedoch um ein Einfamilienhaus. Lewin Fricke verriet uns, dass Triqbriq an der Planung mehrerer Mehrfamilienhäuser beteiligt sei. Im nächsten Frühjahr jedoch stehe erst einmal der Bau eines Supermarktes als nächster Meilenstein an.

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Dieser Artikel gehört zum Dossier „Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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